Industrie 4.0 – Leitfaden für CIOs

Allmählich lichtet sich der Schöpfungsnebel, aber von ihrer endgültigen Gestalt ist Industrie 4.0 noch weit entfernt - so der Gartner-Vice-President und -Fellow Stephen Prentice auf dem diesjährigen "CIO & IT Executive Summit" in München. Worauf sollte der IT-Verantwortliche also in dieser Phase achten? Was kann er tun? [...]

CIOS MÜSSEN MIT STAKEHOLDERN REDEN
Und inwieweit sind die IT-Verantwortlichen von all dem betroffen? „Die CIOs müssen mit allen Stakeholdern reden, um neue Geschäftsmodelle zu entwickeln“, forderte Prentice seine Zuhörer auf. Er ging dabei ins Detail und legte den IT-Verantwortlichen zwölf Dinge ans Herz, die sie für den IT-Beitrag zu Industrie 4.0 beachten beziehungsweise tun sollten.

Stephen Prentice:

  • Nur keine Panik!
    Industrie 4.0 ist eine Reise, nicht das Ziel. Es gibt mehr als eine mögliche Destination. Und höchstwahrscheinlich wird es eine Industrie 5.0 geben. Zwar wissen wir noch nicht, wie sie aussehen wird, doch mit einiger Sicherheit dürfte sie künstliche Intelligenz umfassen, also die Optimierung des Outputs mit Hilfe zielorientierter maschineller Entscheidungen. Fazit: Industrie 4.0 ist kein Sprint, sondern ein Marathon. Die gute Nachricht: Wenn man nicht so genau sieht, wo es hingeht, kann man bislang auch nicht wirklich eine Gelegenheit verpasst haben.
  • Integrieren Sie Informationstechnik und operationale Technik!
    Unter operationaler Technik (OT) versteht Gartner Ingenieurtechnik mit einer Langzeitperspektive. Sie liefert Information über das, was im Inneren der Produktionssysteme vor sich geht. Dabei ist sie digital, aber nicht integriert. IT hingegen ist in vielfacher Hinsicht das Gegenteil davon: kundenzentriert, eher kurzlebig, digital und hochintegriert. Was die beiden Technikarten hindert, zusammenzuarbeiten, ist ein gewisses gegenseitiges Misstrauen. Deshalb ist Change-Management so wichtig.
  • Steigern Sie den Reifegrad Ihres Fertigungsprozesses!
    Lernen Sie Ihre Mitspieler auf der Produktionsseite kennen. Verstehen Sie deren Sorgen und Hoffnungen und planen Sie den gemeinsamen Fortschritt auf einem fünfstufigen Weg. Er führt von autonomen Fertigungsstätten über funktionale Exzellenz und integrierte Fertigung bis zur anforderungsgetriebenen Produktion und schließlich zur virtuellen Fertigung.
  • Integrieren Sie Ihre Informations-Assets!
    Reißen Sie Ihre Silos nieder und öffnen Sie Ihre Unternehmenssysteme auch für externe Informationsquellen: Wetterdaten, Social Media etc. „Ihre wertvollsten Daten könnten von außerhalb Ihres Unternehmens stammen“, konstatierte Gartner-Analyst Prentice.
    Allerdings müssen interne und externe Informationen zu einem medienbruchsfreien System zusammengefasst werden. Zu klären sind hier Fragen von Eigentum, Datenschutz, Ethik etc. „Etablieren Sie einen Standard für den Umgang mit Daten und Informationen“, rät Prentice, „ein System von Werten und Prinzipien, das allen digitalen Interaktionen mit Menschen, Geschäften und Dingen zugrunde liegt.“
  • Verinnerlichen Sie das Internet der Dinge!
    Das Internet of Things (IoT) ist der international gebräuchliche Begriff für das, was die Grundlage der Industrie 4.0 – und des digitalen Business – bildet. Prentice empfahl, sich dem Thema entlang der „fünf E“ zu nähern: Embrace, explore, explain, exploit, extend.
  • Experimentieren Sie mit Smart Machines!
    Virtuelle Assistenten für die Entscheidungsunterstützung, neuronale Netze, cyber-physikalische Systeme, Roboter und 3D-Druck mögen aus der heutigen Perspektive noch als Spielerei erscheinen. Aber es lohnt sich, ihre Möglichkeiten auszuloten. Allerdings sollte man immer die Business-Innovationen im Auge behalten und nicht blindlings den technischen Innovationen hinterherlaufen. Sonst gibt man zu viel Geld für Prototypen aus, die das Unternehmen am Ende nicht weiterbringen.
  • Werden Sie ein Digital Business Leader!
    Der CIO sollte sich für das digitale Business engagieren. Dazu muss er aber seinen Elfenbeinturm verlassen. Denken Sie von innen nach außen, rief Prentice die IT-Chefs auf, und verbringen Sie etwa 30 Prozent Ihrer Arbeitszeit mit Menschen von außerhalb Ihrer Organisation. Zudem müsse der IT-Verantwortliche lernen, den Anwender in den Mittelpunkt seiner Überlegungen zu stellen, ergänzte der Analyst. Dabei seien die neuen, „digitalen“ Ideen immer mit dem zentralen Ziel und Zweck des Unternehmens zu verbinden. Schließlich sollte der CIO seinen C-Level-Kollegen helfen, zu verstehen, was alles möglich ist.
  • Scheuen Sie sich nicht, den Maschinen ein paar Entscheidungen anzuvertrauen!
    Der Fachbegriff dafür ist Advance Automated Decision Making. Es gibt schon einige Bereiche, wo Maschinen statt des Menschen entscheiden, beispielsweise bei der Einparkhilfe für Kraftfahrzeuge. Aber vor allem, wenn es um lebenswichtige Situationen geht, haben die Menschen Angst, die Kontrolle zu verlieren. Dabei sind maschinelle Entscheidungen unzweifelhaft schneller, konsistenter und objektiver. Hier heißt es, Vertrauen aufzubauen und eventuell eine letzte Illusion von Kontrolle zu erhalten, beispielsweise durch ein funktionsloses Lenkrad im selbstfahrenden Auto.
  • Denken Sie wirklich alles neu!
    Jedes Produkt, jeder Service, jeder Prozess und jedes Device wird früher oder später digital sein. Denken Sie sich einfach mal Sensoren und Connectivity zu allem hinzu. Sie sollten Ihr gesamtes Business-Modell einer solchen Denkübung unterziehen. Entwickeln Sie auch abwegige Ideen. Und erwarten Sie nicht, dass alles gleich funktioniert.
  • Führen Sie bimodale IT ein!
    Die Koexistenz zweier kohärenter IT-Modi (einer auf Zuverlässigkeit, einer auf Agilität getrimmt) gehört zu den Lieblingsideen der Gartner-Analysten. Stabilität und Schnelligkeit lassen sich so in der jeweils angemessenen „Geschwindigkeit“ vorantreiben.
  • Kollaborieren Sie!
    Werden Sie ein Anwalt für Industrie 4.0. Schließen Sie sich Peer Groups, Konsortien und Standardisierungsgremien an. Denn die besten Ideen müssen nicht zwangsläufig aus dem eigenen Unternehmen kommen.
  • Halten Sie die Augen offen!
    Die Dinge verändern sich – ständig. Erfolgreiche Unternehmen wie Google und Amazon wissen das. Sie sind immer auf der Suche nach neuen Entwicklungen und Möglichkeiten.

*Karin Quack ist als leitende Computerwoche Redakteurin für Themen rund um das IT-Management verantwortlich.


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