Die Rolle des Enterprise Architekten muss erweitert werden, um mit den neuen Entwicklungen in Unternehmen Schritt halten zu können. Stabilität und Nachhaltigkeit sind zwar weiterhin gültig, jedoch kommen neue Anforderungen hinzu – und dazu zählt unter anderem Tempo. [...]
• Weil eine IT-Architektur immer nur zeitweise stabile Plattformen herstellen kann, muss sie schneller werden und sich agiler Methoden bedienen.
• Enterprise Architekten müssen raus zu den Kunden und den Input aus den Feedbackrunden schnell verarbeiten
• Der Ansatz Architectural Thinking soll ein kollektives Verständnis von „exzellenten Produkten und Services“ Etablierung und eine „diesem Zweck dienende Architektur“ fördern.
• Ein gut justiertes Enterprise Architecture Management (EAM) unterstützt Transformationsprozesse und zugehörige Projekte mit wiederverwendbaren Architekturelementen und abgesicherten Referenzarchitekturen.
In der Arbeitsgruppe „Angewandtes agiles EAM“ untersuchte das Cross Business Architecture Lab (CBA Lab) die Zukunft des Enterprise Architecture Management. Die Ergebnisse wurden jetzt in einem Whitepaper veröffentlicht. Es beantwortet die Frage, wie Enterprise Architecture sich aufstellen und agieren kann, um den rasanten digitalen Wandel in den Unternehmen aktiv mitzugestalten.
Das traditionelle Mandat der Architekten lautet, für Struktur, Stabilität, Standards, Methoden und ihre Einhaltung zu sorgen. Allerdings muss es nun ergänzt werden, um dem Wandel der Unternehmen hin zu mehr Initiative, Dynamik, Kreativität und Innovation besser gerecht zu werden.
IT-ARCHITEKTUR MUSS AGILER WERDEN
Dieses neue, erweiterte Mandat basiert auf der Einsicht, dass Architektur in einer Welt, die geprägt ist von rasanten Veränderungen, Unsicherheit, zunehmender Komplexität und Ungewissheit immer nur temporär – phasenbezogen – Klarheit und Verständnis schaffen kann. Dieses Verstehen ist Grundlage für die Entwicklung agiler Prozesse, die Unternehmen in einer volatilen Welt handlungsfähig machen. Aber da Architektur immer nur zeitweise stabile Plattformen herstellen kann, muss sie auch selbst beweglicher und schneller werden und sich selbst der agilen Methoden bedienen, die zum Beispiel in der IT-Entwicklung genutzt werden.
ENTERPRISE ARCHITEKTEN MÜSSEN INS FELD ZUM KUNDEN
Je mehr agile Methoden im Unternehmen Einzug halten, desto größer wird die Diskrepanz zum traditionellen Enterprise Architecture Management (EAM). Es entsteht ein Spannungsfeld zwischen Bewahren und Verändern. Denn das klassische EAM beschäftigt sich mit der zukünftigen Ausrichtung der IT-Landschaft – der Soll-Architektur. Aktuelle Probleme lassen sich damit kaum lösen, denn es ist zu unflexibel.
Agiles EAM dagegen ist auf die Lösung konkreter Probleme gerichtet und kann flexibel auf Veränderung reagieren. „Enterprise Architekten werden einfach Teil der Teams. Sie müssen ins Feld, sie brauchen häufigen Kundenkontakt und sie müssen die Inputs aus regelmäßigen Feedbackrunden schnell verarbeiten“, betont CBA Lab Workstreamleiter Marc Gorges, der als Senior Enterprise Architect Mobility Solutions bei Bosch arbeitet. Denn Enterprise Architecture soll kein „Show Stopper“ sein, sondern aktiver Teambestandteil, der Chancen realisiert, zu besseren Services und Produkten beiträgt und letztlich zu mehr Einnahmen des Unternehmens führt.
Gorges Kollege Bernhard Lerch, ebenfalls bei Bosch, ergänzt: „Die Unternehmen wandeln sich zurzeit rasant, diesen Wandel gestaltet die Enterprise Architecture aktiv mit. Sie erweitert ihre Ziele und ihren Satz an agilen Methoden erheblich.“
DREI ANFORDERUNGEN AN DAS NEUE ARCHITEKTUR-MANAGEMENT
Ein verändertes Selbstverständnis und Wertesystem gepaart mit einem zeitgemäßen Mandat führen zu einer gewandelten Zielsetzung der Unternehmensarchitektur im digitalen und agilen Umfeld.
Drei Kriterien kennzeichnen ein Unternehmensarchitekturmanagement, das den Zielen gerecht wird:
• Es ist fokussiert und auf Wirksamkeit und Wertschöpfung ausgerichtet. Es ist lösungsorientiert, sieht Enabling und das Setzen von Leitplanken wichtiger an als strikte Governance und orientiert sich immer am Kundenfeedback;
• es liefert Struktur und Methodik für die digitale Transformation, steht für Angemessenheit und sichere Machbarkeit von Lösungen, identifiziert Risiken und Potenziale;
• es verankert Architektur in der DNA des Unternehmens, bringt sich aktiv in interdisziplinäre Teams ein, unterstützt Eigenverantwortlichkeit und Selbstorganisation und setzt auf Feedback in kurzen Zyklen.
ARCHITECTURAL THINKING
Diese Ziele lassen sich nicht mit einem zentralen Enterprise-Architektur-Ansatz realisieren, der nur von einigen Personen aktiv betrieben wird. Dazu braucht es einen breiteren Ansatz, den zum Beispiel das „Architectural Thinking“ darstellt. Architectural Thinking zielt auf die Etablierung eines kollektiven Verständnisses von „exzellenten Produkten und Services“ und fördert eine „diesem Zweck dienende Architektur“.
Der Ansatz geht von einer breiten Verankerung eines Architekturverständnisses im Unternehmen aus, so dass Unternehmensarchitektur nicht mehr vorgeschrieben werden und durchgesetzt werden muss, sondern in der DNA des Unternehmens verankert und gelebt werden kann.
Gorges verdeutlicht den Anspruch an zwei Beispielen: „Es besteht ein kollektives Verständnis zur Sinnhaftigkeit der Mülltrennung sowie zur Anschnallpflicht. Ähnlich strebt Architectural Thinking als Zielbild ein kollektives Verständnis von richtiger Architektur an. Und interessanterweise ist beiden Beispielen gemeinsam, dass die Gesetzgebung hier der gemeinschaftlichen Wertevorstellung zeitlich nachgelagert und nicht etwa die Umsetzung beider „Richtlinien“ durch entsprechende Gesetze erzwungen worden ist.“
EINE „MINIMUM VIABLE ARCHITECTURE“ ENTWICKELN
Damit die Enterprise Architecture schneller agieren kann, empfiehlt der Workstream weiterhin die Nutzung von Methoden des Architectural Engineering, die den Prinzipien der Ingenieurwissenschaften folgen. Dabei werden Ergebnisse der Grundlagenforschung, Erfahrungswissen und Erkenntnisse aus der Erprobung anwendungsnah aufbereitet, um damit ein leichtgewichtiges, praxisnahes Instrumentarium zur Entwicklung der „Minimum Viable Architecture“ zu realisieren. „Dabei geht es um ein schrittweises Vorgehen. Das heißt, die finale Architektur entwickelt sich Schritt für Schritt“, sagt Marc Gorges. „Sie wird im Laufe mehrerer Arbeitssitzungen erarbeitet. Final entschieden wird darüber erst ganz am Ende. Das lässt Raum zum Ausprobieren und zum Lernen.“
Weitere Möglichkeiten, EAM zu beschleunigen, ergeben sich durch die frühe und enge Zusammenarbeit mit anderen Bereichen, mit neuen Partnern außerhalb der IT–Organisation, z.B. dem Business Development. Die EAM-Funktion sollte am gesamten sogenannten Imipo-Zyklus mitwirken. Dieser Kreislauf setzt sich zusammen aus den Elementen: Ideation, Modeling, Implementation, Proving und Operation. Je früher sich EAM in diese Elemente einbringt, desto schneller verbreitet sich das allgemeine Architekturverständnis und desto eher wird Architektur nicht als etwas Fremdes betrachtet, sondern als integrales Element bei der Entwicklung und Umsetzung neuer Geschäftsideen.
Ebenfalls ein wichtiger Beschleuniger für EAM ist die Nutzung von EAM-Erfahrungswerten aus früheren Projekten (Harvesting), die zum Beispiel in einem Architecture Repository zusammengefasst werden. Ein solches Repository hilft, die Architekturanforderungen eines neuen Projektes schneller zu definieren oder sogar bestehende Standards wiederzuverwenden.
DAS ARCHITEKTURMANAGEMENT DER ZUKUNFT
Unternehmen sind mit hohem Tempo in einer sich ständig verändernden, komplexen Welt mit ungewisser Zukunft unterwegs. Als Leitplanke dient dabei ein agiles EAM: Es ermöglicht die strategiekonforme Verknüpfung zwischen Geschäftsprozessen und IT und bringt dieses komplexe Gebilde von lebenszyklusabhängigen Bebauungsobjekten in einen planbaren sowie systematisch steuerbaren Prozess. Ein gut justiertes EAM unterstützt Transformationsprozesse und zugehörige Projekte mit wiederverwendbaren Architekturelementen und abgesicherten Referenzarchitekturen.
Gorges formuliert die Aufgabe eines agilen EAM so: „Es muss Sicherheit und Stabilität in Ihre digitale Transformation bringen, ähnlich wie ein elektronisches Stabilitätsprogramm (ESP) im Auto darauf achtet, dass es nicht aus der Kurve fliegt.“
Das vollständige Whitepaper steht Ihnen hier zum Download bereit.
*Redaktion CIO
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