Leitfaden: Einstieg in die Welt des Onlineradios

Die UKW-Ära geht zu Ende. Doch während DAB+ als Nachfolger postuliert wird, gibt es eine viel bessere Möglichkeit: Radio über das Internet mit Musik aus der ganzen Welt. Dieser Leitfaden zeigt Ihnen den besten Einstieg und worauf Sie dabei achten sollten. [...]

(c) pixabay.com

Für die meisten von uns ist ein Radio die simpelste aller Musik– und Informa­tionsquellen: Man dreht am Knopf, bis das Rauschen aufhört und der gewünschte Sender gefunden ist. Oft genug ist es das Schicksal eines Radios, von seiner ersten Minute bis ans Ende seiner Tage denselben Sender zu spielen. Aber vielleicht liegt das auch daran, dass zu wenig Sender in Reichweite sind, die den persönlichen Geschmack treffen.

Allerdings hat der Knopf für die Sender­suche bald ausgedient, denn die Tage von UKW sind gezählt. Die Zukunft der terrestrischen Verbreitung über Antenne gehört den digitalen DAB-Geräten, die eine deutlich bessere Qualität liefern als ein gemeiner Volksempfänger. Grundsätzlich sind diese Geräte in allen Preisklassen vertreten und bieten neben dem Empfang des Signals auch weitere Eigenschaften wie Senderspeicher, die Blue­tooth-Anbindung des Smartphones und mehr. Zu den edelsten Modellen gehört das RADIO 3SIXTY von Teufel (349,99 Euro, gesehen bei teufelaudio.at), Bild 1. Allerdings gibt auch das teuerste DAB+-Radio nur wieder, was es über die Antenne empfangen kann. Und damit deckt DAB+ nur die regionalen und grenz­nahen Programme ab.

Bild 1: Das edle RADIO 3SIXTY von Teufel versteht sich mit DAB+, Internetradio und Streamingdiensten (c) PCtipp.ch

Internetradio: alles Gute!

Beim Internetradio präsentiert sich die Ausgangslage völlig anders – und wenn Sie vor der Anschaffung eines DAB-fähigen Radios stehen, sollten Sie diesen Übertragungsweg als mögliche Alternative ins Auge fassen. Denn die meisten Radiosender verbreiten ihr Programm nicht nur über Funk, sondern auch im Internet – oder sogar ausschließlich im Internet. Das ist kein Problem, denn heute noch jemanden zu finden, der keinen Internet­zugang hat, ist fast unmöglich – und sei es nur über das Smartphone.

Beim Internet als Übertragungsweg fallen alle Hindernisse, die sich durch grosse Distanzen ergeben. Wenn Sie in den letzten Ferien in Australien Ihren Lieblingssender gefunden haben, dann stehen die Chancen gut, dass er auch in der Schweiz via Internet zu empfangen ist. Und über Wi-Fi hören Sie sogar das lokale Programm im tiefsten Keller, wo sich kein UKW- oder DAB-Signal mehr hintraut.

Ein erster Eindruck von der Vielfalt ist schnell gewonnen. Rufen Sie im Browser die Adresse radio.de auf. Geben Sie einen Suchbegriff ein, Bild 2 A, und blättern Sie durch die Liste der gefundenen Radiostationen B. Mögliche Suchbegriffe sind Länder, Städte, der Name der Radiostation und mehr. Über der Auflistung warten zudem Kategorien C wie etwa lokale Sender oder Musikrichtungen. Alle Radiostationen sind kostenlos zu empfangen und finanzieren sich durch die klassische Radiowerbung.

Bild 2: Die Website radio.de bietet praktische Suchfunktionen und vermittelt einen guten Vorgeschmack auf die Vielfalt der Internetradiosender (c) PCtipp.ch

Wenn Sie etwas visueller durch fremde Kontinente stöbern möchten, steuern Sie die Website radio.garden an. Hier sehen Sie, wie unglaublich viele Sender sich über den Globus verteilen, Bild 3. Sie können in die Karte hineinzoomen, die Weltkugel drehen und jeden grünen Punkt anklicken, um den zu­gehörigen Sender abzuspielen.

Bild 3: Es ist schier unglaublich, wie viele Radiostationen aus aller Welt im Internet vertreten sind. Im Bild: radio.garden (c) PCtipp.ch

Der Datenverbrauch

Die übertragene Datenmenge wird vielleicht zum Thema, wenn Sie Internetradio unterwegs oder im Auto hören und die Verbindung über das Smartphone erfolgt. Die Standardqualität, die einem guten Radioprogramm gerecht wird, verbraucht ungefähr 128 Kbit/s. Das läuft auf 56,2 MB pro Stunde hinaus. Wenn Sie also jeden Monat an 20 Tagen pendeln und zwei Stunden lang Internetradio hören, wird das Mobilfunkkontingent mit etwa 2,3 GB belastet. Überprüfen Sie die Einstellungen in der verwendeten App, denn meistens lässt sich die Datenrate manuell festlegen, indem Sie sich zwischen gering, Standard oder hoch entscheiden. Und wenn nicht, sollten Sie vielleicht eine bessere App in Erwägung ziehen.

TuneIn, der Platzhirsch

Bild 4: TuneIn wirkt wie viele andere Musik-Apps,
ist für Internetradio jedoch
eine der wichtigsten (c) PCtipp.ch

Die beiden erwähnten Websites zeigen, wie zugänglich das weltweite Radio dank Internet heute ist. Doch nur die wenigsten von uns möchten sich dabei vor den PC setzen und mit dem Browser hantieren: Stattdessen soll die Bedienung möglichst einfach über eine App oder ein Gerät funktionieren. Wenn Sie sich mit dem Thema etwas beschäftigen, stoßen Sie rasch auf den Dienst TuneIn (tunein.com), der auf den ersten Blick sehr viel mit radio.de gemein hat. Der Unterschied liegt darin, dass TuneIn fast schon als Referenz gilt.

TuneIn wird in einer kostenlosen Ausführung angeboten, während der Premium-Dienst happige 10 Euro pro Monat kostet. Dafür lassen sich Sendungen aufzeichnen und es wird auch keine Werbung eingeblendet, die beim Gratisdienst nach wenigen Sekunden das Albumcover versifft. Allerdings stört diese Werbung nur, solange Sie innerhalb der App hantieren, Bild 4. Sobald die Wiedergabe läuft und Sie sich anderen Dingen zuwenden, werden Sie von der Werbung nichts mehr mitbekommen. Deshalb ist das kostenlose Angebot von TuneIn der bestmögliche Start, um in dieses Thema hineinzuhören. Die App für iOS finden Sie unter dem Link, die Android-Version finden Sie hier.

TuneIn & Google Assistant

TuneIn ist in jedem smarten Lautsprecher installiert, der mit dem Google Assistant arbeitet. So wird der Zuruf «Hey Google, spiele Radio SRF 3!» mit «Okay, hier ist SRF 3 auf TuneIn» beantwortet. Die Wiedergabe lässt sich jederzeit mit einem Tippen auf das Gerät pausieren. Das klingt sehr komfortabel, doch manchmal braucht es mehrere Anläufe, um einen Sender über einen Sprachbefehl korrekt aufzurufen, was oft einem seltsamen Namen aus Buchstabensalat geschuldet ist. Deshalb wird es ein wenig anstrengend, wenn Sie gerne zwischen den Stationen wechseln.

TuneIn & Apple

Seit kurzer Zeit ist TuneIn auch in den HomePods von Apple verbaut, und zwar in den USA sowie in ganz Europa – außer in der Schweiz. Auf das Kommando «Hey Siri, spiele Radio!» bekommen wir hierzulande nur «Apple Music 1» zu hören, Apples Haussender.

Allerdings lässt sich TuneIn (oder eine beliebige andere Radio-App) auf dem HomePod wiedergeben, indem der smarte Lautsprecher als Ausgabegerät via Wi-Fi angesprochen wird. Diese Umleitung der Musik kann innerhalb der App erfolgen, doch die HomePods punkten mit Raffinesse: Wird das iPhone in seine unmittelbare Nähe gehalten, leitet es die Tonwiedergabe auf den HomePod um, Bild 5. Den HomePod gibts zum Beispiel bei Apple für 99 Euro.

Bild 5: Allein die Nähe der Geräte reicht, damit der HomePod die Audio-Ausgabe des iPhones übernimmt (c) PCtipp.ch

Suchen Sie einfach in der TuneIn-App den gewünschten Sender und bringen Sie die beiden Geräte zusammen. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich auf dem iPhone um eine Radio-App, ein Spiel, ein YouTube-Video oder um einen Telefonanruf handelt: Alles wird zum HomePod durchgeschleift.

TuneIn im Auto

In jedes Auto gehört ein Radio, so der breite Konsens. Wobei «Radio» eine schamlose Untertreibung ist, denn heute thront an der Stelle des simplen Empfängers eine multi­mediale Konsole mit Musik, Navigation, Telefonie und vielem mehr. TuneIn will auch hier mitspielen. Die App wird deshalb nicht nur für Android und iOS angeboten, sondern auch für Apples CarPlay und Googles An­droid Auto. Damit wird eine nahtlose Integration ermöglicht, indem die Bedienung über das Touch-Panel im Auto erfolgt; die Internetverbindung stiftet das Smartphone.

Bild 6: Der Adapter von Baseus bringt
Internetradio auch in das älteste Auto
(c) PCtipp.ch

Tipp: Wenn Ihr Fahrzeug nicht mit CarPlay oder Android Auto ausgestattet ist, gibt es trotzdem Hoffnung. Der «Baseus T typed S-09A» wird im Auto in den 12-Volt-A­nschluss gesteckt und dadurch mit Strom versorgt, Bild 6. Er verbindet sich über Bluetooth mit dem Smartphone, um die Internetradiostationen zu empfangen. Die Musik wird sofort auf einer UKW-Frequenz ausgestrahlt, die wiederum vom Autoradio empfangen wird. Die Reichweite beträgt etwa 10 Meter, aber das ist mehr als genug. Auch die Ver­wendung als Freisprechanlage ist möglich. Er­warten Sie besser keine Wunder, aber in An­betracht des Preises hält sich das Risiko in Grenzen. Gesehen für 21,90 Euro bei Mediamarkt.

Apples Dockingstation

Ein in die Jahre gekommenes iPhone gibt immer noch ein ausgezeichnetes Webradio ab, wenn es mit einem externen Lautsprecher verbunden wird. Das iPhone Lightning Dock kostet 55 Euro und ist direkt bei Apple erhältlich, Bild 7. Das Gerät steht ohne weitere Stützen fest im Lightning-Sockel, der auch den Strom und die Daten überträgt. Verbinden Sie das Dock mit einer Steckdose und schon kann es losgehen. Sie könnten Musik über Bluetooth übertragen, doch über die Klinkenbuchse an der Rückseite ist auch eine Kabelverbindung kein Problem. 

Bild 7: Das unauffällige Apple-Dock ist perfekt, um das iPhone mit Lautsprechern zu verbinden (c) PCtipp.ch

Ein richtiges Sound-Dock

Bild 8: Das Soundform Elite von Belkin lädt
das Smartphone im Dauerbetrieb
kabellos (c) PCtipp.ch

Wenn Sie eine Radio-App sorglos vor sich hin dudeln lassen möchten, empfiehlt sich ein spezialisiertes Sound-Dock wie das Soundform Elite von Belkin, Bild 8. Das eingelegte iPhone oder Android-Smartphone wird bei diesem Gerät zwar nur kabellos über den Qi-Standard geladen, doch der Komfort ist entsprechend hoch und einer Endlosberieselung steht nichts im Weg. Der Lautsprecher kommt mit integriertem Google Assistant und lässt sich deshalb vom aufgelegten Smartphone oder von einem beliebigen Chromecast-fähigen Gerät im selben Wi-Fi-Netz bespielen. Alternativ gibt es das Dock auch mit AirPlay-2-Unterstützung (gesehen bei Amazon für ca. 207 Euro).

Radiowecker mit Google

Die Smart Clock von Lenovo ist fürs Schlafzimmer wie gemacht (gesehen bei idealo.at für 59,90 Euro). Im Innern ist der Google Assistant verbaut und damit auch ein Mikrofon, aber keine Kamera, Bild 9. Das kleine Gerät kann alles, was der Assistant kann, etwa die Kamera im Kinderzimmer abfragen oder am Morgen das aktuelle Wetter anzeigen. Vor allem aber macht die Smart Clock eine gute Figur als Internetradiowecker: «Hey Google, wecke mich um 6 Uhr mit Radio FM 1». Aller­dings soll nicht verschwiegen werden, dass das jeder Lautsprecher mit Google Assistant kann, auch wenn er kein Display mitbringt. 

Bild 9: Die Smart Clock von Lenovo empfiehlt sich als kommunikationsfreudiger Wecker (c) PCtipp.ch

Smartphone als Wecker

Wenn Sie sich keinen Assistenten ins Schlafzimmer holen möchten, dann reicht vielleicht eine einfache App, etwa der kostenlose «bedr Radiowecker», den Sie hier laden, Bild 10. Stellen Sie den Wecker, wählen Sie eine Internetradiostation und das wars. Sie können das Smartphone jetzt verriegeln; es wird zur gewünschten Zeit losdudeln. Am schönsten weckt es sich natürlich, wenn das Smartphone an einem externen Lautsprecher hängt. Der große Bruder «bedr Pro» wird für etwa 2,29 Euro angeboten und funktioniert werbefrei.  Eine so praktische App wie «bedr» werden Sie für das iPhone leider nicht finden. Es werden zwar Radiowecker-Apps angeboten, doch die können ihren Dienst nur antreten, wenn das iPhone entriegelt ist und die App läuft – und das ist keine sehr prickelnde Vorstellung.

Bild 10: Die «bedr»-App macht aus jedem
Android-Smartphone einen Radiowecker
(c) PCtipp.ch

HomePod-Radiowecker?

Der Apple HomePod Mini liefert eine so hohe Tonqualität, wie man es sich für einen Radiowecker nur wünschen kann. Internetradio gehört jedoch nicht zu seinem Repertoire. Sie können als Weckton zwar eine beliebige Wiedergabeliste aus Apple Music zusammenstellen, doch davon abgesehen stehen gerade einmal drei Radiostationen von Apple Music zur Auswahl, Bild 11. Eine davon mit Country-Musik – und die ist als Weckmelodie doch eher fragwürdig.

Bild 11: Auf dem iPhone oder HomePod bietet Apple nur
drei mickrige Sender (c) PCtipp.ch

Fazit: ausprobieren

Auf Internetradio müssen Sie sich ein wenig einschießen, um ein Gefühl für die Sache zu entwickeln. Beginnen Sie mit der kostenlosen Version von TuneIn, um sich warmzumachen. Idealerweise verwenden Sie einen externen Lautsprecher oder ein Sound-Dock, denn das Experiment soll nicht an einer schlechten Tonqualität scheitern. Wenn Sie mit TuneIn nicht zufrieden sind, werden Sie zahlreiche andere Apps finden – eine davon trifft Ihren Geschmack bestimmt.

Überprüfen Sie außerdem Ihre smarten Geräte. Vielleicht ist der Receiver unter dem Fernseher bereits qualifiziert. TuneIn und andere Apps werden auch für Apple TV ange­boten (die Medienbox, nicht der Streaming-dienst) oder für die meisten Smart-TVs. Durchsuchen Sie den jeweiligen App-Store. Ansonsten können Apple-Nutzer mit den HomePods nichts falsch machen, während Android-Fans eher zu einem Lautsprecher mit Google Assistant greifen. Und vielleicht kommen Sie zum Schluss, dass es DAB+ als Wachablösung für UKW gar nicht braucht, denn dem Internetradio gehört die Zukunft.


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