Amazon Web Services – viel Cloud für wenig Geld

Unter den großen Anbietern von Public-Cloud-Services ist Amazon Web Services unangefochten die Nummer Eins. Um diese Position zu halten, setzt die Tochtergesellschaft von Amazon auf eine mehrgleisige Strategie: günstige Preise und eine rasante Erweiterung seiner Cloud-Services. Doch dieses Vorgehen ist nicht ohne Risiko. [...]

NACHHOLBEDARF IN SACHEN PARTNERLANDSCHAFT
Nachholbedarf hat AWS im Bereich Partnernetzwerk. Dieser Punkt spielt gerade in Deutschland eine große Rolle, dessen Wirtschaft vor allem von mittelständischen Unternehmen geprägt ist. Diese benötigen Hilfestellung, wenn sie „Workloads“ in eine Cloud-Umgebung verlagern möchten oder eine Hybrid-Cloud-Umgebung aufbauen wollen.

Nach Angaben der Beratungsgesellschaft Experton Group, die jährlich den Cloud Vendor Benchmark für Deutschland publiziert, verfügt AWS derzeit über eine „überschaubare, aber erlesene Anzahl von Partnerschaften“. Auf der Liste der Consulting-Partner finden sich Unternehmen wie Arvato, Acentix, die Beck et al. Services GmbH, Claranet, die Direktgruppe und ITM. Noch ausbaufähig ist jedoch die Kooperation mit Systemhäusern. Zwar zählen Unternehmen wie die Cloud AG zur Riege der AWS-Partner, Schwergewichte wie etwa Cancom jedoch nicht.

Dies mag damit zusammenhängen, dass ein Gutteil der AWS-Dienste im Rahmen eines „Self-Service-Modells“ bereitsteht und von Nutzern eigenständig implementiert wird. Hinzu kommt, dass die Einbindung von Cloud-Services in eine IT-Infrastruktur tiefgreifende Änderungen nach sich ziehen kann, vom Umbau der IT-Umgebung bis hin zur Anpassung von Geschäftsprozessen. Dies erfordert ein profundes Wissen, nicht nur beim Anwender, sondern auch beim Berater und dem Systemhaus. Über dieses Know-how dürften selbst viele Systemhäuser noch nicht verfügen.

AWS UND ACCENTURE: HILFE AUS DER CONSULTING-BRANCHE
Derzeit setzt AWS vor allem auf Consulting-Unternehmen wie Accenture. Im Herbst 2015 gründeten AWS und Accenture die Accenture AWS Business Group. Das Gemeinschaftsunternehmen hat drei Kernaufgaben:

  • Unterstützung von Unternehmen bei der Transformation von Applikationen und IT-Umgebungen mit dem Ziel, Cloud-Dienste von AWS nutzbringend einzusetzen,
  • die Ergänzung von Accentures Big-Data-und Analytics-Plattform Insights um entsprechende Cloud-Services von Amazon,
  • die Entwicklung neuer Cloud-Dienste in vielversprechenden Marktsegmenten wie dem Internet der Dinge (Internet of Things) und bei IT-Sicherheitsservices.

Die Accenture AWS Business Group spricht zumindest derzeit in erster Linie Großunternehmen an. Offen ist, ob der Anbieter auch in Deutschland nur Großkunden bedienen wird und die Beratung von Mittelständlern Partnern von AWS überlässt.

AWS-ZUKUNFT: SAAS-ANGEBOTE ERWEITERN DEN CLOUD-STACK
Der Markt der Cloud-Dienste in den Bereichen Infrastructure as a Service und Platform as a Service ist noch lange nicht ausgeschöpft. Dennoch ist AWS dabei, weitere Bereiche des „Cloud Stack“ zu erschließen, sprich das SaaS-Segment. Dort sind Anbieter wie Microsoft, Oracle, SAP und Salesforce.com stärker vertreten als AWS. Doch dies ändert sich. Ein Beispiel ist Amazon WorkMail, ein E-Mail- und Kalender-Service, der ähnliche Funktionen aufweist wie Microsofts Cloud-Versionen von Exchange und Office (Office 365). Es ist offenkundig, dass Amazon Web Services damit eine Alternative zu Microsoft bieten möchte.

Ein weiteres Beispiel dafür, dass Amazon Web Services in neue Bereiche vorstößt, ist Amazon Workspaces. Dieser Dienst stellt komplette IT-Arbeitsplätze über die Cloud bereit. Mithilfe des Amazon Workspaces Application Manager (WAM) haben Nutzer die Möglichkeit, einen Workspace mit Applikationen zu bestücken. Das können Anwendungen aus dem Amazon Marketplace sein, aber auch eigene Programmpakete. Mit diesem Service bietet AWS eine Alternative zu technisch aufwändigen VDI-Implementierungen (Virtual Desktop Infrastructure). Nach Angaben der Experton Group testen bereits etliche Großunternehmen AWS Workspaces. Amazon habe durchaus das Zeug dazu, sich in diesem Marktsegment zum Marktführer zu entwickeln.

FAZITAmazon Web Services (AWS) ist nach wie vor der unumstrittene „Platzhirsch“ im Bereich Infrastructure-as-a-Service. Das Angebot entsprechender Cloud-Services ist in Bezug auf den Umfang und die Tiefe unübertroffen. Das gilt auch für das Tempo, in dem Amazon seine Produktpalette erweitert. Weitere Pluspunkte sind die starke Position im Bereich Platform-as-a-Service, wenn auch hinter Microsoft Azure, und die Einbindung von Drittanbieterlösungen über den AWS Marketplace. Ein geschickter Schachzug war zudem, deutsche Unternehmen über Rechenzentren vor Ort, sprich in Frankfurt am Main, mit Cloud-Diensten zu versorgen.

Nachholbedarf hat AWS dort, wo Beratungsleistungen und die praktische Umsetzung von Cloud-Projekten ins Spiel kommen. Speziell in Deutschland benötigen kleinere und mittelständische Unternehmen Hilfe, um den richtigen Weg in die Cloud zu finden. Das gilt vor allem für den Aufbau von Hybrid-Cloud-Umgebungen. Abhilfe kann der Ausbau des Partnernetzwerks durch AWS schaffen. Dies hat Amazon Web Services bereits angekündigt.

Abzuwarten bleibt, ob Amazon seine bewährte Strategie „Mehr Cloud für weniger Geld“ mittel- und langfristig durchhalten kann. Denn sie mag zwar auf den ersten Blick für Cloud-User vorteilhaft sein. Würde dadurch jedoch die Produktqualität leiden, wären am Ende nicht nur die Kunden die Leidtragenden.

AMAZON WEB SERVICES PRO & CONTRA

Pro

  • Globale Cloud Infrastruktur
  • Sehr breites Angebot an IaaS- und PaaS-Diensten zu vergleichsweise günstigen Preisen
  • Breite Unterstützung gängiger Infrastruktur- und Entwickler-Plattformen

Contra

  • Partnernetzwerk noch vergleichsweise schwach ausgeprägt
  • Wenige Beratungs- und Unterstützungsangebote für kleine und mittelständische Unternehmen


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