Amazon-Bewertungen bewerten

Kundenbewertungen im Internet spielen auch beim Kauf von Büchern eine wichtige Rolle – speziell bei Fachbüchern. Deshalb versuchen viele Buchautoren, den Verkauf ihrer Werke zum Beispiel durch positive Besprechungen bei Amazon zu pushen. Also sollte man als potenzieller Käufer ein Gespür dafür haben: Welche Besprechung ist vermutlich "echt" und welche "gefakt"? [...]

„Trommeln gehört zum Handwerk.“ Dieses Credo haben (nicht nur) viele bücherschreibende Unternehmensberater verinnerlicht. Sie wissen zudem: Gerade bei Fachbüchern orientiert sich die Kaufentscheidung der potenziellen Käufer stark daran, wie diese unter anderem bei Amazon von Lesern bewertet werden. Denn weil die meisten Fachbücher in den Buchhandlungen nicht vorrätig sind, kann man dort auch nicht in ihnen schmökern. Also arbeiten die Buchautoren darauf hin, dass nach dem Erscheinen ihrer Bücher möglichst viele Top-Bewertungen, also 5-Sterne-Bewertungen von diesen bei Amazon erscheinen – von Bekannten und Verwandten sowie PR-Beratern, die sie engagiert haben, in der berechtigten Erwartung: Dann kaufen oder bestellen potenzielle Interessenten eher mein Buch.

Entsprechend wichtig ist es, die „echten“ von den „un-echten“ – weil von den Autoren initiierten –, Kundenrezensionen unterscheiden zu können, um sich ein Urteil darüber zu bilden: Ist das Buch x oder y für mich interessant? Vorsicht ist zum Beispiel angesagt, wenn bereits wenige Tage, nachdem ein Buch lieferbar ist, ein halbes Dutzend 5-Sterne-Bewertungen im Netz stehen. Denn dann wurde das Buch bei den tatsächlichen Bestellern meist noch gar nicht ausgeliefert. Und wenn doch? Dann hätten sie das Buch nach Erhalt sofort in einem Rutsch durchlesen müssen, um danach sogleich eine Rezension zu schreiben. Das ist bei einem Fachbuch unwahrscheinlich. Deshalb sind diese Besprechungen meist „gefakt“.

ZU GUT IST VERDÄCHTIG
Dasselbe gilt, wenn – wie bei einem Mitte September erschienenen Buch eines Vertriebsberaters – bereits einen Monat nach dem Bucherscheinen mehr als 50 zumeist 5-Sterne-Besprechungen bei Amazon stehen. Auch dann ist die Wahrscheinlichkeit hoch: Der Autor aktivierte seinen gesamten Freundes- und Bekanntenkreis, positive Buchrezensionen zu publizieren. Denn eine so große Zahl von Buchbesprechungen lösen selbst Neuerscheinungen solcher Star-Autoren wie Ken Follet und Joanne K. Rowling in so kurzer Zeit nicht aus, obwohl deren Bücher in deutlich höheren Stückzahlen verkauft werden. Deshalb Vorsicht bei allen Büchern, bei denen schon kurz nach Erscheinen sehr viele Besprechungen auf der Amazon-Webseite stehen. Bei ihnen vermitteln meist die wenigen 1- bis 4-Sterne-Besprechungen ein realistischeres Bild von der Qualität des Buchs. Denn die „bestellten“ Rezensenten bewerten die Bücher fast ausnahmelos mit 5 Sternen.   

Ebenfalls ein recht realistisches Bild von der Qualität eines Buchs erhält man, wenn man sich bei Lektüre der Besprechungen auf die beschränkt, unter denen der Vermerk „Verifizierter Kauf“ steht. Denn diese Rezensenten kauften das Buch tatsächlich bei Amazon – und deshalb lasen sie es vermutlich auch, was bei meisten anderen Rezensenten zweifelhaft ist. Dasselbe gilt für Rezensionen von Fachbüchern, die erst ein oder zwei Jahre nach Erscheinen des Buchs ins Netz gestellt wurden: Sie sind meist „echt“. Denn zu diesem Zeitpunkt haben die meisten Autoren (sowie deren Verlage) die PR für ihr Buch schon eingestellt – entweder weil dieses sich aufgrund der Mundpropaganda auch ohne diese gut verkauft oder weil es trotz aller PR wie Blei in den Regalen liegt.

VORSICHT BEI TOP-REZENSENTEN
Ein gutes Bild, inwieweit man dem Urteil eines Amazon-Rezensenten vertrauen kann, erhält man auch, wenn man dessen Namen anklickt. Denn dann werden alle Bücher und sonstigen Produkte angezeigt, die er schon bewertet hat. Zeigt sich dann, dass zum Beispiel der Rezensent eines Fachbuchs für Führungskräfte zuvor nur Liebesromane und solche Produkte wie Kaffeemaschinen besprach, dann kann man nahezu sicher sein: Der Rezensent zählt nicht zur Kernzielgruppe des Buchs. Und vom Thema Mitarbeiterführung hat er vermutlich null Ahnung.


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