Kampf der ERP-Titanen

Die Experten von Panorama Consulting haben untersucht, wie gut beziehungsweise schlecht ERP-Projekte der vier großen Anbieter Infor, Microsoft, Oracle und SAP laufen. Dabei wurde einmal mehr deutlich, dass die Implementierung eines neuen ERP-Systems den Verantwortlichen in den Unternehmen immer noch viel Kopfzerbrechen bereitet. [...]

Der Kampf zwischen den Tier-I-Anbietern im weltweiten Markt für Enterprise Applikationen geht unvermittelt hart weiter, konstatierten die Analysten von Panorama Consulting Solutions in ihrem jüngsten Vergleich „Clash of the Titans 2016“. Jeder der vier untersuchten Hersteller – Infor, Microsoft, Oracle und SAP – arbeitet mit Hochdruck daran, seine Produkte laufend an sich ständig ändernde Kundenanforderungen anzupassen, neue Markttrends aufzugreifen, zusätzliche vertikale Märkte mit neuen Lösungen zu adressieren und damit kontinuierlich die eigene Kundenbasis zu erweitern.

MARKTANTEILE: AUS DEM TRIO WIRD EIN QUARTETT
Unter den über 500 befragten Anwenderunternehmen kommt wie nicht anders zu erwarten SAP mit 23 Prozent auf den größten Marktanteil. Es folgen gleichauf Infor und Oracle mit jeweils 16 Prozent. Microsoft erreicht einen Anteil von neun Prozent. Damit vereinen die vier großen ERP-Titanen insgesamt 64 Prozent des Marktes auf ihrem Konto. Das restliche gute Drittel des Marktes teilen sich die Tier-II- und Tier-III-Anbieter, wobei die kleineren Tier-III-Protagonisten etwa ein Viertel des gesamten Marktvolumens für sich verbuchen können.

Der Gewinner scheint Infor zu sein. Der US-Anbieter, der in den früheren Vergleichen aus den Jahren 2014 und 2012 noch in die Riege der Tier-II-Anbieter eingereiht wurde, platzierte sich mit seinem Marktanteil von 16 Prozent in der aktuellen Untersuchung erstmals als eigenständiger Hersteller und machte aus dem Trio der zurückliegenden Jahre ein Quartett. Die anderen ERP-Anbieter ließen dagegen Federn und verzeichneten Rückgänge in ihren Marktanteilen. SAP kam vor zwei Jahren noch auf 26 Prozent (minus drei Prozentpunkte), Oracle auf 17 Prozent (minus einen Punkt) und Microsoft auf 11 Prozent (minus zwei Punkte).

Insgesamt scheint die Dominanz der großen Anbieter etwas zu schwinden. So tauchten die Namen von SAP, Oracle und Microsoft vor zwei Jahren noch wesentlich häufiger auf den Short Lists der Anwenderunternehmen auf, als im Rahmen der jüngsten Untersuchung. 2014 fand sich SAP noch in 51 Prozent der Auswahlprozesse in der letzten Runde – aktuell lag der Anteil noch bei 45 Prozent. Noch deutlicher gingen die Anteile bei Oracle – von 43 auf 31 Prozent – und bei Microsoft – von 32 auf 18 Prozent – zurück. Infor kam hier auf einen Anteil von acht Prozent.

Dafür liegt die Auswahlquote von Infor nur knapp hinter der von SAP. In 19 Prozent der Fälle, in denen Infor in der letzten Runde stand, gewann der Anbieter auch das Projekt. SAP kam hier auf einen Anteil von 21 Prozent. Oracle (14 Prozent) und Microsoft (neun Prozent) folgen auf den weiteren Plätzen.

Grundsätzlich mutmaßen die Analysten von Panorama Consulting, dass der hohe SAP-Anteil in der Projektauswahl auch auf den Namen und die Bekanntheit des Anbieters im Markt zurückzuführen ist. „Die Tatsache, dass der Name SAP auf vielen Short Lists auftaucht, bedeutet nicht zwangsläufig, dass die Unternehmen auch die richtige Entscheidung treffen, wenn sie SAP auswählen“, warnen die Marktbeobachter. Viele Anwenderunternehmen hätten schlichtweg nicht die richtigen Methoden und das notwendige Knowhow, um ERP-Systeme richtig bewerten und einordnen zu können. Anwender sollten sich von diesen Zahlen also nicht blenden lassen und automatisch darauf schließen, dass SAP angesichts der hohen Berücksichtigung in Auswahlprojekten auch immer die richtige Wahl sei.

ERP-EINFÜHRUNG DAUERT IMMER LÄNGER
Die Komplexität von ERP-Projekten hat sich offenbar nicht verringert – im Gegenteil. Die IT-Verantwortlichen haben nach wie vor mit langen Einführungszeiten zu kämpfen, die sich im Vergleich zur Umfrage vor zwei Jahren sogar noch verlängert haben und grundsätzlich immer länger dauern als ursprünglich geplant. Am längsten brauchen die Anwenderunternehmen für die Einführung von Microsoft Dynamics, nämlich 24,9 Monate und damit über zwei Jahre. Dieser hohe Wert ist insofern bemerkenswert, da die befragten Anwender in der Studie 2014 die Dauer für die Einführung einer Dynamics-Lösung noch auf 12,5 Monate taxierten – damals der beste Wert unter den drei untersuchten Anbietern.

SAP-Projekte dauern der aktuellen Studie zufolge 19,5 Monate (2014: 18,5 Monate) und Oracle-Einführungen 23,4 Monate (2014: 22,5 Monate). Am besten schnitt Infor mit einer Einführungszeit von 16,2 Monaten ab. Am schwersten planbar scheinen indes SAP-Vorhaben zu sein. Die Überschreitung des zuvor kalkulierten Zeit-Budgets ist an dieser Stelle mit 3,7 Monaten am höchsten. Ähnlich hoch ist das Zeitsaldo bei Microsoft-Projekten (3,5 Monate). Nur etwas besser schneidet Oracle ab (3,0 Monate). Infor-Einführungen können Anwender dagegen anscheinend besser kalkulieren. Hier liegt die Zeitüberschreitung bei durchschnittlich einem Monat.

Trotz der längeren Projektlaufzeiten scheinen die Unternehmen ihre ERP-Projekte besser im Griff zu haben. So lag die Differenz zwischen geplanter und realer Projektlaufzeit vor zwei Jahren zum Teil noch deutlich höher: im Microsoft-Umfeld bei vier Monaten und bei Oracle sogar fünf Monate. Lediglich SAP hatte im Rahmen der Umfrage aus dem Jahr 2014 mit 2,5 Monaten Zeitaufschlag besser abgeschnitten als aktuell.

Hauptgrund dafür, dass die Zeitbudgets überschritten werden, sind offensichtlich Defizite in der Projektplanung. 15 Prozent der Befragten gaben an, dass der ursprünglich geplante Projektumfang im Laufe der Umsetzung erweitert werden musste – was in der Folge natürlich längere Laufzeiten verursacht. Auch in den Umfragen der Vorjahre war dieser Punkt immer Hauptverursacher für nicht eingehaltene Zeitbudgets. Allerdings lag der Anteil der Nennungen mit 29 Prozent in den Umfragen 2014 und 2012 noch wesentlich höher. Offensichtlich bemühen sich die Verantwortlichen, ihre ERP-Vorhaben bereits im Vorfeld besser zu planen.

Probleme haben die Unternehmen auch mit Daten und der Technik – jeweils 14 Prozent gaben an, dass daraus verlängerte Projektzeiten resultierten. Auffällig an dieser Stelle: Vor zwei Jahren rangierte der Punkt Technik mit acht Prozent der Nennungen noch relativ weit unten in der Problemliste der Anwenderunternehmen. Es scheint demnach, dass die technische Integration von ERP-Systemen schwieriger geworden ist. Gerade die zunehmende Vernetzung mit verschiedensten anderen Systemen – on-premise wie in der Cloud – innerhalb der gesamten IT-Infrastruktur könnte ein Grund dafür sein.


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