Web-Content-Management muss sich neuen Anforderungen stellen, nicht zuletzt aufgrund stark anwachsender Datenmengen. Zielgruppenspezifische Inhalte werden immer wichtiger. Personalisierung, Mobilisierung und E-Commerce sind die aktuellen Trends. Mit den technischen Möglichkeiten moderner Systeme lassen sich diese Herausforderungen bewältigen. [...]
CONTEXT IS QUEEN
Doch was ist „guter“ Content? Content wird als hochwertig wahrgenommen, wenn er für die Zielgruppe relevant ist, also den persönlichen Präferenzen des Nutzers entspricht. Die genaue Analyse dieser Präferenzen ist daher essenziell, sie ist auch die Basis für die Sichtbarkeit einer Website. Die Personalisierung des Contents im modernen Content Marketing ist somit eine Kernaufgabe heutiger WCM-Systeme: Jeder Nutzer soll einen auf ihn individuell abgestimmten Content erhalten. Denn Content ist nur im richtigen Context interessant und sinnvoll. So ist ein inhaltlich hoch qualitativer Artikel mit dem Titel „Der perfekte Gartenteich“ beispielsweise im Kontext „Fußball-WM“ nicht wirklich relevant. Natürlich kann kein Web-Redakteur wissen, wofür sich ein – ihm ja gar nicht bekannter – Nutzer bei bisherigen Besuchen interessiert hat, das müssen die Algorithmen der entsprechenden Systeme übernehmen. Ermittelt werden dafür zum Beispiel die Aktivitäten eines Nutzers auf der Website, was er sich anschaut, in welcher Reihenfolge, zu welcher Uhrzeit oder mit welchem Gerät.
Man kann noch einen Schritt weiter gehen und mit prädiktiven Analysen aus den Gewohnheiten anderer Nutzer Schlüsse ziehen sowie Umgebungsvariablen einbeziehen: Wenn das Wetter gut ist, interessieren sich die Nutzer vermutlich mehr für Outdoor-Aktivitäten wie etwa Radfahren. Die Formulierung solcher Algorithmen für die Systeme wird künftig zu den Kernprozessen der Kunden- aber auch Mitarbeiterkommunikation gehören. Nur so lässt sich umfassende Content Recommendation aufbauen, die den Content dynamisch und in Echtzeit den einzelnen Nutzern zuordnet.
DIE RÜCKKEHR DES WORKFLOWS?
Drehten sich die bisher genannten Trends vor allem um Begriffe wie „Mehr“, „Größer“ und „Schneller“, so sollte man einen weiteren Trend, der in eine andere Richtung zeigt, nicht übersehen.
Anders als im klassischen Dokumenten-Management (DMS), wo Workflows und Freigabeprozesse eine zentrale Rolle spielen, lebt das WCM von Aktualität, also von schnellen Prozessen und kurzen Wegen, es regiert tendenziell das Quick-and-Dirty-Prinzip, zumal sich – anders als bei gedruckten Dokumenten – Fehler ohne großen Aufwand schnell wieder beseitigen lassen. Komplizierte Workflows und Freigabeprozeduren vertragen sich mit diesem Ansatz nicht, stattdessen hat sich das Vier-Augen-Prinzip etabliert: Ein Redakteur verfasst den Text, ein anderer liest gegen, und damit ist der Workflow auch schon zu Ende: Der Inhalt kann online gestellt werden.
Im Zeitalter der sozialen Netze wird dieses Vorgehen jedoch wieder in Frage gestellt: Auch wenn Aktualität weiterhin Trumpf ist, Unternehmen müssen heute einkalkulieren, dass Fehler auf Webseiten nicht einfach dadurch verschwinden, dass man sie schnell online korrigieren kann. Man muss damit rechnen, dass Nutzer einen Screenshot erstellt haben und dass sie diesen eventuell innerhalb ihrer Communities herumreichen. Je nach der Art des Fehlers können sich daraus wiederum negative Rechtsfolgen ergeben, bis hin zum „Shit-Storm“, der die Reputation des Unternehmens in Frage stellt.
Unter diesen Aspekten werden Unternehmen ihre Workflow-Strategie im WCM überdenken müssen: Möglicherweise reicht das Vier-Augen-Prinzip nicht aus, zumindest nicht in kritischen Bereichen. Solche Bereiche einer Website sollten rechtzeitig identifiziert und dort die Workflows überdacht werden. Letztlich wird man immer einen Kompromiss zwischen Aktualität und gründlicher Kontrolle finden müssen, aber man sollte die Gefahr, die sich aus der Kombination zu kurzer Workflows und Social Media ergeben kann, zumindest kennen.
* Nico P. Rehmann ist Content Management-Experte und Chief Sales Officer (CSO) beim eBusiness-Dienstleister ARITHNEA in München.
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