„In-Memory“: Schnelle Datenverarbeitung bietet allein kaum Mehrwert

Datenbanklösungen auf Basis der In-Memory-Technologie versprechen bis zu 3.600-mal mehr Performance bei der Datenverarbeitung. In der Praxis fällt das Urteil jedoch deutlich nüchterner aus. Der Grund: In vielen Unternehmen orientiert sich die IT-Landschaft an Fachprozessen, die häufig dezentral in unterschiedlichen Anwendungen abgebildet sind. Spürbare Vorteile ergeben sich dagegen erst durch die Zusammenführung von isolierten Datenbeständen. [...]

Die entscheidende Stärke einer In-Memory-Datenbank (IMDB) liegt in der Verbindung von analytischen (OLAP) und transaktionsorientierten Prozessen (OLTP). Beide Bereiche lassen sich aus zuvor unabhängig geführten Datenbanken in ein gemeinsames System übertragen. Die moderne Technologie nutzt schnellen Arbeitsspeicher statt langsamer Festplatten für die Datenverarbeitung und ermöglicht so, umfangreiche Berechnungen wie Analysen, Kalkulationen oder Visualisierungen in die OLTP-Datenbank zu verlagern. Je mehr Datenmaterial der IMDB also zur Verfügung steht, desto besser lässt sich der Geschwindigkeitszuwachs verwerten.

NEUE MÖGLICHKEITEN
ERP-Plattformen sowie im Prinzip sämtliche Anwendungen für Kerngeschäftsprozesse profitieren besonders stark von einer IMDB, wenn sich dadurch neue Möglichkeiten zur Verarbeitung und Nutzung von Unternehmensdaten ergeben. Bestehende Informationen zügig bereitzustellen, ist bei vielen Prozessen dagegen kaum noch eine Herausforderung für die IT. Diese liegt vielmehr in der Aufbereitung der Informationen anhand weiterführender Anwendungsszenarien, die der Einsatz einer IMDB erst ermöglicht und damit wesentliche Geschäftsvorteile schafft. Konkret entfallen durch die Zusammenführung von Datenmaterial in der IMDB aufwendige Batch-Verarbeitungen, um die vormals in verschiedenen Systemen abgelegten Informationen in Relation zueinander zu bringen. Große Datenbestände etwa aus Big-Data-Szenarien lassen sich so effektiv mit Transaktionsdaten in Verbindung bringen. Das gilt auch für unterschiedliche Quellsysteme. Beispiel: Ein Industriekonzern möchte im Zuge einer großen Kundenbestellung eine exakte Prognose über das Lieferdatum seiner Produkte abgeben – eine Aufgabe, die sich durch das komplexe Zusammenspiel von Daten aus Bestell-, Lieferanten- und Produktionssystemen lösen lässt. Mit dem schnellen Zugriff auf sämtliche erforderlichen Informationen sowie deren analytischer Verbindung via IMDB kann gegebenenfalls eine Lieferzusage schon am Telefon erfolgen, ohne erst einen Batchlauf abwarten zu müssen.

Damit entwickelt sich die ERP-Plattform hin zu einem interaktiven Arbeitsfluss, der Datenanalysen in Echtzeit erlaubt, statt aus Gründen der Performance nur vordefinierte und gefilterte Auswertungen zuzulassen. Hinzu kommt, dass die Verarbeitung innerhalb einer IMDB stets auf dem aktuellsten Datensatz erfolgt. Daraus entstehende Analysen weisen deshalb eine höhere Aussagekraft auf als bisher, da das Datenmaterial nicht mehr in ein analytisches Business Warehouse (BW) ausgelagert werden muss. Eine IMDB wahrt die Datenkonsistenz und beugt Medienbrüchen vor, die ansonsten beim Datentransfer von einem in das andere System entstehen.

SCHLÜSSEL ZUM ERFOLG: VERKNÜPFUNGEN

Neben dem Einsatz im ERP-Umfeld ergeben sich zahlreiche Einsatzmöglichkeiten für eine IMDB im Unternehmen. In nahezu jedem Bereich lassen sich Mehrwerte durch Analysen und Verknüpfungen des Datenmaterials erzielen. Diesem Zweck dienen zumeist Informationen, die zu den Grundlagen unternehmerischen Handelns zählen und mit zunehmender IT-Nutzung ohnehin erzeugt, gesammelt und operativ verwertet werden. Man denke nur an die Datenvielfalt, die etwa in Qualitätssicherungs- oder Produktionssystemen lagert und sich durch Verknüpfung mit CRM-Daten in einen Mehrwert für Planung und Vertrieb ummünzen lassen. Das zieht jedoch eine engere Verzahnung von Prozess- und IT-Know-how nach sich. Denn Geschwindigkeit allein bringt kaum messbare Vorteile im täglichen Geschäft – im Gegenteil: Nötige IT-Investitionen zahlen sich nur bei optimal abgestimmten Prozessen aus. Erst dann entfaltet sich die enorme analytische Stärke der IMDB-Technologie und schlägt damit eine Brücke zwischen operativen und strategischen Prozessen. Dazu einige Beispiele:

  • Eine Verknüpfung von Marktdaten und CRM-System erlaubt eine präzise Absatzplanung, falls die IMDB zuverlässiges Datenmaterial über Kunden und Produkte enthält und damit wichtige Anhaltspunkte zu Marktentwicklungen und Zielgruppentrends sowie deren Auswirkungen auf das eigene Portfolio liefert. In Kombination mit einem BI-System stehen die erzeugten Informationen zudem für schnelle Entscheidungen im Management bereit.
  • In der Produktionssteuerung liefert die Zusammenführung von Stücklisten, Beschaffungs- und Lagerdaten sowie deren Abgleich in Echtzeit Antworten auf die wichtigsten Fragen rund um die Materialbedarfsplanung: Wann kann ein Produkt zur Produktion vorgesehen werden? Wann müssen neue Komponenten beschafft werden? Welche Produktvarianten lassen sich mit den verfügbaren Materialien fertigen? Ad-hoc-Abfragen über eine IMDB lösen dabei die bislang erforderlichen Batchläufe in der Nacht ab.
  • Logistikdienstleister profitieren durch In-Memory-Analysen, indem sie geografische Daten laufend auswerten, um Verzögerungen, Abweichungen und Engpässen vorzeitig absehbar zu machen. Das zahlt sich vor allem in Lieferantennetzwerken aus, die viel mit „Just in Time“-Prozessen zu tun haben und deshalb auf verlässliche Angaben angewiesen sind.

EFFEKTIVE QUALITÄTSÜBERWACHUNG
Optimierungen in Prozesslandschaft und Datenanalyse sind jedoch nicht die einzigen Vorteile, die mit einer IMDB einhergehen. In Qualitätsmanagement und Service lassen sich ebenfalls Verbesserungen erzielen, beispielsweise durch die Auswertung von Sensordaten in einem Produkt. Das erleichtert Fehlerprognosen und die Beschaffung von Ersatzteilen. Durch Mustererkennung in Qualitäts- und Servicemeldungen, kombiniert mit Informationen über Umwelteinflüsse oder aus Meldesystemen lassen sich Qualitätsprobleme zügig ermitteln. Denkbar wäre beispielsweise eine Verknüpfung von Systemen mobiler Pannenhelfer mit den Werkstattdaten von Autohäusern, um erforderliche Reparaturen und Kundenbeanstandungen vor Ort abzugleichen und so Auffälligkeiten bei einzelnen Baureihen eines Herstellers aufzudecken. Ein Kennzahlensystem schlägt dann automatisiert Alarm – ein Feature, das sich auch bei Industrieanlagen auszahlt. Fallen etwa in infrastrukturkritischen Anlagen wie Kraftwerken oder Stromleitungen nach einem bestimmten Muster immer dieselben Bauteile aus, lassen sich kostspielige Stillstände durch den präventiven Austausch von betroffenen Einzelkomponenten ganz einfach und ökonomisch vermeiden.

FAZIT
Ob Marktanalyse oder Produktentwicklung – wer das meiste aus den im Unternehmen verfügbaren Daten rausholt, macht das Rennen. Dabei geht es nicht nur um Zugriff und Verfügbarkeit der Informationen, sondern insbesondere um deren sinnvolle Verknüpfung. Die Leistungsfähigkeit einer In-Memory-Datenbank ergibt sich aus einer Kombination beispielsweise von analytischen und transaktionalen Daten, die sich in Echtzeit analysieren lassen und damit herkömmliche BW-Lösungen abhängen.

* Tim Kley und Johannes Nikolaus Kasper sind Manager bei Q_PERIOR.


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