Interne und externe Netzwerke machen den Unterschied

Durch die radikalen Veränderungen in den Arbeitsstrukturen- und beziehungen sollte das Denken der Führungskräfte heutzutage nicht an den Grenzen der eigenen Abteilung enden. [...]

Dass Führungskräfte künftig Netzwerker sein müssen, ist nachvollziehbar. Doch warum „empathische“?

Barbara Liebermeister: Lassen Sie mich dies an einem Beispiel erläutern. Ich merke bei meiner Arbeit als Management-Beraterin immer wieder: Für manche Kunden arbeite ich gern, für andere weniger gern. Und das hat nichts mit dem Honorar zu tun, das sie mir zahlen, sondern damit: Wie funktioniert die Kommunikation? Fühle ich mich von ihnen, obwohl ich eine externe Beraterin bin, als Person wahr- und ernstgenommen? Wie verbindlich sind Absprachen? Und, und, und … Stimmt die Chemie, dann erbringe ich für Kunden auch gerne eine gewisse Mehrleistung, weil ich mich mit ihnen und ihren Zielen identifiziere.

DADURCH WIRD DIE BEZIEHUNG STABILER UND TRAGFÄHIGER
Ähnlich verhält es sich bei den Dienstleistern, die für mich arbeiten. Habe ich bei ihnen das Gefühl, dass sie mich und meine Bedürfnisse verstehen, bin auch ich für ihre Interessen offener, was sich positiv auf die Zusammenarbeit und somit die Ergebnisse auswirkt. Dadurch wird unsere Beziehung stabiler und tragfähiger. Wenn die Partner die Bedürfnisse des jeweils anderen respektieren und sich ernsthaft um die Beziehung bemühen, werden aus den ­ehemaligen Schnittstellen Nahtstellen, was letztlich zu Spitzenleistungen führt. Das setzt jedoch voraus, dass die Partner keine emotionalen Autisten sind, sondern ein Gespür fürihr Gegenüber haben.

Ihnen geht es also um die viel zitierte emotionale Intelligenz?

Barbara Liebermeister: Das greift mir fast zu kurz. Fachliche Kompetenz muss sich mit analytischer und emotionaler Intelligenz paaren, damit die größte Wirksamkeit entstehen kann. Deshalb verwenden wir in unserer Studie für diese „Symbiose“ den Begriff „Alpha Intelligence“, da aus unserer Warte die Menschen, die künftig die echten Leader in den Unternehmen sind – also die Personen, denen andere Menschen bereitwillig folgen – ein entsprechendes Persönlichkeits- und Kompetenzprofil haben.

Für das Gestalten der Beziehung mit ­anderen Personen und Organisationen stehen den Führungskräften heute deutlich mehr Medien beziehungsweise Kanäle zur ­Verfügung als früher.

Barbara Liebermeister: Ja. Das bedeutet aber noch lange nicht, dass sie bessere Netzwerker sind. Unsere Studie ergab unter anderem, dass heute fast allen Führungskräften bewusst ist, wie wichtig das Networking ist. So stimmten zum Beispiel über 80 Prozent der befragten Führungskräfte der Aussage zu, führen heiße heute, „sich täglich zu bewerben – bei seinen Mitarbeitern, Kunden und Geschäftspartnern“. Weitgehend einig zeigten sie sich auch bezüglich der persönlichen Eigenschaften, die eine Führungskraft in Zukunft neben den klassischen Management-Skills braucht, um erfolgreich zu sein.

Und welche wären das?

Barbara Liebermeister: Es handelt sich weitgehend um kommunikative Eigenschaften. In der Studie bejahten die Befragten vor allem zwei Aussagen: Eine Führungskraft muss „Informationen weitergeben statt sie als Herrschaftswissen zu betrachten“, und sie hat „Konflikte offen anzusprechen und mit allen Beteiligten zu klären“. Zudem werden Faktoren als wichtig erachtet, die auf eine gewisse Werthaltung der Führungs­kräfte hindeuten. So sind zum Beispiel 98 Prozent der Befragten überzeugt, eine Führungskraft müsse „wahrhaftig und glaubhaft auftreten“, und immerhin fast 90 Prozent be­tonen, eine Führungskraft müsse „die Individualität der Mitarbeiter achten“.

Das deutet doch darauf hin, dass die Führungskräfte bereits empathische Netzwerker sind.

Barbara Liebermeister: Ja, aber nur auf der rationalen Erkenntnisebene. Viele haben das hierfür nötige Denken noch nicht verinnerlicht. Also verhalten sie sich auch nicht so – speziell in virtuellen Teams.

Was veranlasst Sie zu diesem Schluss?

Barbara Liebermeister: Unter anderem eine Diskrepanz zwischen den Antworten der jüngeren und ­älteren Führungskräfte in unserer Studie. So erachten es zum Beispiel 85 Prozent der jüngeren, aber nur 63 Prozent der älteren Führungskräfte als sehr wichtig, dass Informationen regelmäßig weitergegeben und nicht als Herrschaftswissen zurückgehalten werden. ­Zugleich erwarten aber nur 36 Prozent der jüngeren Führungskräfte, dass die digitale Vernetzung sozusagen automatisch zu einer offene­ren und transparenteren Mitarbeiterführung führt, während 60 Prozent der älteren Führungskräfte hiervon überzeugt sind.

Demnach stehen jüngere Führungskräfte der Technik, wenn es um Vernetzung und Integration geht, kritischer gegenüber als ihre älteren Kollegen.

Barbara Liebermeister: Ja, ihnen ist stärker bewusst, dass allein dadurch, dass mehr Kommunikationskanäle zur Verfügung stehen, sich qualitativ noch nichts ändert, solange kein mentaler Turnaround in den Köpfen ihrer Nutzer erfolgt.

Wie erklären Sie sich diesen Befund?

Barbara Liebermeister: Zum einen haben die jungen Führungskräfte, die mit Collaboration und Social Networking aufgewachsen sind, offenbar ein feineres Gespür dafür, was deren Möglichkeiten, aber auch Grenzen sind, wenn es um zwischenmenschliche Kommunikation geht. Eine weitere Ursache dürfte sein: Die jüngeren Führungskräfte sind in der Unternehmenshierarchie in der Regel tiefer als ihre älteren ­Kollegen angesiedelt.

Deshalb machen sie im Betriebsalltag häufig die Erfahrung: Unsere Chef setzen uns zwar immer öfter in der elektronischen Kommunikation auf Kopie, wenn sie irgendwelche Entscheidungen treffen, sie binden uns aber nicht stärker in ihre Meinungs­bildungs- und Entscheidungsprozesse ein. Das heißt: Faktisch haben sie oft noch das alte Top-down-Denken verinnerlicht, selbst wenn sie glauben, bereits empathische Netzwerker zu sein.

*Hans Königes ist Ressortleiter Jobs & Karriere bei der computerwoche.de


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