McKinsey und Hackett Group: IT-Abteilung muss sich neu erfinden

IT-Verantwortliche halten das IT-Management für ausbaufähig. Es gibt Produktivitäts- und Effizienzlücken. Und die Unterstützung fürs Business wird schlechter. [...]

Schnelllebigkeit ist vermutlich das kennzeichnendste Merkmal überhaupt für die IT. Gerade ihr permanenter Wandel macht sie spannend und attraktiv. Dennoch klingt es unheilvoll, wenn die Strategieberater von The Hackett Group feststellen: „Der Zwang für IT-Abteilungen, sich neu zu erfinden, ist so groß wie nie zuvor.“
Die Hackett Group hat ebenso wie McKinsey eine aktuelle Studie präsentiert – und die beiden unabhängig voneinander in den USA erstellten Untersuchungen gleichen sich teilweise frappierend in ihrem Befund. Demnach steht die IT mächtig unter Druck.
Unsere amerikanische Schwesterpublikation Computerworld.com fasst die beiden Diagnosen so zusammen: Die Unzufriedenheit mit der IT wächst, weil vom Business mehr verlangt wird, als die IT derzeit zu leisten im Stande ist.
DIE IT SOLL SICH RADIKAL ERNEUERN
Es stimmt schon, dass man derlei immer wieder hört und gehört hat – in der Gegenwart wie in der Vergangenheit. Und Oswald Spengler sinnierte ja schon 1918 über den Untergang des Abendlandes, das immer noch steht. Dennoch sind die beiden Studien alles andere als alter Wein in neuen Schläuchen. Ihr gemeinsamer Tenor lautet: Weil die IT immer wichtiger wird, wachsen auch die Ansprüche an sie. Und da sie diese allzu oft nicht mehr erfüllt, muss sie sich radikal erneuern – beispielsweise durch ein deutlich besseres Talent Management.
Obwohl man die beiden Studien sehr gut zusammen lesen kann, unterscheiden sie sich selbstverständlich in fundamentalen Punkten. Die Hackett Group geht prinzipiell von den aktuell vorherrschenden strategischen Prioritäten der Business-Seite aus, aus denen sich Veränderungsdruck für alle Abteilungen ableiten lässt. Die IT steht demnach wegen ihrer mittlerweile enormen Bedeutung besonders unter Druck.
AUF INNOVATION BASIERENDES WACHSTUM UNTERSTÜTZEN
Sie müsse sich dahingehend neu aufstellen, nachhaltiges, auf Innovation gegründetes Wachstum zu unterstützen, so die Autoren Erik Dorr, Scott Holland und Nathanael Novosel. Das Berater-Trio befragte 160 Unternehmen mit einem Jahresumsatz von jeweils über einer Milliarde US-Dollar.
IT-MANAGER BEURTEILEN SICH SCHLECHTER
McKinsey stützt seine Erkenntnisse auf eine Umfrage unter mehr als 800 Führungskräften, von denen 345 für IT verantwortlich sind. Gehört wurden also sowohl die Business- als auch die IT-Seite, und zwar bereits das dritte Jahr in Folge. Besonders bemerkenswert ist am McKinsey-Befund, dass die IT-Manager der IT ein noch schlechteres Zeugnis ausstellen als ihre Manager-Kollegen aus dem Business-Segment. Und der Vergleich mit den Vorjahren zeigt, dass die momentanen Kassandra-Rufe wohl doch ernst genommen werden sollten.
Konkret beschreiben beispielsweise nur 13 Prozent der IT-Verantwortlichen ihre Abteilungen als völlig oder sehr effektiv in der schnellen und wirksamen Einführung neuer Technologien, gemessen am Vergleich mit konkurrierenden Firmen. Im Vorjahr waren es noch 22 Prozent. Von 49 auf 42 Prozent sank der Anteil der IT-Manager, die das Management ihrer IT-Infrastruktur als effektiv bezeichnen.
UNTERSTÜTZUNG DURCH IT SHWINDET
Besonders alarmierend erscheint in der McKinsey-Studie jener Umfrage-Teil, der die Unterstützungsleistung der IT für die Erreichung von Business-Zielen ins Visier nimmt. Kurz und knapp ist diese in sämtlichen Gebieten im Vergleich zu den beiden vorangegangenen beiden Jahren schlechter geworden. So sagen nur noch 37 Prozent, dass die IT bei der Eroberung neuer Märkte hilft – in den Vorjahren waren es jeweils 57 Prozent.
Um mehr als zehn Prozentpunkte gefallen ist auch der Anteil der Befragten, die der IT einen positiven Effekt auf die Entwicklung neuer Produkte zuschreiben. Sogar beim Teilen von Wissen – ein großes Thema der CeBIT 2013, wie man sich erinnert – gab es zuletzt laut McKinsey-Umfrage Rückschritte statt Fortschritte.
WACHSTUM NICHT MEHR ZWANGSLÄUFIG
Der IT gelingt es demnach gerade dort nicht, sich unentbehrlich zu machen, wo sie es müsste. Wo und wie, beschreibt die Hackett-Studie sehr klar. Demnach wird von Business-Seite nachhaltige Innovation erwartet. Dies aber unter der neuen Prämisse, dass die Wachstumsraten nicht mehr zwangsläufig steigen müssen.
Es genüge, das bereits erreichte Wachstumsniveau zu halten und wettbewerbsfähig zu bleiben. „Diese veränderte Perspektive auf den Innovationszweck stellt einen Bruch mit der Vergangenheit dar, der entsprechende Veränderungen in jeder einzelnen Business-Service-Abteilung erfordert – eingeschlossen die IT“, heißt es in der Hackett-Studie.
In der Zusammenschau mit McKinsey wird klar, wohin die Reise hingehen muss. McKinsey prognostiziert, dass der Anteil der Infrastruktur an den IT-Budgets in den kommenden drei Jahren von 27 auf 19 Prozent fallen werde. Gleichzeitig steige der Innovationsanteil von 11 auf 17 Prozent, der Analyse-Anteil von 11 auf 15 Prozent.
SCHLÜSSELFELD BI UND ANALYTICS
Hackett macht mit einer Zustimmungsrate von 89 Prozent Investitionen insbesondere in Automatisierung und mit einer Rate von 74 Prozent die Weiterentwicklung von Datenmanagement, Business Intelligence (BI) und Analytics als Schlüsselfeld der Anpassung an den veränderten Business-Bedarf aus. Mit 70 Prozent steht ein Talent-Upgrade ebenfalls weit oben auf der Agenda.
Unterschiedlich nuancieren die beiden Studien die Frage, auf welcher Budgetgrundlage der Wandel zu bewältigen ist. Aus der McKinsey-Studie kann man an dieser Stelle vorab eines der spektakulärsten Ergebnisse anführen. 28 Prozent der IT-Verantwortlichen glauben nämlich, dass eine personelle Neuaufstellung des IT-Managements die IT-Performance entscheidend verbessern würde. Von den Befragten außerhalb des IT-Kosmos urteilen so nur 13 Prozent. Gut für manche IT-Köpfe, dass die Outsider nicht so genau Bescheid wissen, darf man sich da denken.
MEHR GELD MUSS NICHT MEHR LEISTUNG BEDEUTEN
Und das ist gewissermaßen ein Vorgeschmack auf die Geldfragen. Ein Viertel der Befragten, die nicht aus der IT kommen, geht nämlich davon, dass sich mit mehr Geld für die IT deren Leistung verbessern ließe. Von den IT-Managern sagen das – man höre und staune – aber nur 18 Prozent.
Offenbar sind die IT-Budgets also keineswegs zu knapp bemessen. Die vorhanden Mittel müssten aber besser verteilt und die IT-Projekte besser auf die Business-Bedürfnisse abgestimmt werden. Hierin herrscht weithin Einigkeit.
Laut McKinsey gehen 64 Prozent der Befragten von steigenden Budgets für Investitionen aus; im Vorjahr waren es lediglich 55 Prozent. Eine Reduzierung der IT-Kosten haben nur noch 31 Prozent auf der Agenda gegenüber 52 Prozent im Vorjahr. Die Prioritäten haben sich demnach also eindeutig verschoben. Und zwar in Richtung einer verbesserten Effektivität der Geschäftsprozesse (61 Prozent).
Auch wenn die McKinsey-Studie ein geteiltes Spektrum hinsichtlich steigender oder sinkender operativer Budgets zeigt, zeichnet sie doch ein eher entspanntes Bild von den für den nötigen Umbruch verfügbaren Mitteln.
IT-ABTEILUNGEN MÜSSEN IHRE NEUERFINDUNG SELBST FINANZIEREN
Die Hackett-Studie steht dazu nicht direkt in Widerspruch, setzt aber einige Akzente anders. Das Ergebnis liest sich für die IT nicht angenehm. Mehr als 70 Prozent der Firmen müssen demnach ihre Vertriebsgemeinkosten senken – die wichtigste Folge der strategischen Prioritäten auf der Ebene der Kostenstruktur. „Das bedeutet in den meisten Fällen, dass die IT-Abteilungen ihre Neuerfindung selbst finanzieren müssen“, heißt es in der Studie.
Die Hackett Group kalkuliert zwar für 2014 mit einer durchschnittlichen Steigerung der operativen IT-Budgets um 1,7 Prozent – ein höherer Zuwachs als die lediglich 0,7 Prozent im Vorjahr. Allerdings reduzieren sich nach Prognose der Berater die Vollzeitstellen der IT in diesem Jahr um 2 Prozent. Außerdem legen die Firmenumsätze im Durchschnitt um 6,7 Prozent zu.
LÜCKEN BEI PRODUKTIVITÄT UND EFFIZIENZ
Hackett errechnet aus diesen Zahlen eine Produktivitätslücke von fast 9 Prozent und eine Effizienzlücke von 5 Prozent. Bedeutet im Endeffekt, dass die IT zwar in der Regel über mehr Geld als bisher verfügen kann, aber mit weniger Leuten überproportional mehr Arbeit als in der Vergangenheit schultern muss.
McKinsey sieht insbesondere im Cloud Computing den Hebel, um Personal im Bereich der IT-Infrastruktur abzubauen und zur anzustrebenden Umverteilung der Budgets zu gelangen. Allgemein sei allerdings festzuhalten, dass sich in derartigen Veränderungen auch die gesteigerten Ansprüche an die IT widerspiegeln. Von ihr werde erwartet, dass sie auf effiziente Weise ähnliche Services wie in der Cloud für Endverbraucher oder im Segment der mobilen Apps anbieten kann.
WO VERBESSERUNGSBEDARF HERRSCHT
„Alle Verantwortlichen müssen die Schließung kritischer Lücken anpacken, in dem sie Wissen dahin befördern, wo Business- und IT-Funktionen davon profitieren“, kommentieren die McKinsey-Berater Naufal Khan und Johnson Sikes. Insbesondere in drei Feldern herrsche Verbesserungsbedarf: Data & Analytics, Interaktionen zwischen Business und IT sowie Development-Ansätze. Leider sei der CIO-Einfluss oftmals zu klein, um der Aufgabe des Brückenschlagens gerecht werden zu können.
Die Stoßrichtung der Hackett Group ist ähnlich. Eine Enterprise Information Architecture und analytische Ressourcen müssten tunlichst aufgebaut werden. „Die Fähigkeit, den Wert von Informationen nutzbar zu machen, ist zu einem der wichtigsten Wettbewerbsvorteile in der heutigen Geschäftswelt geworden“, schreiben die Berater. Zu arbeiten sei außerdem an den IT-spezifischen Metriken und der Beziehung zum Business.
BEDARF AN MOBILE-SKILLS
Vehement weisen sowohl Hackett Group als auch McKinsey auf die Bedeutung des Talent Managements hin. „Um die wichtigsten IT-Aufgaben zu bewältigen, wird es unumgänglich sein, die Aufmerksamkeit aufs Talent Management zu erneuern“, heißt es in der Hackett-Studie. Ganz oben auf der Agenda stünden strategische Aspekte wie das Überdenken von Jobprofilen und Zuständigkeiten, die strategische Belegschaftsplanung und die Nachfolgeplanung. Aber auch taktische Dinge wie Belohnungsprogramme und die Evaluierung der Mitarbeiterplanung werden laut Hackett von den Firmen als wichtig erachtet.
McKinsey formuliert in aller Schärfe: „CIOs verbringen nur 8 Prozent ihrer Zeit mit der Talententwicklung – einem Gebiet, auf dem IT-Abteilungen klar erkennbaren Nachholbedarf haben.“ In den kommenden 12 Monaten gebe es Bedarf an gut ausgebildetem Nachwuchs insbesondere in den Bereich Analytics, bei übergreifender Business- und IT-Expertise sowie bei Online- und Mobile-Skills.
„CIOs müssen stärker für die Entwicklung einer talentfreundlichen Kultur in ihrem Unternehmen engagieren, wenn sie aktuelle und zukünftige Probleme lösen wollen“, so McKinsey. Gefragt seien mehrdimensionale Lösungen, die Unternehmenskultur, Vergütung und Karriereentwicklung umfassen.
* Werner Kurzlechner ist Redakteur der deutschen CIO.


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