Direct to Consumer Marketing: Das steckt hinter dem Buzzword

Direct to Consumer - der US-Hype ist mittlerweile auch bei uns angekommen. Hier erfahren Sie alles, was Sie zum D2C-Vertriebs- und Marketingmodell wissen müssen. [...]

Direct-to-Consumer: Sind Zwischenhändler ein Auslaufmodell? (c) pixabay.com

Die D2C-Brand Harry’s hat mit seinem Geschäftsmodell einen rasanten Start hingelegt. Ein Rasierer, günstige Klingen und gratis Lieferung direkt vor die Haustür. Obendrein gibt es auch noch die Möglichkeit ein Abo abzuschließen. Ist der Kunde mit dem kostenlosen Probeset zufrieden, bekommt er vollautomatisch neue Klingen zugeschickt. Das Abo kann natürlich jederzeit problemlos gekündigt werden. Überraschenderweise ist dieser Service sogar wesentlich preisgünstiger als vergleichbare Produkte auf dem Markt. Außerdem gibt es die Möglichkeit, den Griff farblich anzupassen und zu personalisieren. Mit einer jährlichen Wachstumsrate von 35 Prozent wächst die Marke im Vergleich zur Konkurrenz auf diesem Sektor dreimal so stark. Edgewell Personal Care wollte Harry’s für 1,35 Milliarden Dollar aufkaufen.

Auch in der Augenoptik haben Direct to Consumer Brands Einzug gehalten. Die Brillenmarke Warby Parker verschickt Brillen nicht nur ohne Zusatzkosten direkt an ihre Kunden, sondern gleich fünf verschiedene Modelle zur Anprobe. Bezahlt wird nur die Brille, die nach dem Anprobieren auch wirklich ausgewählt wird (die Rücksendung der anderen Brillen ist ebenfalls kostenlos). Aber nicht nur das: Die Marke hat auch eine neue Technologie entwickelt, die Augenuntersuchungen geradezu überflüssig macht. Dioptrien-Werte können einfach über eine ausgelesen werden. Damit soll uneingeschränkter Komfort für die Kunden sichergestellt werden. Auch diese Marke zählt bereits seit 2015 zu den Unicorns.

In der Beauty Branche gründen Influencer und Blogs bereits seit einiger Zeit eigene Marken und verkaufen die Produkte direkt an die eigene Community. Glossier, ist so eine Direct-to-Consumer-Kosmetikmarke, die aus einem Blog heraus gegründet wurde. Im Zentrum des Erfolgs steht auch bei dieser Brand wieder eine kundenorientierte Perspektive und die Kundenzufriedenheit. Personalisierung ist hier ein sehr wichtiges Thema. Es ist beispielsweise möglich, anhand eines Tools Make-Up direkt auf individuelle Teints anzupassen. Außerdem werden mit jeder Aussendung Sticker mitgeschickt, um Kunden zu animieren, ihre Produkte zu individualisieren und Fotos davon auf Social-Media-Kanälen zu posten. Glossiere hat stolze 2,3 Millionen Follower auf Instagram und brachte es im Jahr 2018 auf einen Jahresumsatz von 100 Millionen Dollar. Diese D2C Brand erhielt 2020 ebenfalls den Unicorn-Status.

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‘Last but not least’ eine Marke aus dem Bereich Tiernahrung: Tails.com. Eine D2C-Hundefuttermarke, die zur besseren Orientierung auf Curated Shopping setzt und mit diesem Ansatz die Branche aufmischt. Auf der Webseite beantworten potenzielle Kunden erst einige Fragen zu ihren Hunden. Je nach Angabe wird das Futter dann individuell auf das Tier angepasst. Auch dieses Unternehmen arbeitet mit Gratis-Probepackungen und komfortablem Abonnement-Modell, das jederzeit gekündigt oder angepasst werden kann. Innerhalb von nur vier Jahren versorgte die Marke bereits mehr als 100.000 Hunde im Vereinigten Königreich, 2018 brachte das einen Jahresumsatz von 20 Millionen Pfund. Mittlerweile wurde eine Aktienmehrheit der Marke von Nestlé erworben.

Diese Beispiele zeigen: D2C-Marken wirbeln derzeit die unterschiedlichsten Branchen auf. Aber was steckt hinter dem Hype. Und wird er sich durchsetzen können und eine ernstzunehmende Konkurrenz für große Marken? Bevor diese Fragen beantwortet werden, gilt es jedoch erst eine andere zu klären.

Direct to Consumer – Definition

Bei D2C geht es darum, Produkte direkt vom Hersteller an die Verbraucher zu verkaufen und zu vermarkten – auch Direktvertrieb genannt. Zwischenhändler und Mittelsmänner werden hier mit Absicht außen vor gelassen. Dies bringt natürlich einige Vorteile mit sich, vor allem ökonomische.

1. Im Verkauf werden Zwischenhändler und Mittelsmänner gezielt vermieden. Zum Einen hat dies den Vorteil, dass die Marke den Preis selbst festlegen kann und es keine nachträglichen Preisaufschläge für den Endverbraucher gibt. Das bedeutet eine größere Gewinnmarge für die Marke und einen niedrigeren Preis für die Endverbraucher. Zum Anderen hat dies auch zur Folge, dass Marken nicht mehr abhängig vom Einzelhandel sind. Weder Produktpräsentation noch Kundenservice wird Dritten überlassen – die volle Kontrolle liegt beim Hersteller. Die Gefahr durch Eigenmarken der Händler aus den Regalen verdrängt zu werden, wird dadurch minimiert.

Technischer Fortschritt und Digitalisierung haben dies ermöglicht und enorm erleichtert. Jeder Hersteller ist heute in der Lage, einen eigenen Onlineshop einzurichten und auch kleine Produktmengen direkt an den Endverbraucher zu verkaufen. Für viele etablierte Marken, vor allem für Consumer Brands scheint dies noch immer untauglich und praxisfern. Dies liegt vor allem daran, das große, klassische Marken weniger agil und aufgrund bestehender Geschäftsverhältnisse mit Retailern in ihrer Handlungsfreiheit eingeschränkt sind. Doch die Marktentwicklungen der letzten Jahre zeigen deutlich, dass vor allem Lebensmittel der am stärksten wachsende E-Commerce-Bereich ist. Dies zwingt etablierte Marken, ihre Strategien zu überdenken.

2. Im Marketing geht es bei einem Direct-to-Consumer-Ansatz darum, direkt mit den Endverbrauchern auf Augenhöhe zu kommunizieren. Das heißt, eigene Marketingkanäle zu Endverbrauchern aufzubauen, was teure Medienagenturen aus dem Rennen nimmt. TV und Print wird eine eher untergeordnete Rolle im Medien-Mix zugesprochen. D2C ermöglicht es Unternehmen, ihre Zielgruppe über eigene Medienkanäle direkt anzusprechen, was wiederum die Voraussetzung für ein möglicht effizientes und fundiertes, auf Informationen basierendes Marketing, schafft.

D2C Brands – Was ist das Geheimnis?

Grundlage für den Erfolg der Direct to Consumer Brands sind Daten und deren strategischer Einsatz. Genauer gesagt die Erhebung und Nutzung wertvoller First-Party-Daten. Auch hier muss nicht länger auf Dritte vertraut werden. Das Internet bietet eine Vielzahl von Kontaktpunkten, um Kunden zu erreichen. Leider haben viele Marken auch heute noch keine direkten Kontakt zu Ihren Kunden und daher keinen Zugang zu diesen wichtigen First-Party-Daten. Das wird immer noch zu oft über Mittelsmänner wie Amazon und Medienagenturen abgewickelt. Es ist eine grobe Fahrlässigkeit, dies anderen zu Überlassen.

Digitalisierung ermöglicht Unternehmen, selbst Daten zu sammeln, die enorm wertvoll sind. Das Beispiel Tail verdeutlicht das. Personalisierte Tiernahrung wäre ohne diese Art von Daten nicht möglich und direkter Kontakt zu den Konsumenten ist der einzige Weg um diese unersetzlichen Informationen zu erhalten. Zudem können nur diese Daten kann in Echtzeit erhoben werden. Agenturen, die Daten erheben und vertreiben haben immer ihren eigenen Profit im Hinterkopf und aufgrund des Datenschutzes kann keine Identifizierung einzelner Kunden stattfinden. User müssen dem Gebrauch ihrer Daten explizit zustimmen.

Ein wichtiger Moment, der leider viel zu oft vergessen wird, ist die Phase nach dem Kauf. Die Erfahrungen, die der Käufer letztendlich mit Produkt und Marke macht, wird oft maßlos unterschätzt. D2C Brands setzen genau hier an, wie das Beispiel Glossier aufzeigt. Durch die Option, Verpackungen mit Stickern zu personalisieren, wird die Freude über den Erhalt des Produktes gesteigert. Hier werden Kunden durch eine direkte und enge Kommunikation gebunden.

In der heutigen digitalen Welt streben Menschen immer mehr nach persönlichen, zwischenmenschlichen Kontakten. Um sich gegenüber der Konkurrenz abzuheben und nicht nur das eigene Überleben zu sichern, sondern auch für stabiles Wachstum zu sorgen, sollten Marken eine Beziehung zu ihren Kunden aufbauen. Das sind die Endverbraucher, nicht die Händler.

Die gesammelten Daten und die direkte Kommunikation mit den Konsumenten hat den Vorteil, dass Produkte und Kommunikation direkt auf die Wünsche und Bedürfnisse der Kunden zugeschnitten werden können. Damit steigt nicht nur die Kundenzufriedenheit, sondern auch ihre Customer Lifetime Value.

D2C Hype – und die Folgen für etablierte Marken

Direct to Customer ist keine neue Erfindung – die direkte und persönliche Ansprache von Kunden funktioniert heute weitestgehend vollautomatisch. Dennoch sind viele Marken noch nicht bereit für den Umstieg. Sowohl technische Möglichkeiten als auch der Wert und die Relevanz von D2C werden unterschätzt.

Ob der Hype um das Direct-to-Consumer-Modell nur ein vorübergehender ist oder nicht, liegt in den Händen der etablierten Marken. Falls diese einfach weitermachen wie bisher, dann sind für D2C Brands alle Wege geebnet, weiterhin sämtliche Branchen aufzumischen. Der Fokus von Marken und Marketieren muss sich verschieben – von der Profitorientierung hin zur Kundenbindung. Es sind diese loyalen, wiederkehrenden Kunden, mit denen wirklich Profit gemacht wird: Diese Kundengruppe,

  • kauft öfter,
  • kauft mehr verschiedene Produkte,
  • empfiehlt Produkte weiter an Freunde,
  • gibt nützliches Feedback,
  • verursacht weniger Servicekosten und
  • ist weniger preissensibel.

Um also die Frage ein für alle Mal zu beantworten: Direct to Consumer ist mehr als nur ein Buzzword – D2C ist ein digitales Wachstumsmodell mit Zukunft. Weitere Informationen finden Sie in diesem Buch. Darin erklärt der Autor warum Markenmodelle von gestern heute nicht mehr erfolgreich sind; was Marken gegen die klaffende Lücke zwischen Awareness & Sales Uplift tun können; und wie Marken Daten und Technologien für mehr Kundenorientierung und stärkeres Wachstum einsetzen können.

*Stefan Ramershoven ist Gründer und Geschäftsführer der Kjero GmbH. Ramershoven studierte Retail Marketing mit Schwerpunkt Empfehlungsmarketing an der Universität Innsbruck und ist dort immer wieder als Gastlektor zu Besuch.


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