Dos and Don’ts bei Social-Media in der Arbeit: Der Chef ist nicht dein Freund

Was ist zu tun, wenn der Chef eine Facebook-Freundschaftsanfrage schickt? Arbeitsrechtler Wedde erklärt, wie man sich verhält, ohne die Kündigung zu riskieren. [...]

Über Freundschaftsanfragen bei Facebook, Kontaktanfragen bei Xing oder neue Follower bei Twitter freut sich fast jeder. Aber was, wenn sich auf einmal Arbeit und Privates vermischen? Wenn der Chef – oder der neue Mitarbeiter – einem die Freundschaft anbietet? Plötzlich befindet man sich auf dünnem Eis, denn Fehlverhalten auf Social-Media-Plattformen kann sogar in einer Kündigung enden. Den Chef ganz zu ignorieren, kann gefährlich sein.
Für viele Berufstätige ist die Sachlage klar: Insgesamt würden 57 Prozent der in Social-Media-Netzwerken Aktiven eine entsprechende Anfrage ihres Chef auf keinen Fall (37 Prozent) oder wahrscheinlich nicht (20 Prozent) annehmen. Dies ergab eine Umfrage des Branchenverbandes Bitkom unter 430 Internetnutzern.
DARF DER CHEF DAS?
Vielen ist die Situation unangenehm. Aber darf der Vorgesetzte überhaupt eine Freundschaftsanfrage bei Facebook schicken? Arbeitsrechtler und Experte für Datenschutzrecht Professor Peter Wedde hat da so seine Zweifel: „Das liegt im klassischen Graubereich.“ Der eigene Facebook-Account ist privat, und eine Freundschaftsanfrage könnte so aufgefasst werden, als würde man den Mitarbeiter unangemessen behelligen. Aber entscheidender ist: „Der Mitarbeiter ist in gewisser Weise vom Chef abhängig“, sagt Wedde. „Eine Freundschafsanfrage schafft deshalb eine unangenehme Kommunikationssituation. Ein guter Chef sollte auf solche Anfragen verzichten.“ Auch wenn es rechtlich gesehen kein echtes Verbot gibt.
Zwar gibt es die Möglichkeit, den Chef als Freund hinzuzufügen und ihn nicht alle Statusupdates sehen zu lassen – oder die Anfrage einfach zu ignorieren. Auch dabei wird es knifflig. Wenn ein Chef schon so übergriffig ist und nicht erkennt, dass eine Freundschaftsanfrage an einen Mitarbeiter fehl am Platz ist, kann es passieren, dass eine Nachfrage kommt á la: „Sie haben mich ja immer noch nicht hinzugefügt.“ Da könne man nur auf eine Art reagieren, rät der Arbeitswissenschaftler: „Chef, bitte sei mir nicht böse, aber ich will mein Privatleben von meinem Beruf trennen.“ Gute Chefs verstehen das.
ABLEHNEN GEHT OFT NICHT
Gleichzeitig, fügt Wedde abwägend hinzu, könne nicht jeder Mitarbeiter so reagieren. „Die Frage ist: Wie sicher ist man in seinem Job?“ Wer um seinen Job bange oder in der Probezeit sei, mache alle möglichen Dinge, die nicht gerade weise seien, sagt Wedde. Dazu gehört auch, den Chef bei Facebook hinzuzufügen. Die Umfrageergebnisse der Bitkom-Studie geben dem Datenschutzexperten Recht. Fünf Prozent der Befragten sind bereits mit ihrem Chef auf Facbeook und Co. befreundet, neun Prozent würden wahrscheinlich einer Anfrage zustimmen und ganze 15 Prozent geben in der Umfrage an, dass sie nicht wissen, was sie täten, wenn der Vorgesetzte eine Anfrage stellt.
Sollte ein Mitarbeiter seinem Chef eine Freundschaftsanfrage schicken? Das hänge davon ab, was man bei Facebook kommuniziere, meint Wedde. „Wenn ich mein Profil professionell ausrichte, ist es kein Problem.“ Wenn man es allerdings als „universelles Kommunikationsmittel“ auch für den privaten Bereich benutze, sollte man eher davon absehen. Wedde gibt ein Beispiel: Postet ein Freund auf der Facebook-Seite Sprüche wie „Du hast aber gestern ganz schön gesoffen“ und man ist in der Arbeit am nächsten Tag tatsächlich nicht leistungsfähig – oder gar nicht anwesend -, kann das Konsequenzen haben, wenn der Chef es sieht.
Wer mit Kollegen, nicht mit dem Chef, befreundet sein möchte, sollte bedenken: Was passiert mit der Freundschaft, wenn der Kollege auf einmal befördert wird? „Dann stellt sich die Frage, ob man den neuen Chef nicht doch aus der Freundschaftsliste entfernen sollte, denn als Chef sollte man bestimmte Sachen einfach nicht von seinen Mitarbeitern wissen“, sagt Wedde. Viele Arbeitnehmer posteten auf Facebook schon mal Kommentare wie „Genervt vom Büro“ oder Fotos von ausufernden Partys, sagt Wedde. „Aber all das geht den Chef nichts an – zumal es auch rechtliche Konsequenzen haben kann.“
WAS FIRMEN TUN KÖNNEN
Damit derartige Kommunikationssituationen gar nicht erst entstehen, rät Wedde dazu, dass sich Unternehmen Richtlinien für den Umgang mit Facebook, Twitter und Co. geben. Was darin als Ratschlag für Vorgesetzte stehen sollte, ist für den Arbeitsrechtler eindeutig: „Befreundet euch in sozialen Netzwerken wie Facebook nicht mit euch unterstellten Mitarbeitern“, sagt Wedde.
Arbeitsrechtlich heikel können sogar kommerzielle Netzwerke wie Xing oder LinkedIn werden. „Das kann relevant werden, wenn man etwa einen neuen Job über solche Netzwerke sucht“, sagt Wedde. Schreibt man auf seinem Profil, dass man nach neuen Herausforderungen sucht, ist man schnell gekündigt. „Ein manifestierter Abwanderungswille kann bei ebstimmten Tätigkeiten ein Grund für eine Trennung sein – der Mitarbeiter genießt dann nicht mehr das Vertrauen der Firma und daraus kann sich eine Kündigung ableiten“, sagt Wedde. Und fügt hinzu: „So etwas bleibt nicht geheim, irgendwer kennt irgendwen und so dringt es letztendlich zum Chef durch“, sagt Wedde. „Es ist ein hohes Risiko, in einer vernetzten Community nach einem neuen Job zu suchen“, meint er. Der Arbeitsrechtler rät dazu, sich lieber unter einem Pseudonym auf Jobsuche zu machen – oder es ganz zu lassen und sich analog zu bewerben.
Unsicherheit in Social-Media-Fragen sind in Unternehmen offenbar weit verbreitet, weil Richtlinien fehlen. Zum Beispiel zahlen einige Firmen einem Mitarbeiter etwa den Xing-Account, weil derjenige ihn beruflich nutzen soll. Doch was geschieht, wenn der Kollege das Unternehmen verlässt? Wem gehören die Kontakte und kann die Firma den Mitarbeiter zwingen, den Account zu löschen? „Dafür gibt es keine rechtliche Handhabe, wenn der Angestellte mit seinem eigenen Namen den Account führt“, sagt Wedde. Kein Konzern können verlangen, dass der Mitarbeiter den Account aufgibt – schließlich könnten dort auch private Kontakte dort zu finden sein. Deshalb rät Wedde Unternehmen, dass offizielle Accounts auch als solche gekennzeichnet werden, etwa mit „Siemens-Mitarbeiter“ Müller oder Ähnlichem. „Aber ich kenne keine Firma, in der das so geregelt wäre“, fügt Wedde hinzu.
BEI KRANKSCHREIBUNG SURFEN?
Fast jeder kennt die Situation: Man liegt krank zuhause im Bett, mit Grippe oder gebrochenem Bein und surft auf Facebook. Wieder in der Arbeit, flattert die Abmahnung auf den Schreibtisch – weil man die Krankheit nur vorgetäuscht hat? Das sei rechtlich nicht zulässig, beruhigt Wedde. „Alles, was einem Heilungserfolg nicht abträglich ist, darf man tun.“ Das wäre hingegen nicht der Fall, wenn etwa wegen Bandscheibenvorfalls krank-geschriebener Mitarbeiter Freunden beim Umzug hilft. „Aber wer eine Grippe hat, darf auch spazieren gehen. Wieso sollte er nicht bei Facebook unterwegs sein?“, fügt Wedde hinzu. Social Media und Krankheit allein rechtfertigen keine Abmahnung. Allerdings gibt es Ausnahmen.
Postet man nämlich fröhliche Urlaubsfotos, die eindeutig dem aktuellen Tag zugeordnet werden können, obwohl man offiziell krank geschrieben ist, kann das zu einer Kündigung führen. Selbst, wenn man mit dem Chef nicht auf Facebook befreundet ist. „Es gibt hier kein klares Beweisverwertungsverbot“, erklärt Wedde. Das bedeutet: Es kann auch passieren, das ein Vorgesetzter einen Kollegen dazu bringt, ihm Fotos von Kollegen zu zeigen, mit denen er über Facebook im persönlichen Kontakt steht. Sobald sie dem Arbeitsgericht vorliegen, können sie auch zu Lasten der Arbeitnehmer ihre Wirkung entfalten. Gleiches gilt, wenn im persönlichen Facebook-Account Sätze stehen wie „Voll genervt von der öden Arbeit und den saudummen Chefs“. Im Arbeitsverhältnis gebe es so genannte nebenvertragliche Treuepflichten, erklärt Wedde. Hieraus folgt, dass man in der Öffentlichkeit nicht beleidigend über den eigenen Arbeitgeber reden darf. Erfährt der Chef das, kann es Ärger geben. Wedde warnt daher eindrücklich: „Fast alles, was man bei Facebook und Co. schreibt, kann auch arbeitsrechtlich verwendet werden.“
ZU VIEL SOCIAL MEDIA
Viele Unternehmen haben in ihren Arbeitsverträgen inzwischen eigene Passagen, die sich mit dem Social-Media-Verhalten von Mitarbeitern befassen. Sie versuchen, die Surf-Wut der Angestellten einzudämmen. „Wenn in der Arbeit auf dem Smartphone der Kindergarten anruft, um mir mitzuteilen, dass mein Kind krank ist, dann ist dieses Privatgespräch natürlich kein Problem“, sagt Wedde. Wer allerdings während der Arbeitszeit allzu aktiv in sozialen Netzwerken unterwegs ist, das private Smartphone intensiv nutzt und parallel zur eigentlichen Arbeit Sachen postet, kann eine Abmahnung riskieren. Zwar gibt es Abstufungen. Einmal am Tag ein Like – da wäre eine Kündigung wohl unangemessen. „Wer während der gesamten Arbeitszeit surft, dem kann das Verhalten als Arbeitszeitbetrug ausgelegt werden. Das Surfen lässt sich zum Beispiel bei Facebook anhand des Datumseintrags gut belegen“, erklärt der Arbeitsrechtler.
Und inzwischen gibt es Firmen, die nicht wissen, wie sie mit Smartphone-süchtigen Mitarbeitern umgehen sollen. „Ich kenne einen Fall, da reagierte ein Mitarbeiter auf private wie berufliche Anfragen immer innerhalb von wenigen Sekunden, egal, auf welchem elektronischen Kanal man ihn ansprach“, erzählt Wedde. Ständig war dieser Mitarbeiter parallel im Firmeninternen-Chat, per Mail, per WhatsApp aktiv. „Das Unternehmen hat sich schließlich vom Mitarbeiter getrennt, weil es sich nicht darauf verlassen konnte, dass er konzentriert arbeitete.“ Wedde fürchtet, dass so ein suchtartiges Verhalten immer mehr Menschen betrifft. „Man sollte sein privates Smartphone während der Arbeit einfach weit weglegen“, rät er. Oder es der Sekretärin geben, die einen im Notfall benachrichtigt.
* Bettina Dobe ist Redakteurin der deutschen CIO.


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