Von den spektakulärsten und weitreichendsten Software-Fehlern des Jahres sind mehr und mehr auch Energiedienstleister und Industriefertiger betroffen. Dies spiegelt die Umfrage der SQS Software Quality Systems AG für 2013 wider. Der Spezialist für Software-Qualität befragt jeweils zum Jahresende seine Berater nach den Top 10 Pannen der vergangenen zwölf Monate. [...]
6. Handel an der US-Börse Nasdaq für drei Stunden lahmgelegt
Rund drei Stunden ging beim Options- und Aktienhandel an der New Yorker Nasdaq nichts mehr. Software-Fehler sorgten im vergangenen August zweieinhalb Stunden nach Börsenstart für diesen Totalausfall. Ausgangspunkt der Probleme war der sogenannte „Securities Information Processor“, der die Aktienkurse mit anderen Börsen austauscht. Während des Stillstands fror der Börsenbetreiber alle Kurse und Notierungen vorübergehend ein. An der Nasdaq werden fast 30 Prozent aller Aktien an den US-Börsen gehandelt, zum Beispiel die von Apple, Facebook, Google oder Microsoft. Deshalb wirkte sich der Blackout auch auf die Kursfindung anderer wichtiger US-Indizes wie den Dow Jones oder den S&P-500 aus. Die Panne war nicht die erste dieser Art an US-Börsen. Im Jahr zuvor musste zum Beispiel eine Handelsplattform ihren eigenen Börsengang wegen eines Software-Fehlers im Handelssystem absagen.
7. Neuer Hochgeschwindigkeitszug kommt zwei Jahre verspätet aufs Gleis
Ein großer europäischer Bahnbetreiber musste auf 16 neue Hochgeschwindigkeitszüge rund zwei Jahre länger warten als ursprünglich mit dem Hersteller vereinbart. Die bestellten Hightech-Züge einer neuen Baureihe verspäteten sich unter anderem dadurch, dass ein Software-Fehler die fristgemäße Abnahme durch die Behörden verzögerte. Der Fehler in der Zugsteuerung sorgte dafür, dass sich die Bremsen nur mit einer Verspätung von einer Sekunde aktivieren ließen. Zuvor hatten bereits andere Probleme mit den Bremsen oder zum Beispiel der Klimaanlage den ursprünglich geplanten Liefertermin platzen lassen. Die verzögerte Auslieferung führte zu erheblichen Engpässen beim betroffenen Bahnunternehmen. Zugverspätungen und -ausfälle waren die Folge. Als Kompensation will der Hersteller der neuen Baureihe dem Bahnbetreiber einen zusätzlichen Zug im Wert von über 30 Mio. Euro liefern.
8. Hunderte Flugausfälle und -verspätungen durch Telefon-Crash
Nachdem ein Software-Fehler das interne Telefonsystem einer großen europäischen Luftsicherheitszentrale lahmlegte, kämpften Passagiere und Fluggesellschaften mit erheblichen Verspätungen. Hunderte Flüge mussten ganz ausfallen. 1.300 Flüge und damit acht Prozent des europäischen Luftverkehrs wiesen zum Teil mehrstündige Verspätungen auf. Durch den Telefon-Crash, der zwölf Stunden lang anhielt, konnte die Behörde die Flüge dieses Tages nur verzögert oder gar nicht bearbeiten. Der Fehler trat auf, als die Systeme am frühen Morgen vom Nacht- auf den Tagbetrieb umgestellt wurden. Das betroffene System war dabei keine einfache Telefonanlage. Mit ihm kommunizieren vielmehr Fluglotsen mit ihren Kollegen in anderen nationalen und internationalen Kontrollzentren.
9. Millionen von Kunden ohne Telefon- und SMS-Services
Sechs bis sieben Millionen Kunden eines nationalen Telefonanbieters mussten im Oktober vergangenen Jahres vier bis fünf Stunden lang ganz auf Mobiltelefonate und Textnachrichten verzichten. Wegen eines Software-Fehlers wurden die Schaltrelais des Telefonnetzes vorübergehend mit Netzwerksignalen überflutet. Dies führte dazu, dass sich die Relais selbst abschalteten und neu starteten. Der Zusammenbruch des gesamten Netzes für Telefonverbindungen und Textnachrichten war die Folge, zumal einzelne Relais länger brauchten, bis sie wieder aktiviert waren. Datenservices waren von dem Großausfall nicht betroffen.
10. Neue Logistik-Software bremst Ersatzteile fürs Auto aus
Die Werkstattkunden eines großen deutschen Autoherstellers mussten sich im vergangenen Jahr zum Teil wochenlang gedulden, bis sie benötigte Ersatzteile erhielten. Grund war eine Software-Umstellung im zentralen Logistiksystem des Autounternehmens. In den Tagen und Wochen nach der Umstellung baute sich ein Lieferrückstand von bis zu 200.000 Einzelteilen auf. Weltweit waren rund 5.000 Händler und Niederlassungen betroffen. Unter besonders langen Wartezeiten litten kurioserweise Kunden in direkter Nähe des Zentrallagers, da dieses für sie als Direktauslieferer fungiert. Um den Schaden für die Kundenzufriedenheit in Grenzen zu halten, ließ der Autohersteller die Mitarbeiter im Zentrallager auch am Wochenende und nachts Sonderschichten arbeiten.
„Bei Finanzdienstleistern, Telekommunikationsunternehmen und Behörden hängen wichtige Services schon seit den Neunzigern von IT-Systemen ab. Deshalb haben sie auch lange die jährlichen Top 10 der Software-Fehler dominiert“, interpretiert Jochen Brunnstein, Principal Consultant bei SQS Software Quality Systems, die diesjährige Liste. „Relativ neu vertreten sind hingegen Industriefertiger oder Versorgungsunternehmen. Deren Kerngeschäft wird erst jetzt durch Software wirklich revolutioniert. Beispiele sind die großen Fortschritte in der Automobilelektronik oder das Smart Metering bei Energieanbietern.“
Die diesjährige Liste zeige zudem, dass gravierende Software-Fehler selten nur Imageschäden verursachen. „Nehmen wir das Beispiel Obamacare: Der wegen schlechter Software holpernde Start hat noch einmal beachtlichen politischen Flurschaden hinterlassen“, so Brunnstein. Bei Privatunternehmen hingegen verursachten großen Software-Pannen fast immer beträchtliche Geldverluste. Brunnstein: „Der wirtschaftliche Schaden ist in diesen Fällen immer um ein Vielfaches größer als das, was das notwendige Maß an vorbeugender und systematischer Software-Qualitätssicherung gekostet hätte.“ (pi)
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