Meizu MX4 Ubuntu Edition im Praxistest: Spielzeug für Linux-Frickler

Mit dem Meizu MX4 bekommt Ubuntu Touch/Phone nun endlich die Hardware, die es verdient hat: Das mit Octacore-Chipsatz und anderen Highend-Features ausgestatte Smartphone zeigt aber auch auf, dass das Linux-Betriebssystem noch lange nicht marktreif ist. [...]

Die bei Ubuntu Phone realisierte Gestensteuerung hat natürlich ihren Charme, erfordert aber auch einen gewissen Lernaufwand und birgt die Gefahr, Neugierige abzuschrecken. Dies gilt auch für die langen Ladezeiten von gut drei Sekunden, die regelmäßig beim Öffnen eines neuen Scopes oder einer App auftraten. Diese Verzögerungen wurden bereits beim Testen eines anderen Ubuntu-Phones, dem Aquaris E4.5 Ubuntu Edition von BQ, beobachtet und der schwächeren Hardware zugeschrieben. Wie der Vergleich mit dem Meizu MX4 zeigte, ist eher die Software schuld – ein Problem, das Canonical schleunigst in Ordnung bringen sollte.

Wie erschwerend hinzukommt, zeigt sich die bedingte Alltagstauglichkeit von Ubuntu Phone auch noch anderen Stellen. So wurde etwa das Testgerät bei der Nutzung ungewöhnlich heiß und zeigte sich trotz 3.100 mAh-Akkus wenig ausdauernd – länger als einen Tag hielt das Smartphone auch bei mäßigem Gebrauch nie durch. Für den Einsatz im Unternehmensumfeld wurden etwa die fehlende Unterstützung von Exchange oder WLANs mit RADIUS-Absicherung vermisst.

APPS SIND MANGELWARE

Daneben fehlen natürlich auch zahlreiche Apps für die private oder berufliche Nutzung – ein typisches Henne-Ei-Problem, mit dem neben Playern wie Jolla auch größere Anbieter wie Microsoft oder Blackberry zu kämpfen haben. Immerhin ist zur Navigation Nokia Here als native App verfügbar, bei Facebook und Twitter behilft man sich mit Web-Apps, bei anderen gewohnten Anwendungen sieht es hingegen mau aus.

Wie es sich für eine anständige Linux-Distribution gehört, gibt es auch für Ubuntu Phone ein Terminal als Alternative zur grafischen Benutzeroberfläche. Die Konsole ist allerdings nicht vorinstalliert, sondern muss über den Ubuntu Store geholt werden. Anschließend können zumindest Linux-Experten damit das Gerät rooten und allerhand Schabernack veranstalten – der Autor dieses Artikels kennt sich leider damit nicht aus und zieht die moderne Fingerbedienung der Eingabe von Kommandozeilen vor.

FAZIT

Bei allem Charme, den das Bedienkonzept von Ubuntu Phone mit sich bringt: Das System ist nur sehr bedingt alltagstauglich und auch das Meizu MX4 Ubuntu Edition daher bestenfalls als Zweit- oder Dritthandy nutzbar. Die Gründe dafür sind vielfältig: Fehlende Apps, keine Exchange-Unterstützung, eine sehr kurze Akkulaufzeit und – besonders schwerwiegend – die langen Ladezeiten von Apps und Scopes.

Echte Ubuntu-Fans, die das Gerät ohnehin die Hälfte der Zeit über das Terminal bedienen, werden vermutlich gnädig über solche Kinderkrankheiten hinweg sehen. Problematisch ist dagegen, dass die Ubuntu-Smartphones bereits relativ problemlos für Otto Normalverbraucher erhältlich sind: Das 300 Euro teure Meizu MX4 sowie die mit 170 (BQ Aquaris E4.5 Ubuntu Edition) beziehungsweise 200 Euro (BQ Aquaris E5 HD Ubuntu Edition) günstigeren BQ-Geräte können bei Meizu beziehungsweise im Online-Shop der Spanier von BQ bestellt werden.

Falls der Linux-Distributor Canonical an seinem Plan festhält, Ubuntu Phone zu einem ernsthaften Konkurrenten von Android, iOS & Co. aufzubauen, sollte er entweder bei der Entwicklung mehr Gas geben – oder die Verfügbarkeit entsprechender Geräte wie zu Beginn stark limitieren, um den Ruf des Betriebssystems nicht von vorneherein zu ruinieren.

Was das Meizu MX4 Ubuntu Edition als Hardwareplattform betrifft, ist es mit seinem hochauflösenden Bildschirm und der schicken Optik sicher ein mehr als angemessenes Smartphone für das neue Betriebssystem. Wer als echter Ubuntu-Fan nur die weitere Entwicklung von Ubuntu Phone im Blick behalten will, kann dies aber sicher auch mit einem der beiden BQ-Smartphones tun – diese sind auch nicht unansehnlich, deutlich günstiger und erfüllen ebenfalls ihren Zweck.

* Manfred Bremmer ist Redakteur von computerwoche.de.


Mehr Artikel

Gregor Schmid, Projektcenterleiter bei Kumavision, über die Digitalisierung im Mittelstand und die Chancen durch Künstliche Intelligenz. (c) timeline/Rudi Handl
Interview

„Die Zukunft ist modular, flexibel und KI-gestützt“

Im Gespräch mit der ITWELT.at verdeutlicht Gregor Schmid, Projektcenterleiter bei Kumavision, wie sehr sich die Anforderungen an ERP-Systeme und die digitale Transformation in den letzten Jahren verändert haben und verweist dabei auf den Trend zu modularen Lösungen, die Bedeutung der Cloud und die Rolle von Künstlicher Intelligenz (KI) in der Unternehmenspraxis. […]

News

Richtlinien für sichere KI-Entwicklung

Die „Guidelines for Secure Development and Deployment of AI Systems“ von Kaspersky behandeln zentrale Aspekte der Entwicklung, Bereitstellung und des Betriebs von KI-Systemen, einschließlich Design, bewährter Sicherheitspraktiken und Integration, ohne sich auf die Entwicklung grundlegender Modelle zu fokussieren. […]

News

Datensilos blockieren Abwehrkräfte von generativer KI

Damit KI eine Rolle in der Cyberabwehr spielen kann, ist sie auf leicht zugängliche Echtzeitdaten angewiesen. Das heißt, die zunehmende Leistungsfähigkeit von GenAI kann nur dann wirksam werden, wenn die KI Zugriff auf einwandfreie, validierte, standardisierte und vor allem hochverfügbare Daten in allen Anwendungen und Systemen sowie für alle Nutzer hat. Dies setzt allerdings voraus, dass Unternehmen in der Lage sind, ihre Datensilos aufzulösen. […]

Be the first to comment

Leave a Reply

Your email address will not be published.


*