Intelligente Systeme als Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt

Über eines sind sich nahezu alle Experten einig: Mit Trends wie dem Internet of Things, Cognitive Computing oder zukunftsweisender Robotik hat die vierte industrielle Revolution begonnen. Damit endet aber auch schon die Übereinstimmung. [...]


LÖSUNG BEDINGUNGSLOSES GRUNDEINKOMMEN?
Die Frage ist dann nur, wie dieser Müßiggang finanziert werden kann. Interessanterweise tauchte Anfang 2016 diesbezüglich ausgerechnet auf dem World Economic Forum in Davos – nicht gerade ein Konvent linksradikaler Umstürzler – die Idee eines bedingungslosen Grundeinkommens auf. Hier sehen sich hochrangige Politiker und Wirtschaftsvertreter im Schulterschluss mit einem KI-Forscher wie Neil Jacobstein oder mit Joe Schoendorf.
Schoendorf wurde als Wagniskapitalgeber im Silicon Valley mit seiner Firma Accel Partners schwerreich – und er plädiert für eine andere Einkommensverteilung. Er ist der Meinung, dass die digitale Revolution Facebook, Google, Uber und all die anderen Internet-Konzerne reich machen, dabei aber Millionen von Arbeitsplätzen kosten wird. Wenn KI, verbaut in Robotern, einen Großteil der menschlichen Arbeiten erledigen werde, sei die Aufspaltung der Gesellschaft in Gewinner und Verlierer vorhersehbar.
UND WAS KÖNNEN SIE JETZT WIRKLICH?
Beim Blick auf die Arbeiten, die heute schon von KI, Robotern und Computersystemen erledigt werden, wird klar, wie nah die Zukunft an die Gegenwart herangerückt ist. Der Paketdienst Hermes und der Handelsriese Metro überlegen, zur Auslieferung von Paketen und Waren Roboter der Firma Starship auf deutschen Straßen zu nutzen. In Australien will die Pizzakette Domino`s ebenfalls Roboter für die Auslieferung einsetzen.
Frech werden die Burschen auch noch. Als „Sawyer“, ein neuer Logistikroboter bei der Deutschen Post, vorgestellt wurde, spöttelte der Moderator, Sawyer quietsche und werde wohl alt. Konterte Sawyer: „Netter Witz. Aber du hörst dich auch so an, wenn du läufst.“


Die Deutsche Bahn will innerhalb des nächsten Jahrzehnts fahrerlose Züge testen – Vorbild ist die U3 in Nürnberg. Im Hotel „Seltsam“ im japanischen Nagasaki erledigen Roboter den Zimmerservice. Das Fraunhofer-Institut testet Reinigungsroboter, die einmal Putzkolonnen ersetzen könnten. Im „Scientific Report“ berichteten australische Wissenschaftler vor einigen Wochen, dass sie ein KI-System mit Informationen zu einem ungelösten Problem aus der Quantenphysik gefüttert hatten. Das selbstlernende System benötigte eine knappe Stunde, um ein Lösungsmodell für die Aufgabe zu entwickeln.
Ein Watson-System von IBM wertet am Memorial Sloan Kettering Cancer Center in New York Abertausende von Studien aus, sichtet Röntgenbilder von Krebspatienten, stellt Diagnosen zu Krankheitsbildern und schlägt Behandlungsoptionen vor. Watson versteht zudem Sprache, kann also als Call-Center-Agent genutzt werden – etwa als Anlageberater. Der Schweizer Rückversicherer Swiss Re setzt Watson zur Schadensbegutachtung und Risikobewertung ein.
Computersysteme schreiben Pressenachrichten wie etwa zahlenorientierte Sportberichte, die von Softwaresystemen erstellt werden. Die in Hamburg ansässige Content Fleet (CF) GmbH lässt pro Monat bis zu 14.000 Geschichten von Software schreiben. Durch die Gazetten ging kürzlich der Kurzfilm „Sunspring“. Das Drehbuch hierzu schrieb ein Computer.
An der University von Utah wiederum entwickelten Wissenschaftler einen Algorithmus, der sich Gespräche zwischen Ehepartnern anhört und diese dann auf den Zustand ihrer Beziehung hinweisen kann. Das System stellt etwa fest, ob die Stimmen Emotionen ausdrücken, indem sie flattern oder verweint und brüchig klingen, vielleicht aber auch kräftig und selbstbewusst. In 79 Prozent aller Fälle lag der Computer in seiner Prognose richtig und schnitt damit besser ab als Paartherapeuten.
Das in San Francisco beheimatete Startup Momentum Machines wiederum hat einen Roboter entwickelt, der für den Einsatz in Burger-Ketten geeignet ist. Er kann Gehacktes zu einem typischen Burger formen, diesen je nach Kundenwunsch grillen (medium oder well-done) und mit weiteren Zutaten wie Tomaten oder Zwiebeln belegen. Andere Systeme wurden programmiert, um vorherzusagen, wie Patentrecht-Streitigkeiten vor dem Supreme Court ausgehen könnten.
Meist liegen sie mit ihrer Rechtseinschätzung besser als Fachjuristen. Das US-Startup Kensho hat sich wiederum auf Finanzanalysen spezialisiert. Seine Algorithmen sind in der Lage, vorherzusehen, was an der Börse mit Aktien von Tech-Unternehmen passiert, wenn in der Öffentlichkeit massivere Diskussionen wegen Datenschutzproblemen aufkommen.
DIE ZUKUNFT HAT LÄNGST BEGONNEN
Googles selbstlernende Deepmind-Software, Putzroboter, automatisierte Logistiksysteme, Diagnosecomputer, Therapiesysteme, Finanzanalyserechner – all diese Beispiele zeigen, wie wichtig künstliche Intelligenz und selbstlernende Systeme mittlerweile sind. Vor allem aber machen sie deutlich, dass die Zukunft längst begonnen hat.
*Jan-Bernd Meyer betreut als leitender Redakteur Sonderpublikationen und -projekte der COMPUTERWOCHE.


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