Lokalisierung von Content: Mehr als nur übersetzen

Mehrsprachigkeit in der Dokumentenverarbeitung: In Ländern wie Indien, Kanada und der Schweiz ist sie ein Muss. Aber auch Unternehmen, die in der Kundenkommunikation mehr als das notwendige Minimum bieten wollen, kommen daran nicht vorbei. Fakt ist: In der Multikulti-Gesellschaft von heute ist für immer mehr Menschen die primäre Landessprache nicht unbedingt auch die Muttersprache. Warum also diesen Umstand nicht als Wettbewerbsvorteil nutzen und Inhalte entsprechend anpassen? [...]

Ausgangspunkt ist die Tatsache, dass es im Dokumenten- und Output-Management heute um Inhalte (Content) geht. Diese müssen je nach Ausgabekanal in der vom Empfänger gewünschten Sprache aufbereitet werden. In diesem Zusammenhang nur von einer Übersetzung von Texten zu sprechen, greift zu kurz. Nicht umsonst spricht man in diesem Zusammenhang von Lokalisierung.

STUFE 0 – KEINE LOKALISIEURNG

Um die Relevanz und Komplexität des Themas besser verstehen zu können, bietet sich ein Gedankenspiel mit verschiedenen Schwierigkeitsstufen an, beginnend beim Level 0: Hier geht es um die Frage, ob man Lokalisierung in einem konkreten Fall überhaupt braucht? Fakt ist: In vielen Ländern mit nur einer einzigen Amtssprache (z.B. Deutschland oder Österreich) wird die Lokalisierung noch gerne vernachlässigt. Zwar gibt es regional meist noch weitere Amtssprachen (z.B. Slowenisch in Teilen Österreichs), jedoch spielt dieser Umstand außerhalb der Kommunikation mit Behörden so gut wie keine Rolle. Doch die Situation ändert sich. Betrachtet man einmal den Anteil von Migranten an der Gesamtbevölkerung (inkl. Nachkommen der 1. und 2. Generation), kommt Deutschland auf 19 Prozent (2011); in Österreich sind es rund 20 Prozent (2014) und in der Schweiz gar 36 Prozent (2013). Die meisten von ihnen werden sicherlich eine Amtssprache soweit beherrschen, um auch komplexe Dokumente zu verstehen. Jedoch gibt es im deutschsprachigen Raum auch sehr viele Fälle, wo Englisch die geeignetere Sprache als Deutsch wäre, beispielsweise bei ausländischen Spezialisten, die nur für ein paar Monate oder Jahre im Land bleiben.

In der Abwägung, ob sich der Aufwand für die Lokalisierung lohnt, muss man die interessanten Zielgruppen eruieren und analysieren. Zur Illustration: In Deutschland sind mehr als drei Prozent der Versicherungskunden türkischstämmig. In absoluten Zahlen: Bei mehr als zwei Millionen Versicherten besteht die Möglichkeit,  dass sie Türkisch besser verstehen als Deutsch. Und Kleingedrucktes kann ja schon in der Muttersprache schwer verständlich sein. Warum also nicht gleich Dokumente produzieren, die für eine wichtige Kundenklientel besser zu verstehen sind?

STUFE 1 – MEHRSPRACHIGKEIT MIT EMPFÄNGERN NUR IM INLAND

Hat man sich also einmal für die Lokalisierung entschieden, gilt es weitere Fragen zu klären; beispielsweise, ob mehrsprachige Dokumente nur für Empfänger im Inland produziert werden sollen. In diesem Fall muss man sich noch nicht um länderspezifische Besonderheiten Gedanken machen. Trotzdem reicht es hier nicht aus, nur von Übersetzung zu sprechen. Neben Texten sind nämlich unter Umständen auch Bilder oder Grafiken anzupassen. Gerade in personalisierten Geschäftsdokumenten finden sich Variablen mitten im Text, so dass Fallunterscheidungen notwendig werden. Diese müssen je nach Sprache recht unterschiedlich gehandhabt werden. Allein in Deutsch können die drei Fälle (0, 1 und n) folgende Umsetzungen nach sich ziehen: „..hat keine weiteren Policen…“ oder „…hat eine weitere Police…“ oder „…hat 3 weitere Policen…“. Man kann also nicht einfach einen einfachen Platzhalter benutzen wie „…hat {anzahl} Policen…“

Ein Aspekt in diesem Zusammenhang ist die Trennung von Geschäfts- und Sprachlogik. Diese beiden sollten nämlich voneinander entkoppelt und nacheinander betrachtet bzw. umgesetzt werden. Beispiel Kfz-Versicherung:  Etliche Versicherer bieten ihren Kunden einen Rabatt, wenn sie ihr Auto zu Hause in der Garage parken. Das bedeutet: In der Geschäftslogik, die einmal durchlaufen wird, führt das auf der einen Seite in der Berechnung zu einem Rabatt. Andererseits werden für das Output Management Rohdaten zur Verfügung gestellt, die aufgrund dieser Regel einen Indikator enthalten, dass im Dokument später ein entsprechender Textblock (z.B. über einen eindeutigen Namen identifiziert) auftauchen soll. Der eigentliche Text spielt zu diesem Zeitpunkt keine Rolle.

Später bei der Formatierung (Composition) werden der entsprechende Textblock in der richtigen Variante ausgewählt und die darin enthaltenen Platzhalter sprachabhängig ersetzt. Die Sprachlogik dabei muss also mehrfach pro Sprache und vielleicht sogar pro Ausgabeformat (Print/PDF, HTML etc.) umgesetzt werden.

Neben der komplexen Ersetzung von Variablen bei der Lokalisierung müssen weitere Elemente beachtet werden. Ein Datumswert aus einer XML-Datei wie z.B. „2015-10-16“ (ISO 8601 bzw. XML Schema Format) muss nach „16. Oktober 2015“ oder „16.10.2015“ formatiert werden. Auch Beträge sind entsprechend aufzubereiten. Darüber hinaus ist gerade beim Layout zu beachten, dass einige Sprachen wesentlich längere Texte verursachen als andere und sich dadurch Zeilen- und Seitenumbrüche ändern können. So ist Deutsch beispielsweise weniger kompakt als Englisch. Ein weiterer Aspekt kann die Sortierung sein: In Deutschland besagt DIN 5007, dass in Wörterbüchern beispielsweise „ä“ und „a“ als gleichwertig zu behandeln sind, nicht jedoch in Telefonbüchern. Dort sind aber „ä“ und „ae“ bzw. „æ“ gleichwertig.


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