Huawei P8 im Test: Smartphone-Halbgott als Thronanwärter

Die chinesischen Hardwarehersteller haben in den letzten Jahren einen weiten Weg zurückgelegt, um zu Samsung, HTC und Apple aufzuschließen. Viele von ihnen, wie Huawei, sind der Konkurrenz dicht auf den Fersen. Mit dem P8 hat sich das Unternehmen gar das Ziel gesetzt, die Smartphone-Götter von ihrem Thron zu stoßen. Passenderweise bedient man sich dazu sowohl in der Android-, als auch in der Apple- und Windows-Welt. Ob es dem chinesischen Vorzeigeschüler auch gelungen ist, in den Smartphone-Olymp aufzusteigen, lesen Sie in unserem Praxis-Test. [...]

Schwächen in der Übersetzung der Oberfläche sorgten im Test jedoch manchmal für leichte Verwirrung. So quittiert EMUI jede erfolgreiche Installation einer App mit „Verknüpfung ist bereits vorhanden“, was bedeuten soll, dass nun eine Verknüpfung zur neu installierten App auf dem Screen abgelegt wurde. Beim ersten Mal sorgte das im Test für Stirnrunzeln, da es eigentlich auf missverständliche Art impliziert, die Verknüpfung sei bereits zuvor vorhanden gewesen.

Just am Abend nach der Beendigung unseres Tests verteilte Huawei für das Huawei P8 (GRA-L09) ein 129 MB großes OTA-Update für EMUI. Es soll sich auf das Task-Management-System auswirken und das Prozessmanagement verbessern, um die Standby-Zeit zu verlängern. Außerdem kommen Stromspar-Funktionen und ein paar neue Funktionen für die Foto-App und das Screenshot-Tool hinzu. Ebenfalls neu ist die Möglichkeit, nur 2G Netze zu nutzen und 3G/4G komplett auszuklammern, wie man es von anderen Smartphones kennt. Eine Health-App mit Pedometer-Funktion sowie neue Security-Patches von Google sind ebenfalls mit von der Partie. Das Update verlief reibungslos, es war jedoch nicht mehr möglich seine Auswirkungen vor der Rückgabe des Testgerätes ausgiebig zu untersuchen.

EINHÄNDIGER BANDIT

Für die Einhand-Bedienung hält EMUI eine Reihe mehr oder weniger nützliche Funktionen bereit. So kann man in einigen Huawei-Apps (etwa Kontakte, E-Mail, SMS, nicht aber im Kalender) den „Thumb-Modus“ aktivieren. Dazu zieht man den Bildschirm mit dem Finger nach unten, wie wenn man den Posteingang aktualisieren möchte, lässt ihn aber rund 2 Sekunden liegen. Dadurch drängen sich die Inhalte in der unteren Hälfte des Screens und sind leichter mit dem Daumen erreichbar. Durch wischen über die Navigationsleiste am unteren Bildschirmrand (Home, Zurück und ausgeführte Apps) nach links oder rechts aktiviert man die „Mini-Bildschirm-Ansicht“, die eine deutlich verkleinerte Version des Screens an den linken bzw. rechten unteren Rand positioniert.

Über die „Verknüpfungen“ genannten Einstellungs-Shortcuts in der Titelleiste wiederum gelangt man zu weiteren Einhand-Funktionen, wie den „Schnellzugriff“. Dieser lässt eine frei positionierbare, halbrunde Schnellzugriffsleiste erscheinen, die permanent am Bildschirm kleben bleibt und bei Nicht-Gebrauch auf einen kleinen Kreis zusammenschrumpft. Neben den Buttons für Home, Zurück und die letzten geöffneten Apps wie in der unteren Navigationsleiste lässt sich dort auch schnell der Speicher leeren und der Bildschirm ausschalten. Außerdem kann man in den Verknüpfungen die On-Screen-Tastatur in den einhändigen Modus versetzen („Tastatur umschalten“). Sie drängt sich dann dichter an den wahlweise linken oder rechten Rand. Nur wenn dieser Modus aktiviert ist, lassen sich aus dem Einstellungsmenü, das direkt über die Tastatur zu erreichen ist, die verschiedenen Modi auswählen. Darunter auch ein Split-Modus, der das Software-Keyboard in der Mitte teilt und links und rechts an den Rand rücken lässt, während in der Mitte ein freier Spalt bleibt. Wozu dieser Modus gut sein soll, das ließ sich im Test nicht ausreichend ergründen.

UNTER DER HAUBE

Hinter der edlen Fassade der Huawei P8 verbergen sich in der getesteten 16 GB Variante der hauseigene Octa-Core-Prozessor HiSilicon Kirin 930 (4 x 2,0 GHz und 4 x 1,5 GHz) mit 3 GB RAM. Das 64 GB Modell hat eine leicht höhere Geschwindigkeit, der schnellere Verbund ist mit 2,2 GHz getaktet. Darin steckt auch ein anderer Prozessor, der Kirin 935. Ergänzt wird der Prozessor in beiden Fällen durch eine ARM Mali-T628 GPU. Das ergab im Test (16 GB Modell, deaktiviertes Auto-Sync, ansonsten im „Alltags-Modus“, angegeben werden jeweils die höchsten in mehreren Durchläufen erzielten Ergebnisse) folgende Benchmark-Werte:
Smartbench 2012: 6011 (Productivity Index); 4295 (Gaming Index)
AnTuTu (5.7.1) Benchmark 64-Bit: 46496
AnTuTu (5.7.1) Benchmark 32-Bit: 46297
3DMark Ice Storm Unlimited: 9128

Die nicht ganz taufrische Mali-GPU bremst offensichtlich das System. Der aktuelle Adreno 430 von Qualcomm, der in einigen Top-Smartphones verbaut ist, schafft beispielsweise im 3DMark-Test über 20.000 Punkte. Trotzdem sollten alle aktuellen 3D-Spiele problemlos laufen und bei normaler Nutzung gehen alle Aufgaben flott und ohne Ruckler oder übermäßig lange Ladepausen von der Hand.

Das integrierte Mobilfunk-Modul mit LTE Cat. 4 erreicht Geschwindigkeiten von bis zu 150 Mbit/s im Download und 50 Mbit/s im Upload. Das reicht normalerweise völlig aus, trotzdem: LTE Cat-6, wie es beispielsweise in manchen Geräten von Samsung, Apple, HTC, LG oder sogar von Huawei selbst (z.B. im Huawei Ascend Mate 7) steckt, wäre zumindest theoretisch schneller. NFC, Bluetooth 4.1, FM Radio, A-GPS, GLONASS und WLAN 802.11 a/b/g/n (wie eingangs erwähnt nur 2,4 GHz) runden die Featureliste ab.

Das Unternehmen Huawei kommt ja eigentlich aus der Netzwerkausrüster-Ecke. Mit Link+, WiFi+ und Signal+ hat Huawei diese Kompetenz auch in sein Smartphone bzw. seine Kirin-Chip-Familie einfließen lassen. So wurde unten und oben im Gehäuse eine Antenne verbaut, um den Empfang zu optimieren, außerdem versucht die Software den Datenempfang über das Mobilfunknetz und WLAN zu optimieren. In unserem Test verlor das P8 an einem Ort mit teilweise schlechter, aber noch vorhandener Mobilfunkabdeckung, trotzdem manchmal das Mobilfunk-Signal komplett. Ob das an dem Smartphone oder am Netzbetreiber (HoT/T-Mobile) lag, konnte nicht eruiert werden. Zu anderen Zeitpunkten zeigte es am selben Ort jedenfalls wieder volle Empfangsleistung.

Der integrierte 2.680 mAH Li-Polymer-Akku erlaubt Huawei zufolge Gesprächszeiten von bis zu 14 Stunden sowie 480 Stunden im Standby. In unserem Test hielt der Akku bei kontinuierlichem Abspielen eines YouTube-Videos im Vollbild (automatische Displayhelligkeit) über WLAN mit aktivierter Bluetooth-Verbindung zu Lautsprechern rund 5 1/2 Stunden (Restkapazität 5 Prozent). Das ist in etwa gleich lang wie das HTC One M9 mit einer Akkukapazität von 2840 mAh in unserem Test durchgehalten hat. Nach einer halben Stunde an dem mitgelieferten Ladegerät (1 A) war der Akku von den 5 Prozent wieder auf 20 Prozent, nach einer weiteren Stunde dann auf rund 60 Prozent. Bis zur vollständigen Aufladung auf 100 Prozent vergingen jedoch etwas mehr als drei Stunden – eine vergleichsweise lange Zeitspanne. Auch mit einem stärkeren Ladegerät ließ sich der Vorgang nicht beschleunigen. Doch das ist möglicherweise Absicht: Vor rund einem Jahr noch erklärte Huawei-CEO Richard Yu beim Launch des Ascend P7 vor Journalisten, dass er kein Freund von Quick-Charge-Funktionen sei, da sie die Lebensdauer von Akkus verkürzen würden. Das ist insbesondere im Hinblick auf die fest verbauten und nicht einfach austauschbaren Akkus in aktuellen Geräten kein zu unterschätzender Faktor.

Quasi unbenutzt, mit aktiviertem WLAN und Push-E-Mail sowie hin und wieder einem Blick auf das Display, um Nachrichten zu checken, hielt das Huawei P8 rund dreieinhalb Tage durch, bevor es wieder an die Steckdose wollte. Ein normaler Stromspar-Modus und die extra zu aktivierende Funktion „Ultra-Akku“, die quasi alles außer den SMS- und Telefonie-Funktionen abdreht, erlauben es im Notfall auch mit geringen Ladungen, so lange wie möglich erreichbar zu bleiben.

FAZIT

Huawei zeigt mit dem P8 eindeutig den Willen und auch das Können, zu den Großen im Smartphone-Business aufzuschließen. Viele interessante Funktionen und Liebe zum Detail machen dem Nutzer Freude, ebenso wie die Verarbeitung und das Hardware-Paket. Nicht zuletzt der Preis ist ein gutes Kaufargument: Aktuell ist das 16 GB Modell bei diversen Online-Händlern schon ab rund 450 Euro zu haben. Samsung, HTC & Co. verlangen für ihre Top-Geräte deutlich mehr.

Ganz reicht es aber dann doch nicht zum Aufstieg in den Smartphone-Olymp, dafür sorgen störende Kleinigkeiten. Sei es die teilweise etwas missglückte Übersetzung der Oberfläche, die fehlende Unterstützung des 5-GHz-Bandes oder, dass im Benachrichtigungsfeld Mails manchmal doppelt auftauchen – nichts Weltbewegendes, aber eben nicht perfekt. Auch die Performance liegt, wenn man die Benchmarks betrachtet, nicht auf dem gleichen Niveau wie jene der Flaggschiffe anderer Hersteller. Wer sich daran nicht stört, bekommt mit dem Huawei P8 dennoch ein Top-Gerät mit einem äußerst konkurrenzfähigen Preis-Leistungs-Verhältnis. (rnf)


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