KI & CO: Was die Markt- und Meinungsforschung in den kommenden Jahren bewegen wird

Thomas Schwabl, Geschäftsführer und Gründer des digitalen Markt- und Meinungsforschungsinstituts Marketagent, gibt einen Enblick in die zukünftigen Branchentrends. Artificial Intelligence, Virtual & Augmented Reality, Location Based Research und Implicit Measurement sind nur einige Buzzwords, die unser Branche in den nächsten Jahren maßgeblich verändern werden, so Schwabl über die wichtigsten Entwicklungen. [...]

Das sind die 15 Themen, die die Research Industrie in den nächsten Jahren auf Trab halten werden:

1. Die Digitalisierung schreitet voran
Die Digitalisierung ist nicht aufzuhalten und klassische Erhebungsmethoden verlieren weiter an Terrain. So wird die Online Forschung auch weiterhin an Boden dazugewinnen und ihre Stellung als wichtigste Erhebungsform ausbauen – nicht zuletzt bedingt durch den Rückgang an Festnetzanschlüssen und der immer weiter wachsenden Internetdurchdringung. Österreich hinkt dieser Entwicklung hinterher und daher ist das digitale Wachstumspotenzial nach wie vor positiv.

2. Mobile Research ist längst angekommen
Dass „online“ und „mobile“ auch in der Markt- und Meinungsforschung zunehmend verschmelzen ist schon lange kein Geheimnis. Heute sind Studien mit bis zu 40% Teilnahme über Smartphone und Tablet keine Seltenheit mehr. Diese Entwicklung in Richtung Mobile Research wird noch weiter Fahrt aufnehmen und stellt den Forschern einige Aufgaben. Responsive Design, also dass sich Inhalte und Darstellungsweisen auf das jeweilige Endgerät anpassen, ist bereits unabdingbare Grundvoraussetzung.

3. Soziale Netzwerke lösen nicht alle Fragestellungen
Social Media Monitoring gilt als DIE Marktforschungswunderwaffe. In der Theorie klingt es natürlich verlockend, wenn man „nur“ noch mitlesen und zuhören muss und sich das Fragen erspart. In der Praxis etablieren sich diese Tools als ausgezeichnete Ergänzung, das meist sehr spezielle Informationsbedürfnis der Auftraggeber kann damit aber oft nicht abgedeckt werden. Es wird spannend zu beobachten, inwiefern Umfragen in Zeiten der Omnipräsenz sozialer Netzwerke noch ihre Berechtigung haben.

4. Big Data Analytics wird groß
Egal, ob Surfverhalten im Internet, Bewegungsprofile via Smartphones, Kundenkarten oder Fitness Tracker: Das täglich anfallende Datenvolumen wird immer größer und dadurch für die Markt- und Meinungsforschung Abenteuerspielplatz und Herausforderung zugleich. Diese, in der Regel auf Messung basierenden Daten ermöglichen noch nie zuvor dagewesene Analysen und Auswertungen, die vielfach noch ungenützt sind. Hier wird die Marktforschung gefordert sein als Datenveredler aufzutreten und aus Rohmaterial Handlungsempfehlungen abzuleiten, also die enormen Datenschätze zu verdichten und zu interpretieren. Was mit Big Data jedoch nicht abgedeckt wird, ist die Frage nach dem „Warum“. Hier kann (nur) qualitative Marktforschung eine Antwort liefern.

5. Die Erhebung verliert an Bedeutung
Big Data & Co führen nicht zuletzt dazu, dass die primäre Datenerhebung vor der Krise steht und an Bedeutung verliert. Die Folge: Durch den zunehmenden Automatisierungsgrad werden Kosten reduziert und die Geschwindigkeit erhöht. Als Konsequenz sind Daten im Überfluss vorhanden und werden omnipräsent verfügbar sein. Als weiteres Problem zeichnet sich eine sinkende Teilnahmebereitschaft und ein rückläufiges Engagement der Respondenten ab.

6. Do it yourself Research boomt
Der Trend zum Selber machen ist längst in der Markt- und Meinungsforschung angekommen und auch im Umfrage-Geschäft bereits schlichtweg Realität. Auch zukünftig wird diese Entwicklung nicht aufzuhalten sein und immer mehr Firmen werden ihre Marktforschungsprojekte selbst in die Hand nehmen.

7. Der Kuchen wird kleiner

Die Research-Umsätze werden in Österreich in den nächsten Jahren tendenziell schrumpfen. Sowohl die fortschreitende Digitalisierung und die damit verbundene niedrigere Kostenstruktur als auch die zunehmende Internationalisierung, der intensive Preiskampf, die Automatisierung und die Methodenvielfalt hinterlassen ihre Spuren und zeichnen für den Strukturwandel verantwortlich.

8. Renaissance der qualitativen Marktforschung
Big Data und die wachsende Automatisierung tragen dazu bei, dass Daten bereits heute im Überfluss vorhanden sind. Die Informationsflut ist also hoch, doch inwieweit kann daraus überhaupt noch Wissen generiert werden? Abhilfe wird zukünftig wieder vermehrt qualitative Marktforschung schaffen, die tiefgehende Insights hervorbringt und in den kommenden Jahren eine Art Renaissance erleben wird. Bekräftigt wird dieser Aufwärtstrend vom wiederum sinkenden Anteil quantitativer Marktforschung.

9. Ein neues Berufsbild wird entstehen
Die Zeiten, in denen man sich hinter Tabellen und Charts verstecken kann, gehören der Vergangenheit an. Dies wirkt sich zwangsläufig auf das Berufsbild der Demoskopen aus, denn während die Erhebung in den Hintergrund tritt, nimmt die Bedeutung von Beratung, Consulting und Analyse zu. Der zukünftige Markt- und Meinungsforscher sollte daher ein Set an Skills mitbringen, das diese Kompetenzen miteinander vereint und vielmehr als „Data Scientist“ fungieren. Schließlich wollen aus der schier unendlich großen Menge an Daten Handlungsempfehlungen abgeleitet und Insights generiert werden.

10. Der Preis ist heiß
Insbesondere in der Online-Forschung wird mit harten Bandagen gekämpft. Der wachsende Automatisierungsgrad, der nicht aufzuhaltende Do it yourself Trend sowie der ausländische Mitbewerb verschärfen zusehends den Wettbewerb – mittlerweile auch in Österreich. Diese Abwärtsspirale bringt aber durchaus positive Effekte mit sich, die sich in verschiedenen Differenzierungsstrategien äußern. Neue – vorwiegend digitale – Tools und Investitionen in Qualität sind die Folge.

11. Investment in Qualität steigt

Die Research Industrie sieht sich gefordert, auf den Strukturwandel zu reagieren und ihre Position in Zeiten der voranschreitenden Automatisierung zu behaupten. Ein wesentlicher Schritt ist dabei das steigende Investment in Qualität. Die Anforderungen an das Panelmanagement, die Stichprobenziehung, das Feldmanagement und das Datencleaning haben massiv zugenommen, was am Ende der Datenqualität zugunsten kommt.

12. Sinkende Teilnahmebereitschaft
Die Frage „Wer mag noch?“ wird die Markt- und Meinungsforschung auch zukünftig nicht loslassen. Dass es zunehmend schwieriger und damit aufwendiger wird, Personen davon zu überzeugen ein paar Fragen zu beantworten ist ein methodenunabhängiges Phänomen. Während telefonische Befragungen unter dem Umstieg vom Festnetz auf das Handy leiden, ist im Falle von Online Befragungen zum einen die gestiegene Sensibilisierung, Daten im Internet bekannt zu geben spürbar. Zum anderen fühlen sich die potenziellen Teilnehmer zunehmend belästigt. Es wird daher die Notwendigkeit entstehen, imagebildende Maßnahmen einzuleiten.

13. Fragenbögen werden mit Leben befüllt

Survey Entertainment und Gamification sollen dazu beitragen der Teilnahmemüdigkeit entgegenzuwirken und langweiligen Fragebögen den Kampf anzusagen. Durch spielerische Elemente soll die Response erhöht und die Abbruchquote bei komplexeren Studien reduziert werden. Das Befüllen der Fragebögen mit Leben ist einer der Strategien, einer sinkenden Teilnahmebereitschaft entgegenzuwirken. Ein Responsive Design, das die Beantwortung eines Fragebogens auf sämtlichen Endgeräten ermöglicht, wird dabei zum Must Have.

14. Ländergrenzen verschwinden
Die wachsende Digitalisierung geht Hand in Hand mit einer zunehmenden Internationalisierung und macht auch vor der Markt- und Meinungsforschung nicht Halt. Die Forschung über die Ländergrenzen hinweg ist durch Online-Research spürbar einfacher geworden. Nicht zuletzt leistet auch Mobile Research seinen Beitrag, dass Market Research Aktivitäten ganz einfach über Ländergrenzen hinweg zur gängigen Marktpraxis werden. Eine zunehmende Zentralisierung der Market Research-Aktivitäten durch multinationale Konzerne ist die logische Konsequenz.

15. Neue Tools entstehen im Eiltempo
Durch die laufend weiterentwickelten technischen Möglichkeiten wächst das Instrumentarium und somit auch das Angebot an neuen, innovativen Tools und Methoden rasant. War Eye Tracking vor einigen Jahren noch das Maß aller Dinge, sprechen wir heute von Virtual & Augmented Reality, Implicit Measurement, Artificial Intelligence oder Behavioural und Location Based Research, also der Befragung eines Panelmitglieds aufgrund eines tatsächlichen Verhaltens oder einer örtlichen Position. Für die Markt- und Meinungsforscher eröffnet sich dadurch eine große Bandbreite an neuen Forschungsmöglichkeiten.

Fazit: Die Markt- und Meinungsforschung steht nicht vor, sondern befindet sich bereits mitten im Strukturwandel. Einerseits sorgt der wachsende Automatisierungsgrad dafür, dass die primäre Datenerhebung zunehmend an Bedeutung verliert. Daten werden immer günstiger verfügbar sein und Research Umsätze in nächster Konsequenz weiter sinken. Gleichzeitig ertrinken wir geradezu an Information, was den Bedarf an Insights und Handlungsempfehlungen ansteigen lässt. Die Research Industrie sieht sich demnach mit einem Branchenumbruch konfrontiert und wird gefordert sein, sich den neuen Gegebenheiten anzupassen.


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