Mit ITSM zu neuer Unternehmenskultur

Das Streben nach einer agileren Unternehmenskultur hat die Oshkosh Corporation dazu bewogen, sich von einem Klumpen schwerfälliger IT-Service-Management-Tools zu befreien. [...]

Wer hätte gedacht, dass IT Service Management (ITSM) zur „Lingua franca“ für 15 unterschiedliche Bereiche eines Unternehmens werden kann? Im Falle der Oshkosh Corporation – Hersteller von industriellen und militärischen Fahrzeugen – ist das genau so gelaufen. Das im US-Bundesstaat Wisconsin beheimatete Unternehmen hatte durch die Akquisition 15 verschiedener Firmen in den Jahren 1996 bis 2006 diverse technologische Silos aufgebaut. Beim Abbau derselben spielte ITSM eine Schlüsselrolle.
SCHLANKE PROZESSE, GEMEINSAME KULTUR
Für lange Zeit ließ man bei Oshkosh die einzelnen Abteilungen ihr eigenes „IT-Ding“ machen. Nachdem im September 2015 Wilson Jones als neuer CEO das Ruder bei Oshkosh übernommen hatte, wurde diese Situation als nicht länger haltbar identifiziert und das Ziel ausgegeben, sämtliche Geschäftsprozesse zu verschlanken und zu vereinfachen. CIO Dave Schecklman zentralisiert deshalb die IT der Unternehmensbereiche und ist darum bemüht, einen zentralen Punkt für das IT-Management und neue Technologien zu etablieren.
Für eine Firma wie Oshkosh – die rund 12.000 Mitarbeiter in den USA, Europa und Asien beschäftigt – ist dieses Unterfangen nicht nur ein großes technologisches Projekt, sondern auch ein politisches, das eine Transformation der Unternehmenskultur mit sich bringt, wie Schecklman verdeutlicht: „Wenn Sie Familienunternehmen kaufen und sie anschließend integrieren wollen, ist es sehr schwierig, Synergien herzustellen, ohne dabei deren Unternehmenskultur komplett zu zerstören. Das war eine Herausforderung für mich.“
NEUE UNTERNEHMENSKULTUR DANK ITSM-SOFTWARE
Der Bereich IT Service Management ist Teil eines breiteren Marktes – des für sogenannte Problem Management Software. Der brachte es laut den Analysten von IDC im Jahr 2015 auf ein Gesamtvolumen von zwei Milliarden Dollar. ITSM selbst ist ein „No-Brainer“, wenn es darum geht, Unternehmens-Technologien instand zu halten.
Sobald ein Mitarbeiter Probleme hat – beispielsweise dabei, auf bestimmte Unternehmens-Software zuzugreifen – können sie ganz einfach ein Helpdesk-Ticket erstellen, das anschließend einem IT-Spezialisten zur Lösungsfindung zugeteilt wird. Als Schecklman seine Stelle als CIO im Jahr 2011 angetreten hatte, musste er jedoch relativ schnell herausfinden, dass dieses Modell in einem Unternehmen mit 700 IT-Experten, die unterschiedliche Tools und unterschiedliche Begrifflichkeiten für verschiedene Probleme nutzen, nicht so gut funktioniert.
Zunächst plante der Oshkosh-CIO deshalb, das IT Service Management mit Hilfe von Software aus dem Hause BMC zu vereinheitlichen. Zu deren Kunden gehören unter anderem Monsanto, BMW und Rio Tinto. Das dies im Fall von Oshkosh nicht die richtige Lösung war, wurde relativ schnell klar: Laut Schecklman sei die BMC-Software zu kostspielig und schwierig zu implementieren gewesen. Noch dazu habe sie sich durch ein Übermaß an Einstellungsmöglichkeiten und Features als kontraproduktiv erwiesen, so Schecklman: „Die IT-Spezialisten haben sich mehr mit der Software an sich beschäftigt, als mit ihrer eigentliche Aufgabe: der Betreuung der Mitarbeiter.“
Schecklman setzte daraufhin auf ServiceNow – neben BMC der laut Gartner Hype Cycle führende ITSM-Provider. ServiceNow – ursprünglich ein Cloud-Anbieter – zählt unter anderem GE Capital und die renommierte Yale University zu ihren Kunden.
Um die Software-Architektur auszurichten und einen Übergangsplan zu schmieden, heuerte Oshkosh zudem Greg Downer an, einen erfahrenen IT-Entscheider, der bereits Erfahrungen mit ServiceNow gesammelt hatte. In der Zwischenzeit kümmerte sich Schecklman in Kooperation mit der Buchhaltung, dem HR-Department und anderen Abteilungen darum, „schlechte“ Datensätze zu identifizieren, beziehungsweise zu bereinigen, die den Echtzeit-Prozessen der ServiceNow-Software im Wege gestanden wären.
Bei der Implementierung der ITSM-Software schuf das Team schließlich ein Set von abteilungsübergreifenden Management-Modulen, die auch zur internen Kommunikation verwendet werden können. Der vereinheitlichte Workflow machte in der gesamten Prozesskette von Oshkosh satte 36.000 unnötige Genehmigungsvorgänge überflüssig. Drei Monate nach der Einführung des Programms schaltete Oshkosh auch die Analytics-Funktion zu, die die IT-Abteilung sofort informiert, wenn das ITSM-Aufkommen einen bestimmten Toleranzbereich überschreitet und manuelles Eingreifen nötig wird.
Laut Schecklman sorgt der Einsatz einer Lösung auch für die akkurate Erfüllung von Compliance-Vorgaben beim Help-Desk-Service: „Nachdem diese Hürde beseitigt war, kann ich völlig transparent und länderübergreifend meiner Aufgabe nachgehen.“
Die Implementierung war so erfolgreich, dass andere Abteilungen das ITSM-Tool ebenfalls einsetzen wollten.
NACH ITSM: NEUE HERAUSFORDERUNGEN
Nachdem das ITSM-Rätsel gelöst ist, kann Oshkosh sich nun auf dringlichere Angelegenheiten konzentrieren. Schecklman ist zum Beispiel gerade dabei, 15 verschiedene Finanz- und Buchhaltungssysteme zu konsolidieren. Das Ziel: ein gemeinsames Service-Modell.
Auch in Sachen IT-Security will Oshkosh aufrüsten, um das geistige Eigentum des Unternehmens zu schützen. Dazu zählen beispielsweise technische Details über neue Panzerfahrzeuge für den militärischen Einsatz. Laut Schecklman ist eine vielschichtige Sicherheitsstrategie auch unabdingbar, denn das Interesse der Hacker an Oshkosh steige mit jedem internationalen Großauftrag, den das Unternehmen erhalte.
Natürlich stattet auch Oshkosh inzwischen sämtliche Fahrzeuge – ähnlich wie auch Navistar, Caterpillar und andere Hersteller von industriellen Vehikeln – mit internetfähigen Sensoren aus, die im Hinblick auf Predictive Maintenance und die Auswertung von Telemetrie-Daten das „Leben“ leichter machen: „Um den Herstellungsprozess weiter zu verfeinern, müssen wir sämtliche Daten, die in den Fahrzeugen gesammelt werden, auswerten“, so Schecklman.
Trotz der tiefgreifenden Veränderungen bei Oshkosh ist der CIO überzeugt davon, dass seine IT-Entscheidungen die richtigen waren: „Unsere Kunden und der Markt mögen sich verändern, aber die Dinge, in die wir investiert haben, sind zeitlos.“

*Florian Maier kümmert sich um reichweitenstarke und populäre IT-Themen für die COMPUTERWOCHE und CIO.de


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