Eine unendliche Geschichte

Nach Microsoft, Adobe und Oracle ist jetzt auch SAP in Bezug auf gebrauchte Software und Volumenlizenzen vor einem deutschen Gericht unterlegen. Die Gerichte haben auf Basis der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes im Juli 2012 im Wesentlichen festgestellt, dass Aussagen, Softwarelizenzen können nur entsprechenden den Lizenzbedingungen weiter veräußert werden, unzulässig und wettbewerbswidrig sind. Das Gericht hat auch einmal mehr klargestellt, dass Volumenlizenzen in Teilmengen beziehungsweise "aufgespalten" weiter veräußert werden können. [...]

Nicht EUGH konforme Lizenzbedingungen bezüglich der Weiterveräußerung von Lizenzen wurden verboten. Das Verfahren war durch den deutschen Gebrauchtsoftwarehändler susensoftware losgetreten worden, der gegen drei Punkte der Allgemeinen Geschäftsbedingungen von SAP am Landgericht Hamburg Klage eingereicht hat. „Konkret sind wir dagegen vorgegangen, dass SAP es in seinen AGB zustimmungspflichtig macht, wenn die eigene Software weiter verkauft wird oder wenn neue Lizenzen von Dritten hinzugekauft werden, dass es die Nutzung der eigenen Software beim Kunden regelmäßig überprüfen darf und dass es den Kunden zwingt, die gesamte SAP-Software nur vom Konzern selbst warten zu lassen und auf Drittanbieter zu verzichten“, erklärt Axel Susen, Geschäftsführer von susensoftware. Das Unternehmen verkauft seit 2001 gebrauchte Softwarelizenzen von Microsoft und SAP an neue Nutzer. Das größte verkaufte Lizenzpaket umfasste 60.000 Lotus Notes Lizenzen.

Die Hamburger Richter haben aber im Rahmen ihrer Urteilsbegründung vor wenigen Tagen den Softwareherstellern für die zukünftige Gestaltung von Allge­meinen Nutzungsbedingungen eine Hintertür offen gelassen: „Es bleibt der Beklagten dagegen unbenommen, gegebenenfalls auf andere Weise bzw. durch andere (nicht zwingend technische) Mittel und Schutzmaßnahmen einen eventuellen Missbrauch zu verhindern oder einzuschränken,“ heißt es in der Urteilsbegründung wörtlich.

Da sich die Hersteller vor allem aber auch nach dem richtungsweisenden EUGH-Urteil erbittert gegen die daraus resultierenden Konsequenzen zur Wehr gesetzt haben, kann man davon ausgehen, dass die Softwarehersteller entsprechende Klauseln und gegebenenfalls technische „Mittel und Schutzmaßnahmen“ weiterentwickeln werden – was nach der Erklärung der Hamburger Richter zu ihrem „guten Recht“ gemacht worden ist. Es ist allerdings auch zu erwarten, dass sich die verschiedenen Player auch aufgrund dieser Entscheidung des Öfteren vor Gericht treffen werden.

VERDOPPELUNG DES MARKT-VOLUMENS NACH EUGH-URTEIL
Die im Grunde seit Juli 2012 geschaffene Rechtssicherheit und die signifikanten finanziellen Vorteile beim Kauf von gebrauchten Lizenzen haben laut Tobias Lander, Sales Director von ReLicense, „in kurzer Zeit zu einer Verdoppelung des Marktvolumens geführt“. Die ReLicense AG übertragt seit mehr als fünf Jahren Volumenlizenzen lizenzvertrags- und / oder rechtskonform mit vollständiger Transparenz bis zum Softwarehersteller.

In das gleiche Horn stößt auch der UsedSoft-Geschäftsführer Peter Schneider: „Lange Zeit bewegten sich Unternehmen beim Kauf von gebrauchter Software in einer rechtlichen Grauzone. Im Grundsatz ist es zwar seit jeher legal, Software ­gebraucht zu verkaufen und zu kaufen. Doch die Gesetze hatten nicht mit der technischen Entwicklung Schritt gehalten.“ Schneider sieht deshalb im technologischen Fortschritt der vergangenen zwanzig Jahre den Auslöser für die Problematik: „Als die entsprechende EU-Richtlinie (zum „Schutz von Computerprogrammen“, Anm. d. Red.) im Jahr 1993 erlassen wurde, wurde Software noch auf Disketten verkauft. An den Vertrieb von Software via Download hat damals keiner gedacht. Diese Unklarheiten haben die Softwarehersteller lange Zeit missbraucht. Sie haben den Kunden allerlei Unsinn erzählt und so den Gebrauchthandel lange Jahre unterbunden“, kritisiert der UsedSoft-Geschäftsführer

HERSTELLER IN DER KRITIK
Das soll auch heute nicht anders sein: Schneider zufolge versuchen immer noch einige Softwarehersteller, Gebrauchtsoftware-Käufer zu verunsichern. So werde etwa behauptet, Microsoft sei ein US-Unternehmen und das Urteil des EU-Gerichts deshalb irrelevant. „Mit solchen Unsinns-Argumenten dringen die Hersteller aber immer weniger zu den Kunden durch“, berichtet Schneider und ergänzt: „Der Markt wird zunehmend erwachsen. Immer mehr Kunden machen sich mit der Rechtslage vertraut und lassen sich nicht mehr einschüchtern.“

Der Umsatz von Usedsoft hat sich seit dem EUGH-Urteil jedenfalls mehr als ver­doppelt. Waren es davor noch durchschnittlich drei Neukunden pro Woche, die sich für Usedsoft-Lizenzen entschieden haben, sind es seit dem Urteil drei Neukunden pro Tag.

7 REGELN BEIM GEBRAUCHTSOFTWARE-KAUF
Gestärkt durch das erfolgreiche Verfahren gegen Oracle, das Mitte Juli am deutschen Bundesgerichtshof ein vorläufiges Ende gefunden hat, hat der Gebrauchtsoftwarehändler UsedSoft allen Interessenten an Gebrauchtsoftware einen Katalog mit sieben Punkten präsentiert, in dem detailliert erklärt wird, was Käufer von Lizenzen aus zweiter Hand beachten müssen.

1. Client-Server-Lizenzen
Software aus Volumenprogrammen darf aufgespalten, also einzeln weiterverkauft, werden. Hier handelt es sich um eine bestimmte Menge an Einzellizenzen, die nur aus Marketing- und Vertriebsgründen im Paket verkauft werden. Eine Volumenlizenz besteht zum Beispiel aus 100 einzelnen Lizenzen die im Paket verkauft werden, so dass man die Software auf 100 einzelnen PC installieren darf. Hier kann man zum Beispiel auch 50 Stück weiterverkaufen. Anders sieht es laut EuGH bei Client-Server-Lizenzen aus. Diese dürfen nicht aufgespalten werden. Hintergrund: Eine Client-Server-Lizenz wird auf einem Server abgelegt. Der Käufer erwirbt für diese eine Lizenz lediglich eine bestimmte Zahl an Zugriffsrechten. Da es sich dabei also um eine einzige Lizenz handelt, kann diese auch nicht aufgespalten werden.

2. Lizenzübertragung
Das A und O beim Kauf von gebrauchter Software ist die ordnungsgemäße Lizenzübertragung. Wer sich für den Kauf von gebrauchter Software entscheidet, sollte sich daher an etablierte Händler wenden. So können Software-Käufer sicher gehen, dass bei der Lizenzübertragung alles mit rechten Dingen zugeht. Zudem hat der EuGH verfügt, dass Software nur dann weiterverkauft werden darf, wenn der Verkäufer diese nicht weiternutzt. Ein probates Mittel, um dies sicherzustellen und nachzuweisen, ist ein Notartestat.

3. Nur Standard-Software kaufen
Im Prinzip darf zwar jede Art von Software gebraucht gehandelt werden. Kaufen sollte man aber nur Standard-Software, um auf Nummer Sicher zu gehen.

4. Kaufsoftware übertragen
Der Handel mit Gebrauchtsoftware ist nur legal, wenn es sich um Software handelt, die „im Wege der Veräußerung in den Verkehr gebracht“ (sprich: verkauft) wurde. Software aus Leasing- oder Mietverträgen darf also nicht gebraucht gehandelt werden.

5. Lieferfähigkeit des Händlers
Große Händler können in der Regel schneller in größeren Stückzahlen liefern. Manche kleine Anbieter sind eher Makler, die nur das verkaufen können, was andere Unternehmen verkaufen wollen. Da Händler aber stets ein großes Software-Lager mit mehreren tausend Lizenzen vorhalten, können sie ein weit größeres Angebot an Software-Arten und -Versionen anbieten.

6. Geeignete Version auswählen
Auf dem Gebrauchtsoftwaremarkt stehen aktuelle Versionen, aber auch ältere Programme zur Verfügung. Die aktuellste Version einer Software verlangt zum einen Einarbeitungszeit und ist zum zweiten mit höheren Hardwareanforderungen verbunden. Eine vertraute Version ist dann eine echte Alternative. Da diese vom Hersteller aber oft nicht mehr angeboten wird, ist hier gebrauchte Software der einzige Weg. Allerdings bedeutet „gebraucht“ keineswegs, dass es sich zwangsläufig um ältere Programme handeln muss.

7. Inzahlungnahme
Beim Kauf von Software wird oft die Vorversion anschließend nicht mehr genutzt. Größere Händler nehmen diese beim Kauf von anderer Software in Zahlung. Auf diese Weise können Unternehmen gebundenes Kapital in liquide Mittel umwandeln und beim Kauf der „neuen“ Software doppelt sparen. (aw)


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