WhatsApp verliert bei Nutzern zunehmend an Zustimmung. Doch eignen sich die anderen Messaging-Apps auch für Unternehmen? [...]
Eigentlich wollte die Facebook-Tochter durch ihre neuen Nutzungsbedingungen vor allem den Grundstein für die Kommunikation zwischen Unternehmen und ihren Kunden legen: Flugtickets, Liefer-Updates und Hilfestellungen sollen in Zukunft im WhatsApp-Chat-Eingang landen – gerne mit Unterhaltungswert (Emoji, GIFs, Bilder). Dann setzte sich aber eine ganz andere Grundsatzdebatte in Gang: Teilt WhatsApp Metadaten zum Nutzerverhalten mit anderen Facebook-Unternehmen und wenn ja, wozu? Einige AGB-Passagen ließen Fragen offen. Kurze Zeit später kam es zu der größten Nutzerabwanderung in der Geschichte des Messengers.
WhatsApp-Alternativen werden seitdem bei Verbrauchern heiß diskutiert. Doch was bedeutet das für Unternehmen?
Die Mehrheit bleibt, viele gehen
Auch wenn das Verhältnis angeknackst ist, sehen die meisten Privatnutzer aufgrund der hohen Verbreitung im Freundes- und Familienkreis keine Alternative zu WhatsApp – laut einer aktuellen Appinio-Marktstudie halten es nur 13 Prozent für nötig, aufgrund der Datenschutzdebatte zu einem anderen Anbieter zu wechseln. Damit verbleiben noch immer knapp 50 Millionen aktive Nutzer in Deutschland. Durch neue Sicherheitsfunktionen, wie „View-Once“-Nachrichten, arbeitet WhatsApp außerdem daran, den Imageschaden auszubügeln und Nutzer zurückzugewinnen.
Für Unternehmen bleibt WhatsApp also auch in Zukunft ein reichweitenstarker Kontaktkanal, der über die WhatsApp-API DSGVO-konform im Kundenservice eingesetzt werden kann. Dennoch, ein nicht unerheblicher Teil der Konsumenten nutzt mittlerweile andere Messenger-Kanäle in der täglichen Kommunikation. Datenschutz-sensible Nutzer setzen konsequent auf WhatsApp-Alternativen. Andere haben neben WhatsApp weitere Messenger installiert, um mit allen Kontakten verbunden zu bleiben. Apps wie Signal und Telegram haben seit Januar dieses Jahres – nicht zuletzt befeuert durch Elon Musks öffentliche Empfehlung – außergewöhnlich viele Neuzugänge erhalten.
WhatsApp-Alternativen im Vergleich
Ihre Kunden entscheiden sich ganz bewusst für oder gegen bestimmte Plattformen. Deshalb ist es ratsam, ihnen die Wahl zwischen WhatsApp und mindestens einer Alternative zu lassen. Doch nicht alle Messenger Apps eignen sich gleichermaßen für den Einsatz im Unternehmen. Der Kanal muss DSGVO-konform sein und Funktionen anbieten, die eine Verknüpfung mit der eigenen Unternehmensinfrastruktur erlauben. Je größer ein Unternehmen ist, desto höher kann daher der Bedarf an Tools für die Sortierung, Weiterleitung und Auswertung von Anfragen sein.
Schauen wir uns an, welche Messenger für den Einsatz im Unternehmen geeignet sind und damit eine echte Alternative zu WhatsApp darstellen.
Threema
- Reichweite in Deutschland: >6 Mio.
- Serverstandort: Schweiz
- Ende-zu-Ende-Verschlüsselung: Ja
- Daten-Backup: Cloud (Kontakte/Gruppen) oder lokal verschlüsselt (Nachrichten)
Der Schweizer Dienst verfolgt seit seiner Gründung das Ziel, einen datensparsamen, sicheren Messenger zu bauen.Threema war daher auch einer der ersten Messenger, der eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung (E2E) eingeführt hat – und das nicht nur für Nachrichten, sondern auch für Gruppenchats, Video-Calls und Statusmeldungen. Im Gegensatz zu WhatsApp ist für die Nutzung weder eine Telefonnummer noch die Angabe sonstiger persönlicher Daten notwendig. Stattdessen wird bei der Einrichtung eine zufällige ID generiert. Damit gilt Threema derzeit als der sicherste Messaging-Kanal für Kunden und Unternehmen.
Von den 10 Millionen Nutzern weltweit (Stand: Mai 2021) verwenden etwa 2 Millionen die Business-Variante Threema Work. Über die Broadcast-Funktion können beliebig viele Nutzer den Newsfeed eines Unternehmens abonnieren oder über einen Threema-Chatbot Antworten zu häufig gestellten Fragen erhalten.
Vorteile von WhatsApp-Alternative Threema für Unternehmen:
- Durch seine Schweizer Wurzeln ist Threema besonders im deutschsprachigen Raum weit verbreitet.
- Mit dem Angebot von Threema als Servicekanal zeigt das Unternehmen, dass ihm die Privatsphäre der Kunden besonders wichtig ist.
- Über Threema Broadcast können Sie News-Feeds und Chatbots erstellen.
- Das Geschäftsmodell ist klar und wird durch den App-Kauf finanziert (keine Werbung).
- Über die API-Integration mit einer Kundenkommunikationsplattform um Kundenservice-Funktionen erweiterbar (z.B. intelligentes Routing, Textbausteine).
Signal
- Reichweite in Deutschland: >4 Mio.
- Serverstandort: USA
- Ende-zu-Ende-Verschlüsselung: Ja
- Daten-Backup: lokal verschlüsselt
Sympathiepunkte sammelt Signal durch seine Unternehmensform. Wie beispielsweise auch Wikipedia ist das Unternehmen eine gemeinnützige Stiftung. Das schafft Vertrauen, ist aber längst nicht alles, was die App zu einer guten WhatsApp-Alternative macht. Bereits im Standard-Modus E2E-verschlüsselt, werden alle Kommunikationsformate sicher übertragen. Die Qualität der Verschlüsselung wurde von einem Forscherteam abgesegnet. Sogar WhatsApp nutzt das E2E-Konzept von Signal heute. Ganz ohne persönliche Daten kommt der Messenger aber nicht aus. Das Profil ist zwingend mit einer Telefonnummer verknüpft.
Für Unternehmen bietet Signal derzeit weder Business-Funktionen (wie Analysetools oder Chatbots), noch können diese über Drittanbieter-Software ergänzt werden. Was man bei Signal zudem vermisst, sind „Admin-Only“-Gruppen. In Gruppen dürfen immer alle Mitglieder kommentieren. Das ist gut für Communitys, verhindert aber den Einsatz als Newsletter oder Informationsverteiler.
Vorteile von WhatsApp-Alternative Signal für Unternehmen:
- Die Reichweite steigt international und auch in Deutschland.
- Das Geschäftsmodell ist klar und wird durch Spenden finanziert (keine Werbung).
- Über die Gruppen-Funktion kann eine „Self-Help-Community“ gegründet werden, in der sich Kunden gegenseitig beraten (bis 1.000 Mitglieder).
- Einzelunternehmer und kleine Unternehmen kommunizieren über den sicheren Messenger mit datenschutzsensiblen Kunden.
Telegram
- Reichweite in Deutschland: >8 Mio.
- Serverstandort: weltweit
- Ende-zu-Ende-Verschlüsselung: Optional
- Datenbackup: auf Telegram-Server (außer geheime Nachrichten)
Bereits nach der Datenschutz-Debatte 2016 sind zahlreiche Nutzer zu Telegram gewechselt. Hier kann man sich über fiktive Nutzernamen (statt Telefonnummern) miteinander verbinden und anonym in Chats und Gruppen kommunizieren. Das war zunächst ein Alleinstellungsmerkmal für Telegram, weshalb der Messenger lange Zeit als besonders sichere WhatsApp-Alternative galt. Als cloud-basierte App hat Telegram den Vorteil, dass Nutzer flexibel zwischen Endgeräten wechseln können. Im Umkehrschluss heißt das aber auch, dass Nachrichteninhalte auf einem Server liegen; nur die „geheimen Chats“ profitieren von E2E-Verschlüsselung, in der Gruppenkommunikation ist sie sogar völlig ausgehebelt.
Heute wird Telegram nicht mehr vorrangig als sicherste, sondern als funktional beste WhatsApp-Alternative gehandelt. Themenbezogene Gruppen und Kanäle locken neue User an. Die Kanal-Funktion macht den Messenger besonders spannend für den Einsatz im Business-Kontext; von der Volksbank bis zum ZDF Magazin Royale senden Unternehmen über ihre Kanäle Marketing-Content an eine unbegrenzte Empfängerzahl. Genau wie Threema erlaubt Telegram, häufig gestellte Fragen an einen Chatbot abzugeben. Ist Telegram an eine Kommunikationssoftware angebunden, kann der Bot zudem komplexe Anfragen an das Serviceteam weiterleiten
Vorteile von WhatsApp-Alternative Telegram für Unternehmen:
- Eine der reichweitenstärksten WhatsApp-Alternativen nach Facebook Messenger.
- Kanäle ermöglichen schnell ein großes Publikum mit Marken-Content und Updates zu erreichen
- Die Chatbot-Funktion übernimmt häufig gestellte Fragen im Kundenservice und kann über Drittanbieter-Software auch mit einem Live-Chat verbunden werden.
- Gruppen-Chats sind mit bis zu 5.000 Teilnehmern möglich. Das ist mehr als jeder andere Messenger im Vergleich.
- Über die API-Integration mit einer Kundenkommunikationsplattform um Kundenservice-Funktionen erweiterbar.
Facebook Messenger
- Reichweite in Deutschland: >23 Millionen
- Serverstandort: USA, Schweden
- Ende-zu-Ende-Verschlüsselung: Optional
- Datenbackup: Facebook-Server
Facebook Messenger ist aus technischer Sicht vergleichbar mit Telegram. Beide Messenger sind Cloud-basiert, was die oben genannten Vor- und Nachteile mit sich bringt. Auch Facebook Messenger verschlüsselt seine Nachrichten in der Standardeinstellung nicht E2E. Ist Messenger also überhaupt eine Alternative zu WhatsApp? Klarer Vorteil ist, dass neben Threema nur Facebook Messenger ohne Angabe einer Telefonnummer nutzbar ist, so dass ein Account weitestgehend anonym erstellt werden kann. Pflicht sind nur ein Profilbild, Geburtsdatum und eine E-Mail-Adresse.
Messenger darf trotz Einbettung in die zunehmend werbelastige Plattform Facebook als Kontaktkanal zu Kunden Kunden nicht unterschätzt werden. In Deutschland und weltweit liegt die App immer noch auf Platz 2 der meist genutzten Messenger (Stand: Januar 2021). Unternehmen profitieren von zahlreichen Optionen für die Kundenkommunikation. Insbesondere wenn Sie FB-Anzeigen schalten, ist die Customer Journey fließend: Kunden landen bei Interesse auf Ihrer Business-Seite, gewinnen einen persönlichen Eindruck von Ihrem Unternehmen und können sich bei Fragen gleich an Sie wenden.
Vorteile von WhatsApp-Alternative Facebook Messenger für Unternehmen:
- Soziales Netzwerk, Anzeigenplattform und Messenger in einem.
- Viele spezielle Servicefunktionen für Unternehmen, unter anderem Chatbots, automatische Begrüßungen und Nachrichtenvorlagen.
- Über die API-Integration mit einer Kundenkommunikationsplattform um Kundenservice-Funktionen erweiterbar.
SMS
- Reichweite in Deutschland: >60 Millionen
- Serverstandort: Kurzmitteilungszentrale des Mobilfunkanbieters
- Ende-zu-Ende-Verschlüsselung: Nein
- Datenbackup: lokaler Speicher
Auch wenn sie im privaten Austausch kaum noch eine Rolle spielt, bietet die SMS sowohl für Kunden als auch Unternehmen einige entscheidende Vorteile. Die App ist nativ auf jedem Mobilfunkgerät installiert, unabhängig vom Internetzugang und heute bei den meisten Verträgen per Flatrate kostenlos. So erreichen Sie prinzipiell alle Kunden, die ein Mobiltelefon besitzen, ohne dass ein App-Download nötig ist. Nutzer sind außerdem bereits daran gewöhnt, mit Unternehmen per SMS zu kommunizieren, sei es für Bestellbestätigungen, Terminerinnerungen oder die Zwei-Faktor-Authentifizierung.
Als Urgestein unter den Messengern hat der Short-Message-Service den Ruf eines sicheren Kontaktkanals, obwohl auch die SMS nicht ganz ohne Kritikpunkte davon kommt. Unzustellbare SMS fristen ihr Dasein bis zu 7 Tage unverschlüsselt in einer Kurzmitteilungszentrale. Metadaten werden im Rahmen der Vorratsdatenspeicherung für 10 Wochen gespeichert. Immerhin sind die gesetzlichen Datenschutzauflagen aus diesem Grund besonders streng.
Vorteile von WhatsApp-Alternative SMS für Unternehmen:
- Gilt als seriöser Kommunikationskanal
- Unabhängig vom Internetempfang nutzbar
- Plattformunabhängig (keine Werbung)
- Über die API-Integration mit einer Kundenkommunikationsplattform um Kundenservice-Funktionen erweiterbar.
Je mehr Messenger-Kanäle ein Unternehmen zur Verfügung stellt, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Lieblings-App dessen Kunden dabei ist. Das verbessert die Chancen, dass die Kunden stellen statt volle Warenkörbe abzubrechen oder Beschwerden auf Augenhöhe klären statt sie auf Social-Media-Plattformen öffentlich zu kommentieren. Als Unternehmen Teil der privaten Messenger-Freundesliste zu werden – ob mit WhatsApp oder einer Alternative – ist ein wichtiger Schritt, der den Anfang einer langfristigen Kundenbeziehung markieren kann.
*Timoor Taufig ist Co-Gründer und CEO von Userlike. Das SaaS-Unternehmen hat der Kölner 2011 mit seinem langjährigen Geschäftspartner David Voswinkel noch während des Studiums gegründet. Heute beschäftigt Userlike 40 Mitarbeiter.
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