Die geplante Novellierung des Urheberrechts und die Ausweitung der Leerkassettenvergütung als Speichermedienvergütung auf viele digitale Geräte wie Smartphones und Tablets hat die heimische Industrie zu einem einzigartigen Schulterschluss bewogen. [...]
Mitte Oktober haben 18 namhafte österreichische Anbieter und Händler die „Plattform für ein modernes Urheberrecht“ gegründet. Inzwischen ist die Gruppe auf 20 angewachsen. Sprecher der Plattform ist Ditech-Gründer und -Geschäftsführer Damian Izdebski. Auslöser ist ein weiterer Versuch der heimischen Verwertungsgesellschaften, im konkreten Fall der Austro Mechana, eine Gebühr auf Speichermedien einzuführen. Obwohl die Austro Mechana schon mehrfach vor Gericht mit einer Forderung nach Abgaben auf Festplatten abgeblitzt ist, soll es mit einer Speichermedienvergütung nun alten Wein in neuen Schläuchen geben. Die Mitglieder der Plattform für ein modernes Urheberrecht kritisieren vor allem den Schnellschuss und die Intransparenz der Vorgehensweise. Obwohl die IT wie keine andere Branche im ständigen Wandel ist und sich gerade die Kapazität von Speichermedien und die Geschwindigkeit von Druckern seit der Einführung der Urheberrechtsabgaben (URA) radikal geändert haben, basiert die Novellierung auf der 1980 in Österreich eingeführten Vergütung auf Leermedien wie Kassetten oder CD.
Während die heimischen Hersteller auf Anfrage der COMPUTERWELT bereitwillig Auskunft erteilten, war die Geschäftsführerin der Austro Mechana, Ursula Sedlaczek, zu keiner Stellungnahme bereit.
HERSTELLER FüRCHTEN UM WIRTSCHAFTSSTANDORT
Die größte Sorge der österreichischen Händler und Anbieter gilt den billigeren Händlern im benachbarten Ausland. „Es hat sich längst ein Graumarkt etabliert. Obwohl auch ausländische Händler abgabenpflichtig wären, weil sie die Ware als erste in den Verkehr bringen, machen das viele nicht und können mit deutlich niedrigeren Preisen punkten,“ weiß Ingram-Micro-Geschäftsführer Florian Wallner zu berichten. Amazon hat etwa aus diesem Grund die Lieferung von Festplatten nach Österreich eine Zeit lang eingestellt.
Ein weiteres Problem für die Händler ist die andauernde Rechtsunsicherheit. Sollte die URA vor Gericht nicht halten, haben alle Konsumenten das Recht, die URA zurückzufordern. Den Herstellern bleibt also nichts anderes übrig, als Rückstellungen zu bilden, um möglichst wenig Risiko einzugehen. „Wir halten uns an die Gesetze, werden aber alles unternehmen um die Umsetzung der jüngsten Abgaben zu verhindern“, erklärt Michaela Novak-Chaid, Direktorin Printing and Personal Systems bei HP in Österreich. Sie verweist in diesem Zusammenhang auch auf die Mehrfachentrichtung, die für ein potenzielles Musikstück in heutigen Haushalten mit PC, Notebook, Tablet und MP3-Player notwendig ist. „Das Problem der illegalen Downloads wiederum wird so gar nicht behandelt“, ärgert sich Novak-Chaid.
Da offenbar auch der Austro Mechana klar geworden ist, dass eine end- und rechtsgültige Lösung noch etwas dauern wird, versuchen die Verantwortlichen eine Verjährung der Forderungen zu verhindern. „Als Unternehmen kann man entweder einen Verjährungsverzicht unterschreiben, oder bekommt von der Austro Mechana eine Feststellungsklage ins Haus,“ erklärt Wallner.
MEHRERE LAUFENDE VERFAHREN
Aktuell befindet sich die Austro Mechana im Rechtsstreit mit Nokia, da sich die Finnen gegen eine von der Verwertungsgesellschaft geforderte „Auskunftslegung“, also die Auflistung aller Umsätze in Österreich, gewehrt hat. In erster Instanz hat Nokia verloren. Das soll aber noch nicht das letzte Wort gewesen sein: „Wir haben keine andere Wahl und werden wenn notwendig alle Instanzen durchlaufen“, erklärt Deutschland-Geschäftsführer Michael Bültmann auf Nachfrage der COMPUTERWELT. Unternehmer sind von der URA grundsätzlich ausgenommen und können den Betrag zurückholen. Leider befindet sich das dafür notwendige Dokument auf der Homepage der Austro Mechana, die nach einem Hacking-Angriff von Anonymous seit April Offline ist.
Da sich die Abgabe bei Speichermedien ausschließlich nach dem Volumen berechnet, dürften selbst die neutralsten Beobachter aufgrund so mancher Beispiele den Kopf schütteln. „Eine 1TB-Festplatte kostet in Österreich momentan 65 Euro für Endkunden, allein die Urheberrechtsabgabe beläuft sich dabei auf 32 Euro,“ rechnet etwa Ditech-Geschäftsführer Damian Izdebski vor. Brother-Geschäftsführer Helmut Pfeifenberger, selbst ein Mitglied der Plattform für ein modernes Urheberrecht, kann mit einem Beispiel aus der Druckerbranche aufwarten: „Schon seit Jahren werden die Drucker und Multifunktionsgeräte von den Herstellern gedrosselt, um die Seitenzahl pro Minute zu verringern“, erklärt Pfeifenberger. Auch die Reprografievergütung, die sich auf gedruckte Werke bezieht und von der Literar Mechana eingehoben wird, orientiert sich an der Druckgeschwindigkeit des Gerätes. Bei einem Multifunktionsgerät von Brother mit einem Verkaufspreis von knapp 200 Euro würde die URA ohne Drosselung 108,39 Euro ausmachen, da das Gerät über 20 Seiten pro Minute schaffen würde. Wird das gleiche Gerät auf unter zehn Seiten pro Minute gedrosselt, fällt nur noch eine Abgabe von 12,54 Euro an. Diese Regelung stammt aus dem Jahre 1995, als Drucker noch mehrere Tausend Euro gekostet haben. „Da waren 100 Euro Urheberrechtsabgabe noch angemessen,“ erklärt Pfeifenberger, der auch betont, dass es ihm und der Gruppe nicht darum geht, etwaige Künstler zu übervorteilen, sondern eine faire und transparente Regelung zu finden.
„Die Mitglieder der Gruppe hätten sich auch gerne im Entstehungsprozess der Urheberrechts-Novellierung eingebacht“, erklärt Izdebski, ein Dialog mit den Vertretern der Industrie wurde von den Verwertungsgesellschaften jedoch nie gesucht, wie auch die anderen Plattformsmitglieder im Gespräch mit der COMPUTERWELT bestätigt haben.
ÖSTERREICH ALS EUROPÄISCHER VORREITER
Eines der größten Probleme für die heimischen Wirtschaftstreibenden ist auch die Größe Österreichs und die Einbettung inmitten des europäischen Festlands. Das Urheberrecht ist ein nationales Recht und wird in jedem Land der EU unterschiedlich gehandhabt. Das führt dazu, das ein- und dasselbe Produkt etwa in Deutschland um 20 bis 30 Prozent weniger kosten kann, da die deutsche URA deutlich niedriger ist als jene in Österreich. „Die heimischen Abgaben übersteigen die Tarife aus dem Ausland um ein Vielfaches,“ erklärt David Feiler von der Politikberatung Thierry. In Deutschland beträgt die Abgabe auf eine Festplatte unabhängig von ihrem Volumen fünf Euro. „Für deutsche Kunden ist es außerdem aufgrund der Größe des Marktes nicht so relevant, Geräte im Ausland zu beschaffen“, so Feiler. Auch Toshiba-Österreich-Geschäftsführer Hannes Shipany fordert eine „für alle Beteiligten faire Lösung, gemäß den internationalen Beispielen wie Großbritannien oder Norwegen.“ „Wenn die Konsumenten aufgrund der unterschiedlichen Urheberrechtsabgaben innerhalb Europas die Produkte im Internet bei nicht österreichischen Händlern kaufen, dann hat weder die Kunst noch die österreichische Wirtschaft etwas davon“, erklärt Shipany. Ähnlich äußert sich auch Dell-Geschäftsführer Pavol Varga: „Die Abgabe würde Dell und andere Hersteller zwingen, die Mehrausgaben in der Wertschöpfungskette an die Verbraucher weiterzugeben – der Verbraucher zahlt am Ende also die Zeche. Die Folge wäre ein Rückgang der Kaufkraft sowie Abwanderungen ins Ausland, wo keine oder eine deutlich geringere Abgabe erhoben wird“, und weiter: „Das kann nicht im Sinne von Künstlern, Unternehmen sowie ihren Kunden sein und schadet dem Wirtschaftsstandort Österreich.“
Die Mitglieder der Plattform streben jedoch keinen neuen Musterprozess an, wie ihn etwa Gericom oder HP bereits geführt haben. Vielmehr sollen die Konsequenzen für alle Beteiligten aufgezeigt und bessere Information der Konsumenten bewirkt werden. Auch die Arbeiterkammer hat bereits kritisiert, das die Konsumenten nicht in die Verhandlungen involviert wurden.
MANGEL AN TECHNISCHEM WISSEN?
Im Rahmen der vielen Gespräche mit den heimischen Händlern war herauszuhören, dass es auch sehr viel Unverständnis für das vollkommene Ausblenden von technischen Entwicklungen in den Forderungen der Verwertungsgesellschaften gibt. Regelungen, die mehrere Jahrzehnte alt sind, werden ausgerechnet in der IT 1:1 auf die heutige Zeit umgemünzt. „Es wird verkannt, dass es sich bei den neuen Geräten wie Smartphones oder Tablets nicht um eine Fortentwicklung handelt. Ein iPhone ist nicht die Weiterentwicklung einer Videokassette“, vergleicht Feiler. Trotzdem gilt für diese Geräte genau die gleiche Basis als Berechnungsgrundlage.
Bis es zu einer endgültigen und für alle Beteiligten zufriedenstellenden Lösung kommen wird, dürfte noch einige Zeit vergehen. Viel wird auch vom Ausgang der laufenden Gerichtsverfahren abhängen. Die Konsequenzen für den Wirtschaftsstandort sind den befragten Unternehmen zufolge jedenfalls gewaltig. Letztendlich ausbaden muss es aber wie so oft der Konsument.
„NICHT MEHR ALS EIN SCHNELLSCHUSS“
Ditech-Geschäftsführer Damian Izdebski ist Sprecher der „Plattform für ein modernes Urheberrecht“ und stand im Interview Rede und Antwort.
Wie ist es zum Schulterschluss von 20 heimischen Anbietern gekommen?
Damian Izdebski: Wir haben festgestellt, dass dieses Thema in den Medien wenn überhaupt nur sehr einseitig dargestellt wird und viele Konsumenten gar nichts über die neuen Forderungen wissen oder sich mit Urheberrechtsfragen beschäftigt haben. Es wird auch oft so dargestellt, als würden die Händler die Rechte der Künstler nicht anerkennen und die URA grundsätzlich ablehnen. Das stimmt aber natürlich nicht.
Was sind die konkreten Pläne der Austro Mechana?
Es gibt bereits ein Arbeitspapier, das dem Ministerium vorliegt und in Begutachtung gehen soll. Demzufolge soll auf jedes Gerät, das über ein Speichermedium verfügt, eine URA eingehoben werden, das betrifft boomende Smartphones genau wie Festplatten. Die neuen digitalen Medien werden zum Nachfolger der Leerkassette erkoren, das ist für uns vollkommen absurd, da diese Regelung aus einer Zeit kommt, wo wirklich noch Musik aus dem Radio aufgenommen wurde oder Daten von einem Medium auf ein anderes übertragen wurden. Die Verwendung eines Smartphones ist ja eine vollkommen andere. Dem Konsumenten sollen einfach weitere 30 bis 50 Millionen Euro im Jahr umgehängt werden. Dabei werden ohnehin schon 180 Millionen Euro an URA im Jahr bezahlt.
Wie könnte ein modernes und faires Urheberrecht aussehen?
Das Problem von illegalen Downloads oder Plattformen wie Youtube wird von der Austro Mechana überhaupt nicht berücksichtigt. Bei einer externen 1TB-Festplatte würde die URA 32 Euro ausmachen, und das bei einem Kaufpreis von 65 Euro, das steht in keiner Relation zum Produktwert und schadet massiv dem Wirtschaftsstandort, weil die gleiche Platte mit nur einem Klick viel billiger zu haben ist. Da vernebelt die Gier wohl etwas den Verstand. Es ist jedoch auch nicht Anspruch und Aufgabe der Plattform, neue Gesetze zu erarbeiten oder zu entwerfen. Uns geht es vor allem darum, den Konsumenten aufzuklären und die intransparente Vorgehenswiese der insgesamt acht heimischen Verwertungsgesellschaften aufzuzeigen. Die Künstler sollen natürlich ihr Geld bekommen, das ist vollkommen klar.
In fünf Jahren wird das Thema dann wieder aufgerollt, weil es keine Festplatten mehr geben wird und alle Inhalte über Cloud-Dienste aus dem Netz bezogen und dort gespeichert werden. Die heute angedachte Novellierung des Urheberrechts ist also nicht mehr als ein Schnellschuss.
Die Regelung muss vom Gerät entkoppelt werden, die Abgabe könnte etwa gleich beim Kauf eines Musikstücks anfallen. Dann zahle ich auch nicht mehrfach, wenn ich ein- und dasselbe Lied auf mehren Geräten hören will. Es bedarf auch einer gesamteuropäischen Lösung. Momentan ist ein deutlich günstigerer Händler in einem der Nachbarländer nur einen Mausklick entfernt. (aw)
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