Logistik dank IT im Umbruch: Vom Barcode über RFID bis zum Warenhausmanagement

Der Konkurrenzkampf und der hohe Druck, die Logistikkette möglichst effizient zu gestalten, zwingen die Transport-Dienstleister zu ständigen Innovationen. Die Informationstechnologie ist dabei ein unentbehrlicher Helfer. Egal ob ob es sich um Radio Frequency Identification, WLAN oder Paketverfolgung handelt – bei der Einführung von neuen IT-Technologien ist die Transportbranche immer vorne mit dabei. [...]

Ein wesentlicher Teil des IT-Einsatzes in der Transportbranche besteht darin, Dilemmata wie das zwischen minimalem Warenbestand und maximaler Liefertreue zu lösen. Die idealtypische Logistik käme hiernach ohne große Lager aus und alle Warenbewegungen wären so aufeinander abgestimmt, dass ein ununterbrochener Materialfluss entsteht. 
Um dem Idealtypus möglichst nahe zu kommen, werden IT-Systeme eingesetzt. Sie gewährleisten eine vorausschauende Planung und Steuerung des Materialflusses, berechnen Abläufe voraus und optimieren sie. Auch ganz rudimentäre logistische Prozesse, etwa in der Intralogistik bei Wareneingang oder -ausgang, laufen heute IT-gestützt ab. Nähert man sich der Logistik aus abstrakter Sicht von oben, gilt es, alle Informations-, Material- und 
Finanz-Flüsse möglichst optimal zu steuern. In dieser Supply Chain bildet das Lager- und Transportwesen eines der wichtigen Glieder. Supply Change Management soll dafür sorgen, dass die „Seven Rights“ der Logistik erfüllt werden: Dabei gilt es, das richtige Gut in der richtigen Menge, im richtigen Zustand (in der richtigen Qualität), am richtigen Ort, zur richtigen Zeit, für den richtigen Kunden und zu den richtigen Kosten bereitzustellen.
Viele Firmen nutzen ERP-Systeme zur internen Überwachung und Steuerung der Materialflüsse. Alle großen ERP-Anbieter bieten zu logistischen Funktionsbereichen wie Materialwirtschaft und Lagerverwaltung Module an, so dass ein ERP-System durch „Customizing“ an individuelle Bedürfnisse angepasst werden kann. Allein auf dem deutschen Markt werden derzeit mehrere hundert verschiedene ERP-Systeme angeboten. Marktführer mit etwa 30 Prozent Anteil ist SAP ERP.

WAREHOUSE MANAGEMENT

Höhere Ansprüche, insbesondere solche von Logistik-Dienstleistern und von Unternehmen mit großen Warenlagern und Distributionszentren, können einfache ERP-Systeme nicht ausreichend bedienen. In diesem Segment tummelte sich früher spezielle Lagerverwaltungs-Software, die aber heute weitgehend von Warehouse-Management-Systemen (WMS) abgelöst wurden.
Der Leistungsumfang moderner WM-Systeme geht weit über die reine Bestandsführung und Lagerverwaltung hinaus. Vielmehr übernimmt das Warehouse 
Management die gesamte Steuerung, Kontrolle und Optimierung komplexer Lager- und Distributionssysteme. 
Dazu gehört die Verwaltung von Lager
positionen von Artikeln in Hochregal- oder Kleinbehälterlagern, die Administration von Wareneingang und -versand, die Mengenverwaltung, die Optimierung von Wegen und Packreihenfolgen und die Zusammenstellung von Waren zu versandfertigen Positionen. Ein WMS stellt meist auch sicher, dass die gewünschte Ware über interne Förderanlagen an die Position kommt, die für die Ware bestimmt ist. WMS sind recht anspruchsvolle Software-Werkzeuge. „Sie zählen zu den komplexesten Software-Systemen, die wir überhaupt in der Industrie haben“, sagt Professor 
Michael ten Hompel, Leiter des Fraunhofer Instituts für Materialfluss und Logistik. Ein Grund ist die hohe, sehr spezifische Flexibilität, die die Systeme bieten müssen. So muss sich beispielsweise bei einem Buchversender wie Amazon das Verhalten des WMS völlig ändern, wenn ein Best
seller einen plötzlichen Auftragseingangsschwung bringt. 
Ergänzt werden WMS bei Logistik-Unternehmen durch Transport-Management-Systeme (TMS), mit denen die begrenzten Transport-Ressourcen geplant, gesteuert und verwaltet werden. Oft kommt es dabei darauf an, zahlreiche Systeme unterschiedlicher Lieferanten zum Teil weltweit zu vernetzen, damit der Datenfluss entlang der Lieferkette nicht abreißt.
In der innerbetrieblichen Logistik, der 
Intralogistik, müssen Waren identifiziert und Daten erfasst werden. Dies erfolgt heute weitgehend mobil und IT-gestützt durch Automatische Identifikation und Datenerfassung (Auto-ID). Die Warenerfassung kann so etwa gleich im Anlieferbereich stattfinden. Eingesetzt werden dabei Technologien wie Barcode, Smart Label, Mobile Datenerfassung und RFID. 

INNERBETRIEBLICHE LOGISTIK

Die wichtigste Auto-ID-Technik ist immer noch der Barcode. Entweder wird dieser wie im Einzelhandel direkt auf die Verpackung der Objekte geheftet oder aber bei der Palettenkennzeichnung auf ein Etikett gedruckt, das dann an das Objekt geklebt wird. Der Barcode wird derzeit durch RFID erweitert. Radio Frequency Identification (RFID) verwendet Funk-Mikrochips, um kabel- und berührungslos Informationen von Schreib- und Lesegeräten zu übertragen. Der Vorteil: Mit RFID lassen sich alle relevanten Gegenstände vollautomatisiert und berührungslos erfassen. 
RFID gilt als Schlüsseltechnologie der nächsten Jahre und ersetzt den Barcode weitgehend. Unter anderem erlaubt sie hochpräzises Erfassen von Daten, lückenlose Waren-Nachverfolgung entlang der Lieferkette, Optimierung des Wareneingangs und -versands und eine hocheffiziente Organisation von Warenlagern.
Hinderlich ist die Bauform von RFID-Transpondern. Besser geeignet sind Smart Labels, die Barcode und RFID vereinigen. Sie lassen sich ähnlich wie Papieretiketten verarbeiten und mithin auch überall einsetzen, wo bislang etikettiert wird. Zweitens können sie zu Preisen hergestellt werden, die Anwendungen im Massenbereich und insbesondere Einweg-Anwendungen erst ermöglichen.

WLAN-ERFASSUNG

Ein großes Thema in der Intralogistik sind WLANs. Die drahtlose Kommunikation wird hier vor allem genutzt, um Informationen zum mobilen Arbeitsplatz zu bringen. Durch die Erfassung vor Ort lassen sich beispielsweise Daten über Lager
bestände und Lagerorte per WLAN weitergeben, Transportfahrzeuge wie Gabelstapler können drahtlos angefunkt werden. „Zunehmend genutzt werden WLANs auch für fest installierte Systeme, einfach, um sich die Verkabelung zu ersparen“, erklärt Logistiker Michael ten Hompel.
WLANs können vor allem auch zur Lokalisierung eingesetzt werden. MobileWork-locate ist beispielsweise ein WLAN-basierendes Lokalisierungssystem für die Ortsverfolgung von wertvollen Gütern. Ausgestattet mit einem Notebook, Tablet oder Barcode-/RFID-Lesegerät ist es möglich, zu jeder Zeit die jeweilige Position des zu ortenden Gegenstandes festzustellen. 

GSM, GPRS UND CO.

Während WLANs in der internen Logistik im Eigenbetrieb eingesetzt werden, nutzt man in der externen Logistik zur Lokalisierung meist die Angebote öffentlicher Provider via GSM-, GPRS- und UMTS-Technologie. GSM-/GPRS-Technologie ergänzt Barcode-Scanner, wenn es darum geht, an Warenumschlagsorten die Aufenthaltsdaten der Waren in Echtzeit an den Sender beziehungsweise den Empfänger zu übertragen. So ist eine optimale Nachverfolgung garantiert. 
GSM wird vor allem auch für Tracking and Tracing genutzt. Die meisten Transport-Management-Systeme enthalten ein solches Modul, mit dem jederzeit einsehbar ist, wo sich ein Packstück gerade befindet und wer gerade am Transport beteiligt ist. „Heute kann man von einem Logistik-Dienstleister erwarten, dass er ein entsprechendes Tracking-and-Tracing-System für seinen Kunden anbietet“, ist Michael ten Hommel überzeugt.
Zur Paketverfolgung werden die Pakete mit einem Barcode oder RFID-Chip versehen. Darauf gespeichert sind die Adresse in menschenlesbarer Form, eine eindeutige Trackingnummer sowie maschinenlesbare Routinginformationen, die den Weg des Pakets vom Absender bis zum Ziel beschreiben. Ein Servicecode kann zudem angeben, welche Priorität eine Sendung hat.
Diese Daten ermöglichen eine eindeutige Identifikation des Packstücks zu jedem Zeitpunkt des Transports. Automatische Sortierstationen erkennen anhand der Etiketten, wohin das jeweilige Paket geleitet werden soll. Der Scanvorgang wird dann in einer zentralen Datenbank gespeichert. Die entsprechenden Daten werden über GSM an den Logistik-Dienstleister oder Paketdienst übermittelt. Je nach dem vereinbarten Servicelevel bekommen die Beteiligten, beispielsweise der Empfangsspediteur oder der Empfänger, bestimmte Nachrichten und Statusmeldungen in Echtzeit zugestellt. Sowohl die Kunden als auch der Logistik-Dienstleister können so jederzeit nachvollziehen, wo sich ein Paket befindet.
In Flottenmanagement-Systemen führt GSM-/GPRS-Technologie zu mehr Sicherheit und zu einem effektiveren Einsatz der Ressourcen. So werden wichtige Betriebsdaten eines LKWs wie etwa Reifendruck, Ölstand oder die Temperatur im Tiefkühlcontainer in Echtzeit an die Zentrale gemeldet. Das Logistikunternehmen kann so auf drohende Fehlfunktionen rechtzeitig reagieren. Logistik-Manager können mithilfe der Ortungsfunktionen ihre Flotte besser auslasten und ihre Produktivität erhöhen. 

AUSBLICK

Gegenwärtig steht die Branche vor einer gravierenden Wende hin zu echtzeitnahen, dezentralen, individuellen, flexiblen und adaptiven Lösungen. So sollen künftig RFID-Tags und die Gegenstände, an denen sie befestigt sind, zu eigenständigen intelligenten Objekten werden, die ihren Weg selbst finden und die Systeme steuern, in denen sie sich bewegen. Analog wie heute die Datenpakete unserer E-Mails ihren Weg im Netz der Netze von einem Internetknoten zum nächsten finden, sollen künftig die Pakete, Paletten und Behälter im logistischen Netzwerk selbständig ihren Weg finden. 
* Der Verfasser Klaus Manhart ist freier Autor für IT und Wissenschaft. Er schreibt Fachbeiträge für die COMPUTERWELT und andere deutschsprachige Medien.

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