Diese Cloud-Anbieter halten Open Source am Leben

Entgegen der aktuellen Meinungen sind die „bösen“ Cloud-Unternehmen gar nicht das Ende der Open Source – Sie halten sie am Leben. [...]

Microsoft, IBM und Google zählen zu den größten Open Source Contributern 2018 (c) Pixabay.com

Einigen Berichten zufolge neigt sich die Open-Source-Welt dem Ende zu: Die bösen Cloud-Imperien herrschen, um den fragilen Open-Source-Gemeinschaften das Mark auszusaugen und im Gegenzug wenig dafür zu geben. Diese Botschaft hat sich weltweit in den Medien durchgesetzt und einige Weltuntergangspropheten haben das Ende der Nachhaltigkeit von Open Source, wie wir sie kennen, längst gepredigt.

Die Daten sagen jedoch etwas ganz anderes.

Laut zweier unabhängiger Analysen von GitHub Daten sowie von CNCF Daten sind es heute vor allem die – sie raten richtig! – Public-Cloud-Unternehmen, die den größten Anteil an Open-Source-Projekten tragen. Tatsächlich sind wohl gerade diese Unternehmen, die sich auf die Operationalisierung und nicht auf den Verkauf von Software konzentrieren, vielleicht sogar am besten in der Lage, Open Source noch über viele Jahre hinweg zu erhalten, als sie zu zerstören.  

Das sagen die Daten

All denjenigen, die aufgepasst haben, wird schon seit einiger Zeit klar sein, dass insbesondere Microsoft und Google als die größten und bekanntesten Beiträge zu aktuellen Open-Source-Projekten leisten. Als dominante Plattform-Unternehmen, die vor allem Entwickler erreichen wollen, ist Open Source ein Muss – und nicht einfach nur nice-to-have. Microsoft schlug zunächst hohe Wellen, als es sich für Ausführung und die Unterstützung aller Arten von Open-Source-Projekten auf Azure öffnete, während Google sogar noch einen Schritt weiterging und einen so unglaublich leistungsstarken Quellcode wie Kubernetes und TensorFlow via Open Source öffentlich zur Verfügung stellte.  

Selbst Amazon Web Services, der hegemoniale Cloud-Anführer, der beschuldigt wird, auf Open Source-Beiträge vollkommen zu verzichten, kann sich nicht länger gegen die Open-Source-Communities stellen. Obwohl AWS im Bereich der Open Source immer aktiver war als zunächst angenommen, hat es seinen Stand im Jahr 2018 sogar dramatisch verbessert.

All dies wurde mit der Analyse des Adobe-Entwicklers Fil Maj mit mehr als 6,2 Millionen GitHub-Profilen und deren Beitragshistorie festgehalten. Ein Vorbehalt jedoch: Es handelt sich dabei um eine ungenaue Wissenschaft und lässt natürlich die meisten wichtigen Code-Repositories (wie beispielsweise Apache-Projekte) aus. Dennoch setzt diese Analyse der GitHub.com Unternehmen-User-Beziehungen ein klares Zeichen – und dieses Zeichen besagt: „Die Cloud regiert Open Source“. Die folgende Tabelle zeigt einen Überblick über die Daten.

Diese Unternehmen haben 2018 am meisten zum GitHub Repos beigetragen

UnternehmenEntwicklerMitarbeiterIngenieure
Microsoft53083,93%10,87%
IBM31140,85%2,23%
Google23222,35%6,04%
Intel10701,00%1,94%
Amazon9710,16%0,97%
Alibaba6871,03%34,23%
Facebook6472,14%5,60%
Tencent6141,37%6,70%
SAP SE5980,62%2,96%
Pivotal56922,60%59,27%

Quelle: Fil Haj. Entwickler werden als Benutzer definiert, die 2018 mindestens einen Beitrag für ein öffentliches Repo haben und in diesem Jahr einen Stern erhalten haben. Laut Wikipedia basiert die Anzahl Mitarbeiter auf denen, die auf GitHub aktiv sind. Laut LinkedIn basieren die Ingenieure auf denjenigen, die auf GutHub aktiv sind.

Das hohe Ranking von IBM wird gerade durch die Übernahme von Red Hat erheblich unterstützt. Obwohl der Deal noch nicht ganz abgeschlossen ist, zeigt die Tabelle bereits das kombinierte Unternehmen. Wenn man die beiden trennt, würde Google an die zweite Stelle rutschen, während eine starke Nummer drei abrutscht und IBM „nur“ den fünften Platz bekleidet (Beachten Sie jedoch, dass Unternehmen wie IBM möglicherweise noch aktiver mit Apache-Projekten sind, die in Majs Bericht nun nicht vertreten sind.)

Felipe Hoffa verfolgt eine andere Herangehensweise an den GitHub-Datensatz, und hier wird der Vorsprung von Microsoft und Google nur allzu deutlicher: Im Jahr 2018 hatten beide etwa 1.000 GitHub-Teilnehmer und trugen jeweils zu etwa 1.000 Repos bei. Red Hat liegt mit rund 500 Repos und 600 GitHub-Teilnehmern an dritter Stelle, gefolgt von Amazon, IBM, Pivotal und Intel. Microsoft, Google, Red Hat, Pivotal und IBM waren im Jahr 2017 fast genauso aktiv wie 2018, Amazon dagegen verdreifachte seine GitHub-Teilnehmer und verdoppelte sein Repo von 2017 bis 2018.

Auch hier sind die Daten sicherlich nicht perfekt und fehlerfrei, doch die Schlussfolgerung, dass die größten und aktivsten Mitglieder der Open Source heute die Cloud Unternehmen sind, lässt sich in Anbetracht der Daten nur schwer vermeiden. Schaut man sich Majs Datensatz genauer an, so ist es interessant, aber nicht völlig überraschend, dass insgesamt sieben der Top 10 der größten Open-Source-Anbieter nicht im Bereich des Verkaufs von Software tätig sind: Sie verkaufen Dienstleistungen.

Warum die Cloud-Unternehmen es sich leisten können, so großzügig zu sein

Ich wiederhole es noch einmal: Die größten Unternehmen, die heute zu Open Source-Software beitragen, sind keine Software-Unternehmen an sich. Sie sind Cloud-Unternehmen oder zumindest Unternehmen, die sonst nicht im Verkauf von Software tätig sind. Warum ist das wichtig? Weil diejenigen Unternehmen, die die größten Schwierigkeiten hatten, sich frei in Open Source-Communities zu engagieren, diejenigen waren, deren Geschäftsmodelle sie dazu verpflichteten, Code zu sperren. Für Unternehmen, deren Geschäft Hardware, Cloud-Services oder etwas ganz anderes als Software ist, kann ein aktiver Beitrag zu Open Source die Wertschöpfung des Kerngeschäfts verbessern.

Die großen Cloud-Unternehmen werden auf diesen Umstand zunehmend aufmerksam, doch eine weitere wichtige Erkenntnis der Maj- und Hoffa-Analyse ist auch der Mangel an Nontechnology-Unternehmen auf der Liste. Wenn „Software die Welt frisst“ und „Entwickler die neuen Königsmacher sind“, wie die Experten im Silicon Valley gerne sagen, sollten Unternehmen aus so unterschiedlichen Branchen wie Finanzdienstleister und Einzelhandel aktiv zur Open Source beitragen.

Das Problem, so HSBC-Chefarchitekt David Knott gegenüber Mitch Wagner, ist: „Wir haben noch nicht herausgefunden, wem oder war wir uns aussetzen, wenn wir Beiträge zur Open Source leisten.  Aus technischer Sicht gesehen sind wir der Meinung, dass es das Richtige und das Verantwortlichste ist. Aber wir müssen es auch unter rechtlichen Gesichtspunkten betrachten.“ Anders ausgedrückt: Mainstream-Unternehmen sind ein Jahrzehnt hinter ihren eher techlastigen Pendants, die sich bereits seit fast zwei Jahrzehnten partizipativ mit Open Source auseinandersetzen. Diese anderen Unternehmen werden schon sehr bald lernen, wie und warum sie im Laufe der Zeit einen Beitrag dazu leisten sollen, doch sie befinden sich aktuell noch tiefer in der Lernphase als die Tech-Unternehmen.

All dies sollte dazu führen, dass wir weniger Zeit damit verschwenden sollten, die Cloud-Unternehmen dafür zu rügen, dass sie die Open Source-Nachhaltigkeit gefährden, und stattdessen die Notwendigkeit anerkennen, dass es an der Zeit wird, eine neue Generation von Mitarbeitern auszubilden.

*Matt Asay ist Redakteur bei InfoWorld.com


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