BI & Big Data: Alles Excel, oder was?

Es gibt kaum eine Diskussion über Business Intelligence (BI), bei der nicht früher oder später Microsoft Excel thematisiert werden würde – beim BI & Big Data Roundtable, zu dem die COMPUTERWELT Mitte Juni zehn Vertreter von Industrie und Anwenderseite geladen hatte, passierte dies gleich zu Beginn und zog sich wie ein roter Faden durch die intensive Diskussion. [...]

Kein Wunder, denn das Tabellenkalkulationsprogramm made in Redmond ist laut Georg Droschl, Product Manager Application Plattform bei Microsoft Österreich, die meist genutzte Plattform für Reporting und Planung. »Ich würde den Anteil jener Unternehmen, die Excel als BI-Tool verwenden, zwischen 40 und 50 Prozent schätzen.« Warum das so ist, sei leicht zu erklären: »Wenn Spezial-Werkzeuge zum Einsatz kommen – das wissen wir aus einer Gartner-Studie – dann sind viele ausgeschlossen, auch jene, die die Entscheidungen treffen. Excel kann diese Lücke schließen, weil es bekannt und einfach zu bedienen ist.« Daher werde Microsoft, so Droschl, Excel »als Speerspitze der BI-Plattform« gemeinsam mit SQL Server und Sharepoint ausbauen.
Die beiden geladenen CIO gehören zu der großen Gruppe, die auf Microsofts Klassiker setzen, wenn auch aus unterschiedlichen Motiven. Hannes Gutmeier, Leitung IT bei Conwert Immobilien Invest, ist Herr über die IT von knapp 280 Gesellschaften. »Excel ist für mich noch immer das Instrument, mit dem sich die Anwender am wohlsten fühlen. Sie kennen sich damit aus, sie können schnell und flexibel arbeiten. SAP als Core System darunter und Excel sind für uns die geeignete Kombination – außer die Anbieter liefern uns ein System, das einfach zu bedienen ist und das wir im Haus in der IT-Abteilung sehr flexibel anpassen können.«
Anders Harald Kriesche, Leiter IT bei Kwizda: »Als ich vor fünf Jahren zu Kwizda kam, bin ich in einen Kreuzzug gegen Excel gezogen, weil wir einfach Angst hatten, dass zu viele Fehler auftauchen. Sobald ich eine Rechnung in Excel mache, müsste mir der CFO eigentlich auf die Finger hauen, weil ich damit anfange, zu manipulieren. Eine Formel und irgendein Datum hineinschreiben sollte verboten sein, wenn ich im Unternehmen durchgängige Daten haben möchte. Was nutzen die schönen Präsentationen, wenn ich an die Daten nicht glauben kann? Man darf nicht vergessen: Daten sind immer das Ergebnis von Prozessen. Wenn ich meine Prozesse nicht standardisiert habe, dann können meine Daten auch nicht stimmen.« Kriesches Kreuzzug gegen Excel trägt auch mildere Züge: »Es geht auch darum, was Anwender können, wenn sie in ein Unternehmen eintreten. Excel muss man heute beherrschen, sonst kann man als Controller nicht existieren.«

SO HILFT DIE INDUSTRIE, WENN DIE DATENBERGE WACHSEN

Martin Hammerschmid, Country Manager bei EMC Austria, setzt etwa auf die Ausbildung von Spezialisten: »Big Data ist viel mehr ein organisatorisches als ein technologisches Thema. Es geht darum, völlig neue Skills im Unternehmen aufzubauen und neue Rollen zu definieren, um aus dem rein vergangenheitsorientierten ERP- und Data-Warehouse-Paradigma auszubrechen – also neue, teilweise unstrukturierte Daten in die Analysen mit einzubeziehen. Da es mehr ein organisatorisches Thema ist, investieren wir als EMC sehr stark in die Ausbildung. Wir bieten Inhalte gemeinsam mit Universitäten wie etwa Stanford, wo wir Leute zu Data Scientists ausbilden.« Laut Hammerschmid sei die Nachfrage nach Spezialisten, die »neue, andersartige Fragen« stellen können, enorm. Daneben helfe EMC Unternehmen »auf diesem neuen Weg voranzukommen – also der konsultative Ansatz.« Und schließlich handle es sich um die vielen Technologien, die mit den enormen Datenmengen umgehen können. »Unstrukturierte Daten wachsen in Unternehmen fünf bis sechsmal schneller als strukturierte. Außerhalb der Unternehmen noch viel schneller«, zeichnet Hammerschmid ein Bild, das sich jedes Unternehmen zu Gemüte führen sollte.
Ewald Glöckl, Director APLTREE bei Net­app, sieht die Herausforderungen ähnlich: »Wir haben das Thema Big Data mit dem Schlagwort ‚ABC‘ zusammengefasst – ‚Analyse, Bandwith, Content‘ –, das sind die Themen, mit denen wir uns beschäftigen. Bei der Analyse von den großen Datenmengen geht es etwa um die Verknüpfung von den unstrukturierten Daten mit den strukturierten. Das ist eine spannende Challenge. Die Bandbreite ist der eigentliche Enabler, die können wir als Technologieanbieter liefern. Wenn man heute all die Content-Delivery-Maschinen wie Mobility und Social Media ansieht, dann ist Content für uns der Treiber schlechthin.« Unterm Strich: »Wir beschäftigen uns mit dem Managen von Daten im ureigentlichsten Sinn.«
Dietmar Kotras, Country Manager SAS Institute Software, setzt auf Flexibilität: »Daten sind aus unserer Sicht Rohdiamanten, die es gilt, zu veredeln. Veredeln kann ich sie nur dann, wenn ich sie in die Geschäftsprozesse einbeziehe und dort nach Optimierungspotenzial suche. Der zweite Punkt: Man sollte differenzieren. Wir sprechen einerseits von Reporting, andererseits über Analytics. Das sind nicht notwendigerweise die gleichen Themen, die auch nicht notwendigerweise mit den gleichen Werkzeugen zu realisieren sind.«
Der dritte Punkt, den Kotras anspricht, betrifft die Architektur – Stichwort zentral versus dezentral. »Das ist eine unternehmensstrategische Entscheidung. Bin ich eher ein föderales Unternehmen, dann werde ich eher versuchen, eine dezentrale Struktur zu wählen. Bin ich ein eher zentralistisch organisiertes Unternehmen, dann werde ich einen zentralen Ansatz fahren. Wichtig ist, dass die Architektur die Unternehmensstrategie unterstützt.«
Christian Langmayr, Director Marketing DACH & Distribution EMEA bei Microstrategy Deutschland: »Wir sind schon seit einigen Jahren auf den großen Datenmengen unterwegs. Was wir aus Kundengesprächen ganz klar sehen: ‚Mobile BI replaces Powerpoint‘. Für viele ist Excel der Weg, Zahlen aus dem System aufzubereiten, um sie für den Chef in eine Powerpoint-Präsentation zu packen, die er in das Management-Meeting mitnehmen kann. Nicht zu übersehen ist der enorme Einfluss der Tablets als neues Management Communication-Tool. Ich verwende es für alle Daten, die ich im Unternehmen habe. Wenn ich zum Beispiel vor einer Filiale stehe, weiß ich dank GPS, was darin passiert. Es gibt Bereiche, die Excel weiter nutzen werden, wir sehen aber mit einem riesigen Dreh die direkte Datennutzung von einem mobilen Endgerät aus.«
Martin Winkler, Country Manager bei Oracle Österreich, unterstreicht, dass Big Data aus technologischer Sicht nichts Neues ist: »Wenn es darum geht, Daten auszuwerten, zu analysieren, und für Entscheidungsträger aufzubereiten, so ist etwas ganz Natürliches, das sich aus der Datenbank in irgendeiner Form etwas entwickelt hat, siehe etwa Data Warehouse. Daher ist uns das Thema sehr nahe. Was derzeit extrem spannend ist, ist die Tatsache, dass die IT mittlerweile alle Lebensbereiche durchdrungen hat, Stichwort Social Media, dessen Daten für Unternehmen immer interessanter werden. Sie wollen Nutzen daraus ziehen. Das Problem ist, dass diese Daten dezentral gespeichert und unstrukturiert sind. Ich glaube, dass die Herausforderungen die gleichen sind wie bei einer Datenbank, nämlich Daten zu sammeln, auszuwerten und für Entscheidungen im Unternehmen aufzubereiten. Dasselbe gilt für unstrukturierte Daten. Wir sehen als unsere Aufgabe, Unternehmen Werkzeuge und Gesamtlösungen an die Hand zu geben, die diese Anforderungen erfüllen. Die zentrale Frage ist jedoch: Was will ich mit den Daten machen?«
»Als klassischer Business-Software-Anbieter haben wir natürlich die Aufgabe, eine Plattform zur Verfügung zu stellen«, sagt Gerhard Zeiner, Chief Operating Officer bei SAP Österreich. »Das heißt, die Daten, die in einem Unternehmen vorhanden sind – klassischer Weise in einem ERP-System – strukturiert aufzubereiten und sie in allen Möglichkeiten zur Verfügung zu stellen. Daher auch unser Anspruch einer ganzheitlichen Plattform.« Das war nicht immer so: »In der Vergangenheit haben sich die Nutzer mit SAP ein wenig schwer getan, auch wenn es ein Data Warehouse gegeben hat. Am Ende des Tages kam etwas Anderes zum Einsatz. Mit unserer Entscheidung, Business Objects mit unserer Lösung zusammenzuführen, haben wir jedoch den Weg zu den Anwendern gefunden. Den Anspruch, eine einfache Lösung bis zum Endanwender zu bieten, decken wir mit unserem Lösungsportfolio immer mehr ab, ich sehe den BO Explorer als ersten Herausforderer von Excel.« Zeiner sieht für SAP auch die Notwendigkeit, methodisch zu unterstützen: »Es geht ein wenig in Richtung Business Consulting. Da mag der eine oder andere schmunzeln und sagen, dass bei SAP Business Consulting immer SAP herauskommt. Idealerweise ja. Die Methoden, die wir anwenden, gehen ganz klar dahin, mit den CIO – vielleicht kann man auch Chief Innovation Officer sagen – gemeinsam Szenarien anzugehen, um bisher Denkunmögliches möglich zu machen und völlig neue Geschäftsfelder zu erschließen.«
Auch Wolfgang Kobek, RVP Southern Europe & MD DACH bei Qliktech, hat vor allem den Endanwender und seine Nöte im Auge: »Dass wir die technologischen Themen alle abdecken können, ist klar. Die eigentlichen Fragen lauten: Wie gibt man dem Enduser die Möglichkeiten, mit den Daten vernünftig zu arbeiten? Wie können Unternehmen abteilungsübergreifend kooperieren? Wie stelle ich sicher, dass eine Analyse anderen zur Verfügung gestellt wird? Wie mache ich möglich, dass Mitarbeiter, die sich in einem Thema besser auskennen, zuarbeiten können? Kollaboration und Social Business Intelligence sind wichtige Themen. Damit Unternehmen schneller Entscheidungen treffen können, geben wir viel Power an den Enduser – Stichwort Selfservice BI. Das ist der Ansatz von Qlikview. Wir garantieren der IT die Vollmacht über die Daten und den Endanwendern jene über Analysen und Reports, ohne dass sie warten müssen.«
Droschl von Microsoft gibt zu bedenken, »dass Kunden vereinzelt wieder von Selfservice BI weggehen – hoffentlich entwickelt sich das nicht zu einem Trend. Was daran interessant ist, ist, dass die Anforderungen sich ändern. Das ist der Grund, warum viele dieser Initiativen nicht erfolgreich sind. Wir als Anbieter müssen sehr flexibel sein, um der IT-Abteilung die Möglichkeit zu geben, den Fachanwendern die BI-Funktionalitäten zur Verfügung zu stellen. Das muss sehr flexibel sein – egal welche Quellen ich anspreche. Das betrifft auch Daten, von denen man noch gar nicht weiß, dass sie existieren. Unterm Strich: Der zentrale Erfolgsfaktor ist Flexibilität, um die unterschiedlichsten Anforderungen zu erfüllen. Wir sprechen in diesem Zusammenhang von ‚Managed Selfservice‘. Das heißt, wir binden die IT-Abteilung sehr stark ein. Die Standard-Tools wie Excel, Sharepoint und SQL-Server können schon so viel, dass ich damit einen Großteil der BI-Anforderungen abdecke.«

DIE ROLLE DES CIO

Immer dann, wenn eine neue Technologie das Licht der Welt erblickt, kommt fast automatisch das Selbstverständnis der IT-Leiter ins Gerede. Hammerschmid von EMC: »In den letzten Jahren wurden die CIO in die Rolle gedrängt, die idealen Plattformen und Applikationssysteme zum billigsten Preis zur Verfügung zu stellen. Mit dem Thema Big Data ergibt sich die Chance, zum Sparring-Partner für das Management zu werden, der Enabler zu sein, um aus den vielen Daten, die auch viel Müll enthalten, die Schätze herauszufinden – ich sag immer: From Trash to Treasure. Das ist eine enorme Aufgabe. Und da hat der CIO heute sehr gute Karten, wenn er sich mit den Themen beschäftigt und auch die Technologien und das Know-how zur Verfügung stellt.« 
Hannes Gutmeier von Conwert widerspricht dieser Darstellung klar: »Ich bin ganz anderer Meinung, was die Rolle der CIO betrifft. Die Verfügbarkeit der Systeme ist schon lange kein Thema mehr. Wir beschäftigen uns viel mehr mit den Prozessen und mit der Frage, wie wir die Abläufe optimieren können. Wir sind somit schon lange Sparring-Partner für die Fachbereiche. Wir haben sechs verschiedene Finanzsysteme außer SAP, wo wir uns als CIO und IT-Abteilung schwer tun, sind die BI-Themen. Meiner Meinung nach sind die Systeme nicht so anwenderfreundlich, dass der Fachbereich es bedienen kann. Somit fällt alles auf die IT zurück. Ich sehe unseren Schwerpunkt darin, dass wir Vermittler zwischen den Software-Herstellern und den Fachbereichen sind.«
Harald Kriesche von Kwizda: »Es hat schon mehrere Situationen gegeben, wo es geheißen hat, dass der CIO eine neue Rolle bekommt. Die Frage ist allerdings, welche Rolle die IT in einer Organisation spielt. Das kann sehr unterschiedlich sein. Der CIO wurde in dieser Runde ‚Chief Innovation Officer‘ genannt, was mir sehr gut gefällt. Wir müssen wieder Zeit und Ressourcen schaffen für Innovation. Die letzten Jahre waren doch eher geprägt durch Standardisierung und Kostenersparnis. Die IT-Abteilung ist auch gefragt, mit Ideen zu kommen. Die Rolle kann sich der CIO nicht selbst aussuchen. Er kann versuchen, sie in seinem Umfeld zu verändern. Es geht auch um Glaubwürdigkeit: Darf ich mit neuen Ideen einmal Misserfolg bauen? Es ist eine Illusion zu glauben, dass alles, das man angreift, zum Erfolg führt.«
Ein Bereich – für Unternehmen noch eher Neuland, womit auch der eine oder andere Fehlschlag  programmiert ist – der das Big-Data-Problem noch verstärkt, ist Social Media. Bei der Frage, ob es sinnvoll ist, Social-Media-Daten in Unternehmensentscheidungen einfliessen zu lassen, sind sich die Round-Table-Teilnehmer einig: Es steckt viel Potenzial darin. EMC-Mann Hammerschmid bringt das Beispiel eines Pharmaunternehmens, das Analysen über Vorraussagen von Grippewellen macht: »Dieses Unternehmen verwendet traditionell Daten, die Ärzte schicken. Wenn vermehrt Grippefälle auftreten, kann man davon ausgehen, dass die nächste Grippewelle kommt.« Inzwischen kann man mit den Daten, die in sozialen Netzwerken gefunden werden, wesentlich genauer die nächste Grippewelle voraussagen. Anhand der Suchbegriffe beispielsweise, die die Leute eingeben. »Das ist zuverlässiger und schneller als die Meldungen, die von den Ärzten kommen und bisher die solide Basis dieser Voraussagen waren.«
Die Einbeziehung von Social-Media-Daten macht also Sinn. »Die große Kunst für IT-Abteilungen ist, zu definieren: was hebe ich auf, was analysiere ich. Ich weiß ja nicht, wo in diesem Misthaufen die Schätze versteckt sind. Man muss definieren, welchen Datenraum man sich ansieht«, sagt Hammerschmid. Qliktech-Manager Kobek sieht das ähnlich: »Das Thema ist: Wie komme ich von Big Data zu Relevant Data und wie stelle ich die Daten den Leuten zur Verfügung, die sie gerade brauchen. Die Kunst ist es, die für Geschäftsentscheidungen relevanten Daten aus dem Misthaufen herauszufiltern und zur Verfügung zu stellen. Damit aus Big Data eben Relevant Data wird.«
Für Glöckl von Netapp ist die IT-Branche ein gutes Beispiel dafür, wie sich die Kommunikation durch Social Media verändert hat. »Es gibt kaum Messen mehr, die Menschen informieren sich auf anderen Wegen. Auch das Papier wird weniger. Die Entscheidungsfindung passiert heute über elektronische Wege und damit gibt es für mich keine Alternative zu diesem Thema: Man muss Social-Media-Daten mit vorhandenen Daten verknüpfen können, wenn man wissen will, was die eigenen Kunden interessiert und wie sie in Zukunft entscheiden werden.«
Microsoft-Vertreter Droschl stellt es noch plakativer dar: »Die Informationen, die wir jedes Jahr dazubekommen, das ist eine 1 mit 21 Nullen dahinter. Und das meiste ist Social Media. Wir müssen Tools nutzen um zunehmend smarter zu werden, um diese großen Datenmengen bewältigen zu können.« Der zentrale Erfolgsfaktor ist für ihn, dass man sich zuerst überlegt, welche Daten man analysieren will und vor allem welche Entscheidung man treffen will. »Bei solchen Projekten spielt die IT-Abteilung eine wichtige Rolle und es ist gerade der perfekte Zeitpunkt, um solche Dinge auszuprobieren. Die Cloud-Infrastruktur ist dafür ideal geeignet. Ohne großes Investment kann ich monateweise die Infrastruktur nutzen, dort Zahlen einspielen und wenn es funktioniert, dann betreibe ich es weiter.«
Bei der Frage, welche Social-Media-Kanäle man einbinden sollte, würde SAP-Mann Zeiner Unternehmen empfehlen, sich weltweit anzusehen, welche Erfahrungen andere Unternehmen gemacht haben, das als Grundlage für einen Workshop nehmen und den Businessnutzen für das eigene Unternehmen definieren. »Social Media birgt die Gefahr, dass man sich aufgrund der tollen, schnellen Technologie in nicht so sinnvollen Projekten verliert, die am Ende des Tages Geld und Frust kosten. Ideal wäre, dass so etwas wie ein Alarmsystem etabliert wird, damit wichtige Informationen automatisch in das Unternehmen kommen: Achtung, es gilt irgendeine Entscheidung zu treffen, eine Veränderung wahrzunehmen, weil sich das Kaufverhalten dramatisch verändert hat. Dazu muss man aber zuerst die relevanten Informationen definieren und das wahrscheinlich mehrmals pro Jahr.«
Für Kotras von SAS ist es zudem entscheidend, dass es bei der Analyse von Social-Media-Daten nicht nur um klassische Textanalyse geht, sondern auch darum, Tonalitäten und Sentiment herauszulesen und damit die Qualität der Information sicherzustellen. »Die Digital Natives kommunizieren ganz anders. Für meine Kinder zum Beispiel ist E-Mail tot. Die kommunizieren nur mehr über Facebook, Twitter, etc. Wenn ich diese Stimmungen mitnehmen will, dann werde ich mich mit Social Media auseinandersetzen müssen.«
»BI in der Kombination mit Social Media wird ein Geben und Nehmen sein«, erklärt Microstrategy-Manager Langmayer. Ein Beispiel sind in Autos eingebaute Chips: Wer über den Chip sein Fahrverhalten auswerten lässt, bekommt dafür einen günstigeren Versicherungstarif. »Ich muss als Unternehmen nicht nur in der Lage sein, das was draußen an Information herumschwirrt anzusaugen und zu analysieren, sondern ich muss in kürzester Zeit auch Mehrwert für den Endkunden geben, sodass der mir überhaupt die Berechtigung gibt, seine Daten analysieren zu dürfen.«
Für Winkler von Oracle ist die Analyse von Social-Media-Daten »nach zig Jahren Konsolidierung, Standardisierung und Sparen endlich wieder einmal ein Wachstumsthema«. Ein Thema, bei dem sich die IT mit den Fachbereichen wieder einmal darüber unterhält, wie man das Geschäft steigern kann. »Aus diesem Gesichtspunkt heraus empfehle ich allen Unternehmen, sich mit Social Media zu beschäftigen. Big Data bietet die Chance, dass die IT und die Fachbereiche in sehr enger Zusammenarbeit Mehrwert für das Unternehmen schaffen. Welche Ausprägung die Social-Media-Strategie hat, ist sehr stark abhängig von der Branche. Man sollte früh in das Thema einsteigen und bereits jetzt Erfahrung sammeln.«

AUSPROBIEREN

Das sehen die beiden am Round Table beteiligten CIO genauso. Kwizda-IT-Chef Kriesche ist derzeit dabei, eine Social-Media-Policy zu entwerfen. »Einfach um Awareness zu schaffen, um den Leuten das Potenzial aufzuzeigen, dass man hier Informationen herausziehen kann. Das Beispiel mit der Grippewelle ist so ein erster Anfang. Wenn man da einmal Bewusstsein geschaffen hat, dann wird das Thema breiter werden und es werden auch mehr Ressourcen dafür aufgewendet werden.« Enorm wichtig wäre Kriesche dabei, für solche experimentellen Themen Fachhochschulen zu interessieren und Diplomarbeiten zu vergeben, weil es in diesem Rahmen leichter falle Neues auszuprobieren, was im Unternehmensumfeld oft schwierig sei. »Es ist höchste Zeit, dass man da als Unternehmen hineinschnuppert. Vielleicht dreht man es dann wieder ab, aber man muss es zumindest einmal probiert haben.«
Für Conwert-CIO Gutmeier ist Social Media in Österreich derzeit zwar noch kein Thema, es werden jedoch bereits Erfahrungen gesammelt: »In Deutschland versuchen wir gerade in einer unserer Gesellschaften, das Thema Social Media in das Serviceteam einzubauen. Wir bauen da eine Art Serviceteam/Callcenter auf, die dann nicht nur Mieteranfragen und Facility-Management-Aktivitäten, sondern auch Informationen aus Facebook, etc. integrieren und das gesteuert mit einer Softwarelösung bearbeiten können. Da sind auch entsprechende Agents im Unternehmen, die speziell auf Facebook unsere Produkte, unsere Zuständigkeiten platzieren. Das probieren wir in den nächsten Wochen und Monaten in einer Gesellschaft aus und werden dann sehen, ob das für die gesamte Gruppe interessant ist oder ob wir wieder damit aufhören.«
Netapp-Chef Glöckl legt Anwendern zum Ausprobieren von Applikationen mit Social-Media-Daten die Cloud ans Herz: »Cloud passt perfekt zu Big Data. Social-Media-Daten kommen schließlich aus der Cloud.« Auch der Ansatz, das mal in kleinen Schritten auszuprobieren, spreche für die Cloud. »Da muss man auch gar nicht immer wissen, wonach man sucht. Gerade bei Big Data. Oft kommt man erst beim Suchen darauf, was in diesen Daten verborgen ist und welche Rückschlüsse sich ziehen lassen. Da ist ein bisschen der spielerische Moment gefragt und auch ein Umdenken, weg vom klassischen Reporting, weg vom Analysieren einer relationalen Datenbank, wo man genau weiß, welche Spalte welche Daten enthält, hin zu einer umfangreicheren Analyse. Und da ist die Cloud-Architektur per se ideal dafür.«
Der Umgang mit Big Data steckt noch in den Kinderschuhen – derzeit wird viel ausprobiert. Doch wie wird es in drei bis fünf Jahren aussehen? Hat man als Unternehmen eine Chance, mit dem gigantischen Zuwachs an unstrukturierten Daten zurecht zu kommen? »Die technologischen Möglichkeiten, mit Big Data umzugehen, gibt es schon, diese Datenmengen sind beherrschbar«, erklärt Zeiner von SAP. »In-Memory beispielsweise ist schon lange bekannt und mittlerweile in alle Richtungen veredelt, was transaktionale und analytische Sachen betrifft, was strukturierte, unstrukturierte, halb­strukturierte Daten betrifft. In ein paar Jahren wird halt alles noch schneller sein.« Entscheidend sei, was wir für einen Quantensprung in der Nutzung der neuen Möglichkeiten machen. »Man muss sich auf die Fragen einstellen, die man noch gar nicht weiß. Wenn man ein bisschen visionär denkt, dann könnte in drei Jahren ein Anwender ohne Hilfe der IT, die schon zuvor die Strukturen geschaffen hat, adhoc-Abfragen tätigen.«

DIE LÖSUNG DER ZUKUNFT

Für EMC-Manager Hammerschmid muss die Big-Data-Lösung der Zukunft mit Massen an unstrukturierten Daten umgehen können. Zudem wird sie günstig sein müssen, denn IT-Budgets und IT-Personal nehmen nicht im selben Maß zu wie die Datenmengen und sie wird eine unglaubliche Performance brauchen, um mit diesen umgehen zu können. »Dazu wird es bei den Software- und Hardware-Herstellern noch viel Innovation geben müssen. Sehr viel Intelligenz und neue Entwicklungen werden auf der Applikationsseite zu finden sein, vor allem branchenspezifische Anwendungen sind gefragt.« Auch Kobek von Qliktech stößt ins gleiche Horn: »Im Mittelpunkt stehen die Themen Datenvolumen, Geschwindigkeit und Vielfalt der Daten in Form von verschiedenen Datenquellen: Cloud-Daten, Daten aus sozialen Netzwerken. Die Frage ist, wie man aus diesen Daten Mehrwert generiert.«
Oracle-Mann Winkler warnt beim Stichwort Big-Data-Lösung der Zukunft vor Silos. »Solche Lösungen sollten stark mit der Standard-IT integriert sein. Das sehen wir als Erfolgsgeheimnis für Big-Data-Projekte.« Winkler prophezeit zudem eine strukturelle Veränderung: »Anwender müssen nicht mehr auf Reports warten, sondern diese werden automatisch in die Prozesse und Applikationen integriert zur Verfügung gestellt, sodass der Anwender Antworten erhält, ohne die Anwendungen wechseln zu müssen.« Ein Punkt, in dem sich Winkler mit dem Konkurrenten Microsoft einig ist: »Man muss die Anwender in den Applikationen abholen, mit denen sie arbeiten: Egal ob es ein ERP-System, ein Collaborationtool oder Excel ist«, so Microsoft-Vertreter Droschl. »Das wird dazu führen, dass die BI- und Big-Data-Lösungen in den Hintergrund rücken. Auch die Standardtools werden in Zukunft in der Lage sein, schon viel abzudecken. Die Grenzen zwischen den einzelnen Lösungen werden damit verschwimmen.«
Die beiden CIO der Runde wünschen sich vor allem mehr Usability für künftige Lösungen: »Heute passiert es noch oft, das man als Unternehmen durch Glück auf wichtige Zusammenhänge stößt. In drei Jahren wird so etwas kein Glück mehr sein«, sagt Kwizda-CIO Kriesche. »Die Unternehmen werden das in den Datenbergen versteckte Glück suchen und es werden eigene Experten sein, die in der Cloud nach relevanten Daten suchen und die dann mit den Unternehmensdaten integrieren. Auf keinen Fall sollte man dabei auf die Usability vergessen.« Auch sein Kollege Gutmeier von Conwert pocht auf einfache Bedienbarkeit: »In vielen Unternehmen, auch in meinem, steckt Big Data noch in den Kinderschuhen. Vor allem in den Fachbereichen. Gemeinsam mit den Technologiepartnern müssen wir die Anwender überzeugen, dass es nicht nur strukturierte Daten gibt, sondern dass gerade in den unstrukturierten viel Potenzial steckt. Voraussetzung dafür ist eine einfache Bedienbarkeit, damit die Fachbereiche diese Möglichkeiten auch nutzen.« (su/oli)

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