Wissens-Management braucht eine solide Basis im Unternehmen. Dafür eignen sich in der Regel ECM-Systeme. Doch der Einsatz will gut geplant sein. [...]
Seit mehr als 25 Jahren bieten Softwarehersteller mittlerweile IT-Lösungen für das Management und die Archivierung von Dokumenten an. Inzwischen hat sich für dieses Segment der Gattungsbegriff Enterprise-Content-Management (ECM) eingebürgert. Doch die Beschaffung eines Programms allein etabliert noch längst kein ECM. Folgende Fragen sollten Entscheider beantworten können, um den Projekterfolg zu sichern und das ECM-Potenzial zu heben.
WORAN ERKENNT MAN EIN ERFOLGREICH EINGEFÜHRTES MODERNES ECM?
Aus der kaufmännischen Sicht macht sich ein erfolgreich eingeführtes ECM dadurch bemerkbar, dass die Kosten nachhaltig sinken und sich Prozesse in dokumentenzentrischen Abläufen, die zumeist die Kernprozesse des Unternehmens umfassen, schneller abwickeln lassen. Die mit der Ablage im Dokumenten-Management-System (DMS) verbundenen Kosten liegen im Erfolgsfall trotz der zusätzlich notwendigen Scan- und Indexiertätigkeit häufig niedriger als die Kosten der Papierablage, denn diese findet für jede Kopie immer wieder neu und somit mehrfach statt. Aber nicht nur die Archivierung, sondern auch die Aufbewahrung der bereits archivierten Dokumente fällt mit geordneter Datenhaltung günstiger aus als papiergebunden. Teure Stellflächen und Archiv-Verwaltungseinheiten gehören der Vergangenheit an.
Vorgaben zur Aufbewahrung und zeitgerechten Vernichtung von Unterlagen erfüllen sich in ECM-Lösungen durch definierbare Regeln quasi nebenbei, und die vollständige Aktenführung ist dank der Integration aller Medien (Papier, Fax, Datei, E-Mail) in diesen Lösungen gelebte Praxis.
Bei den Zugriffen werden die Vorteile eines ECM am deutlichsten, denn für alle im System abgelegten Unterlagen dauert der Abruf nur Sekunden, egal wie alt das Dokument ist: Das Suchen nach der Akte, das schier endlose Warten auf die Belieferung aus dem Zentralarchiv oder der Mikrofilmstelle hat mit der Einführung des ECM ein Ende. Auch finden sich die Unterlagen in aller Regel dort, wo sie zu erwarten sind. Die Suchmöglichkeiten im ECM sind klar vorgegeben und entsprechen den Ablage- und Suchanforderungen der Anwender. Einmal abgelegte Dokumente sind verlässlich an der zugewiesenen Stelle innerhalb der Akte auffindbar – ein versehentliches Löschen oder Umhängen ist praktisch ausgeschlossen.
Die damit zusammenhängenden Prozesse lassen sich somit deutlich schneller und effizienter abwickeln. Durch die elektronische Aktenbereitstellung lassen sich Vorgänge gleichzeitig parallel bearbeiten, was die Prozess-Durchlaufzeiten in der Regel deutlich reduziert. Zusätzlich ist gewährleistet, dass Entscheidungen auf Basis der aktuellen Sachlage erfolgen. Da Akteninhalte teils vollautomatisch (sämtliche Ausgangspost), teils durch eigens hierfür betriebene Servicestellen (Scanstelle, sämtliche Eingangspost) oder für die restlichen Unterlagen durch den Anwender selbst (E-Mail- und Dateiablage) abgelegt werden – und zwar kurz nach dem Dokumenteneingang, spätestens unmittelbar nach Bearbeitung des Vorgangs – liegen die benötigten Informationen vollständig vor.
Einige stark strukturierte Prozesse lassen sich sogar elektronisch und ohne Sachbearbeiter-Eingriff fallabschließend in sogenannter Dunkelverarbeitung innerhalb des ECM ausführen. Diese Möglichkeiten sind heutzutage allerdings noch auf einfach strukturierte Prozesse beschränkt, die besonders geringen Entscheidungsfreiraum enthalten und zumeist auf Formularen oder ähnlich stark strukturierten Unterlagen beruhen.
WIE SOLLTE EIN ERFOLGREICHES ECM-PROJEKT ANGELEGT SEIN?
Für den ECM-Erfolg ist ein sauber geplantes Einführungsprojekt nötig. Auf der fachlichen Ebene müssen die dokumentenbezogenen Anforderungen umfänglich analysiert werden. Neben reinen Mengenangaben müssen die Verantwortlichen Bescheid wissen über die fachlichen Anforderungen an die Dokumentenhandhabung innerhalb der Fachprozesse. Dabei sind alle Regeln und Besonderheiten aufzunehmen, etwa spezielle Papierformate oder -beschaffenheiten, die Bedeutung von Farbinformationen für die Sachbearbeitung, Aufbewahrungs- und Vernichtungspflichten und nicht zuletzt die Organisation der Papierverwahrung und -verteilung inklusive Kopien. Auch müssen sämtliche Ausgangsdokumentarten und deren Quellen ermittelt werden, wobei spezielles Augenmerk auf sogenannte Rückläufer zu richten ist, also Dokumente, die selbst an den Partner versendet und von diesem anschließend zurückgesendet werden, denn diese bieten häufig ein hohes Automatisierungspotenzial.
Außerdem sind die Prozessanforderungen zu analysieren, und es ist festzulegen, wie das ECM in die Prozesse eingebunden werden soll. Hier handelt es sich meist um Auskunftsfunktionen (Dokumentensuche und Aktenfunktionen). In immer mehr Projekten gibt es aber auch E-Mail-ähnliche Kommunikation über elektronische Postkörbe oder Prozesssteuerungen mittels Workflow.
Da all diese Informationen nicht nur über Fragebögen, sondern aufgrund ihrer Komplexität immer häufiger nur über Vor-Ort-Erhebungen und Interviews ermittelbar sind, muss man ausreichend Zeit einplanen.
Aus den gewonnenen Informationen über Prozesse, Dokumente und Ablagen lassen sich die notwendigen ECM-Strukturen und -Funktionen ableiten. Dieser Schritt ist besonders wichtig für die Auswahl einer passenden Systemlösung. Dabei ist vor allem darauf zu achten, dass die wesentlichen Anwendungsfunktionen zur Suche und Ablage von Dokumenten und deren Organisation in Akten die gewünschten Prozessverbesserungen auch ermöglichen.
Auf der technischen Ebene ist es wichtig, die passende Systembasis auszuwählen beziehungsweise die Komponenten und Verfahren zu ermitteln, die sich besonders gut in die bestehenden IT-Anwendungen und -Prozesse einbinden lassen. Denn das ECM wird im Lauf der Nutzung zu einer immer zentraleren Informationsquelle im Unternehmen.
WELCHE FEHLER DROHEN BEI DER ECM-EINFÜHRUNG?
Nicht selten erwarten Unternehmen, mit der technischen Installation eines Produkts bereits ECM erfolgreich etabliert zu haben. Allzu oft richtet sich der Blick nur auf die Technik und das Gefühl, ein leistungsfähiges Produkt erworben zu haben. Im schlimmsten Fall wird erst danach nach dem Problem gesucht, das damit gelöst werden soll. Besonders kritisch wird es, wenn ECM-Produkte rein funktional betrachtet werden („Hauptsache, es kann scannen, versionieren und archivieren…“), ohne die notwendigen Optimierungen der täglichen Handhabung oder die Mengenanforderungen zu berücksichtigen.
Geht der Fachbereich ohne IT-Betreuung an die ECM-Auswahl, dann besteht die Gefahr, dass vielleicht ein System mit attraktiv erscheinenden Oberflächen beschafft wird, dieses aber die architektonischen oder IT-strategischen Vorgaben nicht unterstützt und im Betrieb nur unzureichend betreut werden kann oder programmtechnisch nicht ausreichend anpassbar ist.
Passt das ECM nicht, können anstelle einer Prozessverbesserung und -beschleunigung im schlimmsten Fall die gegenteiligen Ergebnisse eintreten. Das kann etwa der Fall sein, wenn die Scanfunktion die benötigten Massenverarbeitungsweisen einer professionell organisierten Scanstelle nicht unterstützt und hierdurch ein deutlich höherer Erfassungsaufwand für die Papierunterlagen entsteht, als dies vor der ECM-Einführung der Fall war.
Je konkreter die ECM-Planung und je genauer die Dokumenten- und Prozessanalyse, desto exakter lassen sich die Ziele definieren. Ungeduld ist dabei ein schlechter Begleiter: Die ECM-Einführung muss als Prozess verstanden werden. Bewährt hat sich, frühzeitig Basisfunktionen bereitzustellen (Ablage, Suche, Akte) und den Ausbau (Postkorb, Prozesssteuerung, Dunkelverarbeitung) in Folgephasen anzugehen.
WAS IST AUS PROZESSSICHT FÜR EIN EFFIZIENTES ECM ZU BEACHTEN?
Wichtig ist, dass das ECM dauerhaft von einer fest institutionalisierten Gruppe fachlich und technisch betreut wird, um Erweiterungen unter optimaler Einbeziehung bereits geschaffener Teillösungen implementieren zu können.
Ein ECM ist immer dann erfolgreich, wenn es die Arbeitsprozesse spürbar verbessert. Hierfür ist eine hohe Verlässlichkeit Voraussetzung: Anwender müssen dort, wo sie es erwarten, die Informationen finden, die sich dort vereinbarungsgemäß befinden sollen. Grundlage hierfür sind zunächst klare Vereinbarungen über den Umfang der Dokumentenmigration aus der Papier- in die ECM-Umgebung genauso wie die professionelle Organisation jeglicher Dokumentenablagen.
Um das Potenzial von ECM-Anwendungen voll auszuschöpfen, sollten auch die Prozesse sowie Kommunikationswege und -formen überdacht werden. In einigen Fällen lassen sich durch die Bereitstellung von elektronischen Erfassungsformularen nicht nur der Dokumentenversand und die Rückläufer-Scanverarbeitung verbessern, sondern überdies der Datenerfassungsaufwand vollständig auf den Partner oder Kunden verlagern.
* Volker Halstenbach ist Partner der Zöller & Partner GmbH. Der Artikel stammt von der deutschen Computerwoche.
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