Knowledge-Management: Wettbewerbsvorteil Wissen

Knowledge-Management ist nicht nur eine Frage der Technik. Unternehmen brauchen eine Strategie und entsprechende Prozesse, wenn sie von internem und externem Wissen profitieren wollen. [...]

Viele Unternehmen erleben derzeit einen strategischen Umbruch. Starre organisatorische Strukturen reiben sich an immer dynamischeren Abläufen. Rasche Änderungen externer unternehmerischer Größen erfordern eine hohe Flexibilität bei Entscheidungen. Letztere werden maßgeblich vom verfügbaren Wissen geprägt. Um Wissens-Management nachhaltig und erfolgreich im Unternehmen zu etablieren, braucht es Organisationsveränderungen – ein rein technisch geprägter Ansatz reicht dafür nicht aus.

Mitarbeiter und Führungskräfte sind daher gefordert, die organisatorischen und kulturellen Veränderungen, die sich durch das Wissens-Management ergeben, zu erlernen. Es genügt also nicht, etwas zu „installieren“. Auch die firmeninterne Google-Suche als Mittel zum Zweck zu sehen ist verkehrt. Erfahrungen zeigen, dass Suchmaschinen den Aufwand der Informationsbeschaffung nicht reduzieren – eher im Gegenteil!

WISSEN WIR, WAS WIR WISSEN?
Diese Frage lässt vermuten, dass wir eben nicht immer wissen, was wir uns als „Wissen“ bewahren, was wir mit „Das weiß ich“ oder „Das weiß man doch“ abtun. In Wirklichkeit ist Wissen das Ergebnis von Erkenntnis. Weitere Eigenschaften:

  • Wissen ist flüchtig.
  • Wissen veraltet.
  • Wissen verliert manchmal seinen Wahrheitsgehalt.
  • Wissen geht auch verloren.

Es gibt einen Kreislauf aus dem Erwerb neuen Wissens und dem Verlust von bestehendem Wissen. Experten schätzen, dass pro Jahr zirka fünf Prozent des weltweit vorhandenen Wissens verloren gehen.

WISSEN BESTIMMT UNSER HANDELN
Wissen als Ergebnis der menschlichen Informationsverarbeitung hilft uns, die richtigen Entscheidungen zu treffen. So weiß der Aktienhändler aus Erfahrung, dass er die Anteile des Unternehmens verkaufen sollte, von dem er eine Gewinnwarnung bekommt.

Die für den Wissensaufbau relevanten Informationen erreichen uns über unsere Sinnesorgane, besonders über das Ohr und das Auge, also über die verbale und schriftliche Kommunikation. Die Kommunikation ist der Teil des Wissens-Managements, der für den Transfer respektive den Transport von Information zuständig ist.

Information bildet den Gegenstand der Kommunikation, der Verteilung und der Verknüpfung von Wissen. Sie ist – im Beispiel die Gewinnwarnung – dann wertvoll, wenn der darin enthaltene Wert erkannt wird. Die menschliche Wahrnehmung in ihrer Komplexität ist bestrebt, Informationen zu bestehendem Wissen zu konsolidieren. Um erfolgreich zu handeln, braucht es daher bewertbare Informationen, die mit vorhandenem Wissen ver-glichen werden können. Die Herausforderung des richtigen Managements besteht also nicht im Horten von Information, sondern im Beimessen eines Nutzwertes zu einer Information, womit wieder Phänomene wie Erfahrung, Erkenntnis und Kognition ins Spiel kommen.

Wie wichtig die richtigen Informationen für das Handeln sind, zeigt auch eine Umfrage, die die Association for Information and Image Management (AIIM) und Accenture betrieben haben:

  • 47 Prozent der Mitarbeiter vertrauen nicht den Informationen, die ihnen vorliegen.
  • 42 Prozent der Führungskräfte nutzen mindestens einmal pro Woche falsche beziehungsweise überholte Informationen.
  • 59 Prozent der Mitarbeiter verfügen nicht über die Informationen, die sie dringend benötigen würden.
  • Nur 37 Prozent der CIOs glauben, genügend und aktuelle Informationen zu besitzen, um den Betrieb zu leiten.

Erst durch den Prozess des Erkennens wird Wissen zu dem, was es ist. Erst die Beschäftigung mit dem gelernten Wissen, die aktive Anwendung des Wissens, macht es für ein Unternehmen wertvoll. Folglich müssen Unternehmen heute mehr denn je die Kommunikationskanäle managen, die daraus gewonnenen Informationen zusammenführen, bündeln, strukturieren und ihre Relevanz für alle Prozesse beschreiben. Im zuletzt genannten Schritt müssen die so gewonnenen Wissensgehalte zur richtigen Zeit den richtigen Personen oder Prozessen zur Verfügung gestellt werden.

In den meisten Unternehmen bilden elektronische Dokumentenarchive und Datenbanken zentrale Wissensspeicher, zum Beispiel ein Data Warehouse, die im Idealfall mit den Wertschöpfungsprozessen des Unternehmens verbunden sind. Ein dediziertes Management des Wissens findet bislang jedoch nur in wenigen Fällen statt.

DYNAMIK DES WANDELS
Die Anforderungen an das „Wissens-Management“ in Unternehmen ändern sich mit der globalen Verfügbarkeit des Wissens der Menschheit. Die Einarbeitung in neue Wissensgebiete, die bis dato einen Spezialisten erforderte, funktioniert heute dank Youtube, Blogs, Foren und Wikipedia auch im Selbststudium. Sicher erfordern komplexe Abläufe wie zum Beispiel ein chirurgischer Eingriff auch zukünftig ein Studium durch Spezialisten. Aber der Aktienhandel etwa könnte grundsätzlich auch durch Internet-Recherchen erlernt werden.

Die Notwendigkeit des Managements von Wissen ist also nicht zuletzt die Folge der technologischen Evolution. Mit Beginn des Online-Zeitalters ist Wissen geprüft und ungeprüft überall verfügbar, wird Wissen permanent neu generiert und sozialisiert.

Ungleich schwieriger ist es, das implizite Wissen im Unternehmen zugänglich und damit nutzbar zu machen. Implizites Wissen ist personenbezogen. Es existiert in den Köpfen der Wissens- und Know-how-Träger, die oft aus egoistischen Gründen, aber auch aus mangelndem Wissen um den Wert ihres Wissens sparsam mit der Preisgabe ihrer Erkenntnisse umgehen. Unter dem Aspekt der Werthaltigkeit der Ressource „Wissen“ ist der Verzicht auf den impliziten Teil des Wissens in den Köpfen als Unternehmenswert gleichzusetzen mit einem Passivposten in der Bilanz.

WISSENS-MANAGEMENT 1.0
Seit vielen Jahren arbeiten Unternehmen daran, dieses Spezialistenwissen zugänglich zu machen. Im Wissens-Management 1.0 wurde viel mit wissenschaftlich erprobten Methoden experimentiert. Die Angst vor Verlust an Anerkennung und Kompetenz sollte durch die Installation geeigneter Anreizsysteme gemildert werden. Um das implizite Wissen methodisch zu erschließen, wurden beispielsweise Yellow Pages zur Verfügung gestellt. Aufwendig gepflegte Wissenslandkarten gaben Aufschluss darüber, wo im Unternehmen welches Wissen vorhanden ist.

Vereinfacht gesagt ging es darum, persönliches Wissen in eine Datenbank zu schreiben, dabei ein geeignetes Abstraktionsniveau zu finden, um es zugreifbar zu machen und irgendwie nützlich erscheinen zu lassen. Diese Art des Wissens-Managements ist im 21. Jahrhundert allerdings nicht mehr praktikabel.
WISSENS-MANAGEMENT 2.0
Um es vorwegzunehmen: Nein, es gibt kein neues Wissens-Management. Beim Wissens-Management 2.0 geht es nicht um Wissensdatenbanken, es geht vielmehr um die richtigen Informationen und die richtigen Netzwerke.

Um explizites und implizites Wissen für transaktions- und dokumentenbasierte Prozesse zu erschließen, ist die Identifikation der Aufgabe aus der vorhandenen Information für die Zuordnung zum richtigen Prozess entscheidend. Derzeit werden die bis dato relativ homogenen Eingangskanäle im Unternehmen – Papierpost, Fax und E-Mail – so organisiert, dass die Information vom Transportmedium getrennt und unter Einsatz von Erkennungstechniken in einen prozessorientierten Kontext gestellt wird.

So wird beispielsweise die Kundenreklamation direkt erkannt und ohne Umwege an den richtigen Servicemitarbeiter weitergeleitet. Die Bearbeitung von Aufgaben erfolgt elektronisch, das heißt mit Unterstützung elektronischer Anwendungen. In Datenspeichern werden elektronische Akten, Historien, Dokumente und Informationen aller Art aufbewahrt, die sich fallweise – teils automatisiert (regelgebunden) und teils manuell – zur Aufgabenbearbeitung hinzuziehen lassen. Business Automation ist eines der bekannten Schlagworte in diesem Zusammenhang. Erfolgreich ist diese Art der Bearbeitung aber nur, wenn keine heterogenen Datenhaltungssysteme zum Einsatz kommen. Diese verursachen erhebliche, meist manuelle Aufwände zur Pflege der Informationen.

WISSENS-MANAGEMENT + WEB 2.0
Der moderne Ansatz des Wissens-Managements erweitert den statischen Blick auf das Unternehmenswissen. Neue Technologien wie die des Web 2.0 eröffnen neue Wissensquellen und Kommunikationsarten. Und sie fördern die Partizipation beziehungsweise das Teilen von Wissen und Informationen.

Soziale Netzwerke haben sich mittlerweile als Informationsplattformen im privaten Umfeld, aber auch in den Firmen etabliert. Viele Unternehmer haben den Wert des impliziten Wissens ihrer Mitarbeiter erkannt und versuchen nun über Web-2.0-Anwendungen, zum Beispiel über die Einrichtung von Mikroblogs oder Wikis, die Kommunikation und damit den Wissensaustausch zwischen den Mitarbeitern zu fördern.

Beispiele für den effektiven Einsatz von Social-Networking-Werkzeugen sind:

  • Die gemeinsame Erarbeitung von komplexen Texten wie Angebotsschreiben bis hin zur Erstellung von Glossaren über Wiki-Technologien.
  • Die interne und externe Publikation von Informationen und Meinungen in Blogs und Podcasts. Das ergänzt die offiziellen Publikationskanäle.
  • Die Problemlösung komplexer Herausforderungen mittels Mikroblogs – im Gegensatz zum klassischen Weg via E-Mail.

Jeder Mensch ist Wissensträger und -empfänger, auch in der Firma. Niemand muss alles wissen. Wenn man weiß, wer das benötigte Wissen hat, ist schon viel geholfen. Im Web 2.0 „outen“ sich die Wissensträger durch „Tweets“ und „Posts“.

FILTERN UND KONSOLIDIEREN
Wissen ist heute global, überall verfügbar, sofort nutzbar und immer aktuell – diese Anforderungen zur Erkenntnis und Bewertung des Wissens gelten mehr denn je, handelt es sich doch nun um eine unüberschaubare Menge an Wissen, mit dem Unternehmen umgehen müssen.

Die Beherrschbarkeit der Informationsflut wird zunehmend als problematisch erkannt. Redundante Wissenspakete, die Alterung und Objektivierung des Wissens, die Unterscheidung zwischen Wahrheit und Lüge – das sind Themen, die Wissens-Manager beschäftigen. Denn nichts ist schädlicher als falsch bewertetes oder veraltetes Wissen im Unternehmen zu verwenden. Mehrfach vorhandenes Wissen wirft Fragen der Authentizität auf, der Verantwortlichkeit für die Aktualität, Pflege und Sicherung des Wissens.

Wenngleich es bereits gute Werkzeuge gibt, die das Internet nach Informationen durchforsten, diese lokalisieren und analysieren, so ist die Frage der Werthaltigkeit der gefilterten Information in Bezug auf die Erweiterung und Aktualisierung bereits vorhandenen Wissens für das Unternehmen die eigentlich entscheidende. Antworten darauf zu finden wird durch die Öffnung der Informationsströme in das Unternehmen und die Verbindung mit den internen Informationsmechanismen im Sinne des Wissenstransfers für die Firmen immer wichtiger. Filtern und konsolidieren, das sind die wesentlichen Anforderungen, die ein modernes Wissens-Management heute erfüllen muss.

AUSBLICK
Viele Wissens-Management-Projekte sind immer noch rein technologiegetrieben, nicht unternehmensstrategisch unterlegt.Wissen wird aber zunehmend die bestimmende Größe für die Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens im Markt sein. Immer mehr Unternehmen erkennen, dass Wissens-Management-Projekte keine reinen IT-Projekte sind, sondern strategische Vorhaben, die entsprechende Management-Vorgaben in Form von Zieldefinitionen bis hin zur Formulierung neuer Geschäftsmodelle erfordern.

Das Management von Wissen, die objektive Auswahl und die Weitergabe von Wissen werden stark an Bedeutung gewinnen. Dabei besteht die Kernaufgabe darin, die Fülle von Daten, individuellen Sichtweisen und Erfahrungshintergründen zu reflektieren und in ein „objektives“ Wissenspaket zu transferieren. Ziel muss es sein, Relevanzkriterien zu erarbeiten, die für alle gelten. Die Verantwortlichen müssen Verbindlichkeit herstellen und so einen gemeinsamen Wissenspool schaffen.

Ist diese Aufgabe gelöst, kann die Technik sinnvoll eingreifen und jedem das neu geschaffene gemeinsame Wissen in seiner Sicht verfügbar machen. Solange das aber nicht erreicht ist und Informationen nach wie vor in Stiller-Post-Manier weitergegeben werden, müssen wohl auch in Zukunft noch viele zugeben, was bereits Sokrates vor fast 2500 Jahren formulierte: „Ich weiß, dass ich nichts weiß.“

* Guido Schmitz ist Vorstand Marketing & Vertrieb der Pentadoc Consulting AG, Karl-Ludwig Schmitz ist Senior Berater der Pentadoc Consulting AG. Der Artikel stammt von der deutschen Computerwoche.


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