Moderne Unternehmen müssen sich verstärkt auf sich immer schneller wandelnde Märkte einstellen. Aufgrund der hohen Relevanz der IT für den Unternehmenserfolg ist deren große Anpassungsfähigkeit für die nötige Flexibilität entscheidend. [...]
Änderungen an IT-Systemen oder an der IT-Infrastruktur müssen professionell gemanagt werden, um knappe IT-Ressourcen optimal einzusetzen und Änderungen im Spannungsdreieck „Qualität, Kosten und Zeit“ bestmöglich umzusetzen. Hier kommt der Change-Management-Prozess ins Spiel: Dieser Anpassungsprozess bestimmt die Wettbewerbsfähigkeit und ist damit einer der wichtigsten IT-Prozesse.
Der Change-Management-Prozess ist sehr komplex, muss aber die Effizienz eines Massenprozesses aufweisen. Denn Änderungsbedarfe sind zwar oftmals sehr individuell – gleichzeitig fallen im Laufe der Zeit aber auch eine Vielzahl von Änderungen an. Darüber hinaus sind zahlreiche Abteilungen zu koordinieren, weil Fachbereiche Changes nicht nur beauftragen, sondern auch in Tests und Abnahmen eingebunden werden. Das führt dazu, dass der Prozess von vielen Unternehmen nicht richtig beherrscht wird. Zehn häufige Fehler lassen sich in diesem Zusammenhang identifizieren.
1. Fehler: Keine Ausrichtung am Unternehmensziel: Ausgangspunkt jedes Change Managements ist die Ausrichtung an der Unternehmensstrategie: Unternehmen, die sich am Markt als Qualitätsführer positionieren, sind auf ein hochwertiges Change Management angewiesen. Dagegen ist es für Unternehmen, die auf schnell wandelnden Märkten agieren, flexibel und reaktionsschnell aufzusetzen. Unabhängig von der Positionierung wird vom Change Management gefordert, maximale Qualität bei äußerster Flexibilität und minimalen Kosten sicherzustellen. Da auch eine IT diesen betriebswirtschaftlichen Widerspruch nicht lösen kann, erfolgt die Schwerpunktsetzung zumeist aus dem Bauch heraus, basierend auf vorhandenen Ressourcen und angenommener Dringlichkeit.
2. Fehler: Keine Berücksichtigung der unterschiedlichen Business-Relevanz von Systemen und Applikationen: Systeme und Applikationen haben eine unterschiedliche Relevanz für das Business. Es existieren Systeme, die für den operativen Betrieb elementar sind und Hochverfügbarkeitsanforderungen haben, wohingegen andere Systeme lediglich unterstützenden Charakter aufweisen. Diese Unterschiede werden in Change-Management-Prozessen oft nur ungenügend abgebildet. Eine Clusterung der IT-Landschaft verhindert die Etablierung zu vieler Prozesse (Komplexitätserhöhung) oder eines zu umfangreichen Change Managements für gering priorisierte Systeme.
3. Fehler: Keine businessbasierte Bewertung von Changes (Kosten-Nutzen-Analyse): Die Business-Relevanz von Changes ist grundsätzlich unterschiedlich. So können Änderungen, die nur einen kleinen Anwenderkreis betreffen, enorme Auswirkungen haben (beispielsweise bei der Umsetzung gesetzlicher Anforderungen), wohingegen andere Changes trotz gefühlter Relevanz verhältnismäßig irrelevant sind. Eine Priorisierung von Changes darf deshalb nicht danach erfolgen, wer am lautesten schreit oder wer zuerst einen Change angemeldet hat, sondern nach wirtschaftlichen Erwägungen. Studien zeigen jedoch, dass in weniger als 30 Prozent der Changes eine belastbare Wirtschaftlichkeitsrechnung hinterlegt wird und weniger als zehn Prozent der Changes nach der Umsetzung auch überprüft werden.
4. Fehler: Nicht optimierte Change-Management-Prozesse: Die Umsetzung von Change-Management-Prozessen ist in der Praxis komplex. Abhängig vom Change sind verschiedene Organisationseinheiten einzubinden, ist die Umsetzung unterschiedlich zu planen, sind Qualitätssicherungs- und Testmaßnahmen in diversen Ausprägungen durchzuführen und der Rollout individuell zu gestalten. Dies bilden die operativen Change-Prozesse zumeist unzureichend ab, sodass eine übergreifende Prozesssteuerung und -transparenz fehlt, Verantwortlichkeiten unklar sind, Qualitätssicherungs- und Testmaßnahmen nicht durchgeführt und Fachbereiche nur ungenügend einbezogen werden.
5. Fehler: Fehlende Gesamtübersicht über laufende und geplante Changes: Bereits beschlossene Changes stehen grundsätzlich in Konkurrenz mit geplanten Changes sowie mit dem operativen Tagesgeschäft. Zudem zeigt sich, dass der tatsächliche Aufwand von Changes schwer abzuschätzen ist. Deshalb ist eine Gesamtübersicht über laufende und geplante Changes inklusive einer aktuellen Ressourcenplanung von großer Wichtigkeit. Hier sind allerdings neben IT-Ressourcen auch die Fachbereiche zu betrachten, weil diese für Beauftragung, fachliches Testen sowie die Abnahme der Changes verantwortlich sind. Eine Ressourcenplanung findet jedoch oftmals, wenn überhaupt, lediglich bei Beauftragung des Changes statt.
6. Fehler: Fehlende Auswertung (KPI) und Rückkopplung zu kontinuierlichen Verbesserungsprozessen (KVP): Nach der Umsetzung von Changes ist ein Post-Implementation-Review-Prozess vorgesehen, um die Qualität der Umsetzung zu überprüfen. Für eine umfassende Betrachtung müssen hierzu alle beteiligten Personenkreise befragt werden. Dies sind neben der IT auch die beauftragenden Personen inklusive des Sponsors. Ansonsten kann keine realistische Bewertung erfolgen. Über entsprechende KPI lässt sich zudem die Verteilung und Ursache von Changes überprüfen. Beides sind wichtige Informationsquellen für den KVP.
7. Fehler: Unzureichende Erstellung und Dokumentation von Standard Changes: Circa 80 Prozent aller Changes in der IT können in Form von Standard Changes beschrieben und angewendet werden. Diese lassen sich im Idealfall ohne Genehmigung durch jeden Mitarbeiter aufgrund einer definierten Beschreibung ausführen. Auch wenn Übereinstimmung über die Sinnhaftigkeit dieses Vorgehens herrscht, sieht man in der Praxis häufig, dass Standard Changes nicht oder nur ungenügend beschrieben sind und deren Anwendung nicht dokumentiert wird. Durch derart reproduzierbares Wissen lassen sich nicht nur einzelne Spezialisten entlasten, sondern auch die Transparenz und die Geschwindigkeit bei der Umsetzung der Änderungen erhöhen.
8. Fehler: Mangelnde Abstimmung von Fachbereich und IT: Change Management ist kein ausschließlicher IT-Prozess, sondern kann nur dann erfolgreich sein, wenn er in bestehende Unternehmensprozesse eingebunden wird. Ein Produktentwicklungsprozess kann beispielsweise nicht erfolgreich sein, wenn die für das neue Produkt relevanten IT-Anpassungen nicht frühzeitig abgestimmt und umgesetzt werden. In der Praxis werden Changes oft erst dann beantragt, wenn die IT keine Möglichkeit mehr hat, Alternativvorschläge zu unterbreiten.
9. Fehler: Fehlendes Commitment der Mitarbeiter: Um Change Management erfolgreich im Unternehmen zu etablieren, müssen betroffene Mitarbeiter von dessen persönlichem Nutzen überzeugt sein. Ein strukturierter Change-Management-Prozess hat aber zur Folge, dass die Dokumentation der Tätigkeiten formaler und gegebenenfalls auch umfangreicher wird. Oft sind Mitarbeiter dann schwer zu motivieren, die Prozesse tatsächlich zu leben. Deswegen ist ein wesentliches Augenmerk auf die Kommunikation der persönlichen Vorteile zu legen – von der qualitativ höheren Umsetzung (Fachbereichsseite) über die bessere Planbarkeit bis hin zum gesteigerten Informationsfluss.
10. Fehler: Fehlende Individualisierung des Change-Management-Prozesses: Change-Management-Prozesse müssen individuell an die Unternehmensbedürfnisse angepasst werden, da es keine allgemeingültige Empfehlung gibt, wie diese im Dreieck zwischen Qualität, Kosten und Zeit optimal aufzustellen sind. Deswegen ist einer der schwerwiegendsten Fehler, Change-Management-Prozesse im Unternehmen zu etablieren, ohne die spezifischen Anforderungen zu berücksichtigen. Die Notwendigkeit der Individualisierung schließt dabei die Wahl eines geeigneten ITSM-Tools mit ein – auch hier müssen die Unternehmensspezifika abgebildet werden können.
* Die Autoren Florian Meister, Kerstin Lorenz und Gerd Schaarschmidt arbeiten bei der PMCS.helpLine Software Gruppe.
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