Im freien Fall kann nicht viel passieren

Mit der Fallhöhe einer Festplatte steigt nicht exponentiell der Grad der zerstörten Daten an, da Sensoren den freien Fall erkennen. [...]

Es gibt Festplatten, die G-Sensoren haben, das heißt, die Festplatte bemerkt, wenn sie sich im freien Fall befindet und fährt schnellstmöglich die Schreib-/Leseköpfe in die Parkposition, damit diese nicht bei einem Aufprall die Magnetschicht beschädigen. Auf der ISS denkbar schlecht, aber hier auf Erden eine tolle Sache.

Meist sind diese G-Sensoren nur in mobilen Festplatten verbaut, aber wenn eine 3.5 Zoll-Festplatte einmal „mobil“ wird, ist der Aufprall aufgrund der höheren Masse wesentlich härter. Diese 3.5 Zoll-Festplatten haben entweder keinen G-Sensor oder aber sind zu träge. Festplatten, die aus dem dritten Stock eines Hauses geworfen wurden, haben in der Regel ganz andere Probleme. Und hier wurde meistens auch versucht, die Daten bewusst zu vernichten. Aber durch den längeren Flug und fehlende Stromversorgung sind die Magnetscheiben meist nicht in Rotation und die Köpfe längst in Parkposition.

DEEP IMPACT

Beim Aufprall auf den Fußboden einer sich im Betrieb befindlichen Festplatte passiert Folgendes: Das Gehäuse der Festplatte (HDA – Hard Disk Assembly) verzieht sich für eine kurze Zeit und die Drehachsen der Magnetscheiben und des Lesearmes sind nicht mehr parallel zueinander. Die Schreib-/Leseköpfe schlagen jetzt auf der Magnetschicht auf. Das Aufschlagen der Köpfe erfolgt übrigens mehrmals und hinterlässt folglich nicht nur einen Krater pro Kopf sondern in der Regel drei oder mehr. Gleichzeitig verwindet sich die Drehachse der Magnetscheiben zusätzlich aufgrund des Trägheitsmomentes der Magnetscheiben, denn das Gehäuse verändert beim Aufprall schlagartig seine Bewegungsrichtung und wird meist in eine Drehung versetzt, weil es mit einer Ecke zuerst aufschlägt. Durch diesen Umstand kommt es zu einem längeren Kontakt zwischen den Magnetscheiben und mit der sich am Rand befindlichen Rampe, die zur Aufnahme der Schreib-/Leseköpfe in deren Parkposition dient. Diese Rampe wird nun durch den Kontakt von einer Seite malträtiert, ebenso wie das Gegenüber, nämlich den Magnetscheiben. Diese übrigens bewegen sich zu diesem Zeitpunkt noch mit einer Drehzahl von typischerweise 7200 U/min. Bei einem Außendurchmesser der Magnetscheiben von ca. 9,5 cm messen wir am Rand also eine Geschwindigkeit von knapp 130km/h. Durch die Reduzierung der Drehgeschwindigkeit aufgrund von Reibung hat endlich auch die Festplattenlogik verstanden, dass es sich um einen Ausnahmezustand handelt und fährt die Köpfe jetzt in die Parkposition, während diese dabei immer noch fleißig Krater hinterlassen. Bei der Ankunft an der Rampe haben wir nun jedoch ein Problem: Während durch den Kontakt auf einer Seite immer noch Hitze produziert wird, ist auf der anderen Seite eine riesige Lücke – und in genau diese fahren nun die Köpfe. Leider ist dies eine Sackgasse und die Köpfe kommen nicht aus der Gefahrenzone heraus. Das ist zu viel für die Festplattenlogik. Ein paar Umdrehungen weiter beruhigt sich die Lage und das Trägheitsmoment der Magnetscheiben hat sich nahezu komplett in Reibungsenergie umgewandelt. Leider stecken die Köpfe immer noch fest und die Lücke an der Rampe hat sich wieder verschlossen. Dies übt nun zusätzlichen Druck auf die Köpfe aus, die nun nicht nur mehrere Krater, sondern im Außenbereich der Magnetscheiben nun auch gleich eine ganze Bremsspur auf den Magnetscheiben hinterlassen haben. Den Abrieb und die Hitze haben die Köpfe in den meisten Fällen nicht überstanden.

* Der Autor Nicolas Ehrschwendner ist Geschäftsführer von Attingo.


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