Mit IoT zum vernetzten Getränkeautomaten

Lange bevor die ganze (IT-)Welt damit begann, vom Internet of Things zu reden, nutzte Coca-Cola bereits die Möglichkeiten von IoT, um mit seinen Freestyle-Automaten das Softdrink-Erlebnis zu transformieren. [...]

Der weltgrößte Brausehersteller Coca-Cola setzte 2007 ein internes Startup an ein Thema, das manch anderes Unternehmen als Luxusproblem bezeichnen würde: So erfreuten sich die in Restaurant- und Imbissketten aufgestellten Getränkeautomaten – hier ist Coca-Cola mit einem Anteil von über 70 Prozent in Nordamerika absoluter Marktführer – zwar insgesamt anhaltender Beliebtheit, es gab jedoch einen Rückgang der Käufe gemessen an der Zahl der Restaurantgäste.
Coca Cola Freestyle: Dank 30 Patronen mit hoch konzentrierten Geschmacksrichtungen lassen sich über 100 verschiedene Geschmacksrichtungen kreieren. (c) computerwoche.de

„Es bestand eine Lücke zwischen der Auswahl, die unsere Kunden wollten, und unserem traditionellen Angebot von sechs bis acht verschiedenen Getränken in den Automaten“, so die Erklärung von Chris Dennis, Leiter des damaligen Entwicklungsteams bei Coca-Cola. „Unsere Aufgabe war es, frischen Wind in das gigantische Geschäft mit Getränkeautomaten zu bringen.“
GETRÄNKEAUTOMAT – DESIGNED VON PININFARINA
Nach Jahren des Entwickeln und Testens kam als Resultat Coca-Cola Freestyle heraus – ein Getränkeautomat designed von Pininfarina und vollgestopft mit neuester Technologie. Einer der Innovationen der Coca-Cola-Freestyle-Automaten besteht etwa darin, dass diese anstatt der 19 Liter großen Sirup-Kanister 30 Patronen mit verschiedenen hoch konzentrierten Geschmacksrichtungen enthalten. Dank Mikro-Dosierungsmethoden aus der Medizintechnik ist es dabei möglich, dass präzise Mengen an Aromen ausgegeben werden, um den hohen Standards von Coca-Cola in punkto Geschmacksvorgaben zu entsprechen.
Wegen des Designs und der verbauten Technik wurde Coca-Cola Freestyle vom Forbes-Magazin zum coolsten Produkt der Dekade (neben dem iPhone) gekürt. (c) computerwoche.de
Die Technik ermöglicht es dem Kunden, via Touchscreen aus über 100 Getränkemarken zu wählen. Außerdem hat er fast komplette Freiheit, neue Kombinationen von Coca-Cola-Produkten zu kreieren, die es sonst nicht gibt, etwa Diät Himbeer Cola. Wenig überraschend war der stylische Getränkeautomat schon kurz nach seinem Marktstart 2009 ein Hit, die Getränkebestellungen in Läden, Kinos und anderen Verkaufsstellen ging fast sofort nach dem Launch in die Höhe. Und auch das Magazin Forbes huldigte Coca-Cola Freestyle und kürte es 2011 zum coolsten Produkt der Dekade (neben dem iPhone).
Fast vergessen ist bei diesem Riesenerfolg, dass es bis zur Fertigstellung etliche Hürden zu meistern galt. Als der Getränkeriese die Entwicklung begann, gab es etwa noch keine zuverlässige drahtlose Konnektivität, erinnert sich Dennis, mittlerweile Leiter für das weltweite Produkt-Management von Coca-Cola Freestyle: „Wir akzeptierten jedoch die Hürden der damaligen Technologie, als es um das Thema Remote Management ging und sagten uns, bis zum Start werde es Konnektivität und die passende Software dafür geben.“
Das Team entwickelte also nach seinen Vorstellungen mit einer Reihe von Partnern ein drahtloses Netzwerk, das die Getränkeautomaten mit den Backend-Systemen verband und jede Nacht Daten von der QNX-basierten Maschine über Verbrauch, Füllstand und diverse Logdaten von Diagnose-Tools übermittelte.
SYSTEMWECHSEL BEENDET TECHNISCHE EINSCHRÄNKUNGEN
Auch wenn das System für einige Jahre gut funktioniert hatte, stellte Coca-Cola mit der Zeit einige Einschränkungen fest. So erforderten etwa alle Aktualisierungen der Maschine, sei es die Einführung einer neuen Marke oder ein Sonderangebot, das Aufspielen eines kompletten Software-Updates und damit zeitaufwändige Regressionstests. „Dies war sehr riskant“, so Dennis, „denn die Maschinen sind hochprofitabel und müssen 24 Stunden zuverlässig arbeiten. Gleichzeitig mussten wir dynamischer sein, weil unsere Kunden mehr von ihren Filialen erwarteten.“
Hier kommt der EMM-Anbieter Airwatch ins Spiel: Dennis zufolge hat Coca-Cola inzwischen die meisten der 31.000 Freestyle-Getränkeautomaten in Nordamerika von der „alten Technik“ auf Airwatch migriert, was Updates und Werbeaktionen deutlich vereinfacht. Anstatt 80 MB für ein zeitaufwändiges Software-Update zu senden, müsse nun nur eine kleine Exe- und Config-Datei verschickt werden.
Die Lösung gibt Coca-Cola Dennis zufolge auch die Möglichkeit, besser als bisher – mit nur vier Software-Releases pro Jahr – auf Kundenwünsche zu reagieren und schneller neue Produkte zu kreieren. So sei der Getränkeriese etwa in der Lage gewesen, spezielle Werbe-Drinks zum Start des Films Jurassic World zu generieren. Dabei handle es sich um einen wachsenden Trend, so der Coca-Cola-Manager, denn mittlerweile gebe es eine stärkere Nachfrage nach solchen Werbegetränken.
Airwatch gibt Coca-Cola auch einen gewissen Einblick, wie die Getränkeautomaten performen, ob sie Wartung benötigen oder Produkte nachgefüllt werden müssen. So messen verschiedene Softwareanwendungen was in welcher Menge gekauft wurde, zu welchem Zeitpunkt an welchem Ort und schicken diese Informationen zurück in den Laden. Diese Daten sind hilfreich, um das Inventar effizienter zu managen und das das Konsumverhalten der Nutzer deutlich besser zu verstehen.
Da der Limonadenhersteller genau verfolgen kann, welchen Geschmack die Kunden wählen, hat der Konzern mittlerweile einen großen Big-Data-Speicher an Geschmackssorten zum Analysieren. Die Rückschlüsse halten sich laut Dennis allerdings noch in Grenzen. Derzeit sei es noch nicht möglich, proaktiv Vorschläge zu machen, um den Verkauf zu steigern, erklärt er. „Wir sehen aber, wenn ein Produkt in der Maschine ausverkauft ist und das über einen längeren Zeitraum hinweg.“ So habe man mit Coke Cherry Vanilla eine neue Geschmacksrichtung kreiert, nachdem die Company feststellte, dass viele Kunden Kirsche und Vanilla-Coke mischten.
FERNDIAGNOSE ANHAND VON PERFORMANCE-DATEN
Was die Ferndiagnose angeht, bezieht Coca-Cola in erster Linie Performance-Daten von den Freestyle-Maschinen. Aus diesen lässt sich dann ablesen, wie die Pumpen arbeiten oder ob sie neu kalibriert werden müssen. Es gebe allerdings erste Entwicklungen zu einem proaktiveren Ansatz, berichtet Dennis: Sein Team kenne zwei oder drei Events, die – wenn sie in einer bestimmten Reihenfolge oder Zeit auftreten – einen Hardwareausfall oder zumindest ein -Hardwareproblem anzeigen, das vor Ort adressiert werden muss.
Und auch bei der Entwicklung bleibt der Getränkekonzern nicht stehen: Als nächsten Schritt will Coca-Cola die Lösung mit anderer Enterprise-Software verbinden, konkret Adobe und Salesforce.com, und so für jeden Getränkeautomaten ein einmaliges Profil erstellen, berichtet Dennis.
*Manfred Bremmer beschäftigt sich mit (fast) allem, was in die Bereiche Mobile Computing und Communications hineinfällt


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