Mit schwierigen Mitarbeitern umgehen

Mitarbeiter können schwierig sein, davon kann jede Führungskraft und jeder neue Chef ein Lied singen. Zwei Experten verraten, was Entscheider tun können, um Quertreiber wieder auf Spur zu bringen. [...]

Ständig quatschen sie dazwischen, nörgeln oder tun gar nichts: Gelegentlich hat ein Chef Mitarbeiter, mit denen er nicht klarkommt. Vor diesem Problem stehen gerade Entscheider, die eine Abteilung oder ein Team neu übernommen haben. Der Umgang mit schwierigen Mitarbeitern erfordert Fingerspitzengefühl – und Mut.
Bevor ein Chef in Aktionismus verfällt, sollte er sich über den Mitarbeiter und dessen Motivation klar werden, rät Georg Kraus, Coach und Unternehmensberater. „Es ist wichtig zu wissen, in welcher Hinsicht der Mitarbeiter schwierig ist“, stellt er klar. „Ist der Mitarbeiter schwierig, weil er ein Low-Performer ist, weil er am Stuhl des Chefs sägt oder hat er soziale Schwächen?“ Kraus teilt deshalb schwierigere Fälle in drei Kategorien ein: K-D-W.
Georg Kraus, Coach und Unternehmensberater. (c) Kraus
K steht für Können. Kann der Mitarbeiter die Aufgabe überhaupt erledigen? D steht für Dürfen: Darf der Mitarbeiter Sachen nicht erledigen – oder weiß er gar nicht, dass er Dinge selbst entscheiden darf? Und W steht für Wollen: Wie ist die Einstellung des Mitarbeiters, will er überhaupt leisten? „Er kann auch ein Einzeloptimierer sein“, formuliert es Kraus. Soll heißen: Der Mitarbeiter optimiert sich selbst, achtet auf seinen Urlaub, seine Work-Life-Balance – aber arbeitet nicht mit voller Kraft. Eine gute Führungskraft müsse herausfinden, zu welcher Kategorie der Mitarbeiter gehört, meint Kraus – und dementsprechend reagieren.
AN DIE EIGENE NASE FASSEN
Zur Performance gehören immer zwei. Kommt zum Beispiel ein neuer Chef ins Team, kann es natürlich sein, dass er einen schwierigen Mitarbeiter geerbt hat. Genauso oft liegt die Wurzel des Problems aber in der fehlenden Kommunikation. „Welchen Anspruch hat der Chef an die neuen Kollegen, was erwartet er von den Mitarbeitern – solche Themen werden meistens nicht angesprochen“, sagt Hans-Peter Machwürth, Unternehmensberater.
Zudem spielt es eine Rolle, woher der „neue“ Chef kommt. „Kommt er von innen, eilt ihm oft ein Ruf voraus – kommt er von außen, kann es Reibereien mit der Firmenkultur geben“, sagt Machwürth. Neue Umgangsformen würden als Machtausübung verstanden. Das allein kann aus einem normalen Mitarbeiter einen Nörgler machen. Werden die Umgangsformen in einem offenen Gespräch vorher abgeklärt, löst sich das Problem vielleicht schon von allein.
Sich gegenseitig anschreien, bringt gar nichts. (c) olly - Fotolia.com
Überhaupt sind die Gespräche mit den Mitarbeitern das Entscheidende. „Ein Chef muss sich für den Menschen interessieren“, rät Machwürth. „Wenn der betreffende Mitarbeiter seit neun Jahren auf derselben Position ist, dann kann man verstehen, dass er unzufrieden ist.“ Um das zu beseitigen helfe nur, wenn man mit dem Mitarbeiter gemeinsam neue Aufgaben finde. „Ich kann denjenigen nur packen, wenn ich ihm etwas bieten kann. Aber wenn ich das nicht weiß, habe ich keine Chance“, sagt Machwürth. „An sich ist der Mitarbeiter nicht faul oder inkompetent, der ist irgendwann so geworden“, fügt er hinzu.
Doch nur sehr wenige Führungskräfte kommunizierten ausgiebig mit ihren Mitarbeitern, sagt der Coach. „Für viele Entscheider ist der Mitarbeiter nur ein Funktionsträger. Sich mit dem Kollegen zu befassen und sich auch privat auszutauschen, ist eine hohe Hürde“, sagt Machwürth. Das koste Zeit – aber sich diese Zeit zu nehmen, kennzeichne erst eine gute Führungskraft.
TROTZVERHALTEN AUS ANGST
Wie viel solche Gespräche ausmachen, hat Machwürth selbst erlebt: „In einem Team, bei dem wir wegen einer neuen Führungskraft eine Teamentwicklung durchgeführt haben, stellte sich ein Mitarbeiter als schwierig heraus“, erzählt er. Alle Logistikmitarbeiter waren für je ein Land verantwortlich und eigentlich sollten sie sich bei Urlaub oder Krankheit gegenseitig vertreten. „Aber ein Kollege hat sich geweigert, sein Wissen zu teilen – somit war eine Urlaubsvertretung oder im Krankheitsfall unmöglich“, sagt Machwürth. Er war schlicht unentbehrlich – aber dadurch auch problematisch. Erst nach vielen Einzelgesprächen sei herausgekommen, dass der Mitarbeiter schlicht Angst hatte, seinen Arbeitsplatz zu verlieren, wenn er nicht unentbehrlich sei. Erst als ihm die Angst genommen war, gab er sein Wissen über Kontakte, Bestellungen und Co. weiter.
Doch auch dieses Führungsverhalten klappt nicht immer. Wo Kommunikation auf keinen fruchtbaren Boden treffe, müsse ein kleinteiliger Führungsstil her. „Das kostet viel Zeit, aber nur, wenn der Chef eng am Mitarbeiter arbeitet, findet dann zum Beispiel der Wissenstransfer statt“, erklärt Machwürth.
Hans-Peter Machwürth, Coach. (c) Machwürth
Hilft das alles nichts, muss die Führungskraft handeln. „Chefs neigen dazu, es zu lange zu dulden, wenn ein Mitarbeiter sich nicht gut ins Team einfügt oder einfach nicht leistet“, erzählt Kraus. „Das kann Jahrzehnte gehen.“ Das Nichtstun ist auch verständlich: Will man endlich handeln, schießt der Betriebsrat dazwischen oder eine andere Führungskraft schaltet sich ein. Und das ist bei weitem noch nicht alles: „Es besteht zudem die Gefahr, dass sich das Verhältnis umkehrt, wenn man es öffentlich macht. Dann heißt es, „Du führst ihn halt schlecht“, und aus dem schwierigen Mitarbeiter wird ein schlechter Chef“, sagt Kraus. Aber das Fehlverhalten hinzunehmen – so nachvollziehbar es auch ist -, ist genau der falsche Weg.
VORSICHT VOR DEN FAULEN – ANSTECKUNGSGEFAHR!
Diese Art von Low Performer könne sehr gefährlich werden, meint Kraus. „Das steckt das ganze Team an. Die anderen Mitarbeiter fragen sich dann, warum sie so viel ackern, wenn es offenbar auch funktioniert, nicht zu arbeiten“, erklärt Kraus. Entscheider unterschätzten häufig, welche Signalwirkung das Ignorieren auf Mitarbeiter hat. Dem kann Machwürth nur zustimmen: „Jede Abteilung weiß, wo die Leistungsträger stecken“, sagt er. „Oft ist ein Team dankbar, wenn ein Chef das alte System auseinandernimmt.“ Aber Nichtstun könne sich sogar auf das ganze Unternehmen auswirken, warnt Kraus.
„Ich hatte einmal in einer großen Firma einen Fall, wo eine Führungskraft zwar eine gute Performance geleistet hat – aber permanent Machtspiele gespielt hat“, erzählt der Unternehmensberater. Der Vorstand habe stets beide Augen zugedrückt – das führte dazu, dass auch die anderen Führungskräfte anfingen, Machtspiele zu spielen. „Ihnen wurde vom Vorstand unabsichtlich vermittelt, dass dies in Ordnung sei.“
Nach drei Jahren sei die ganze Führungskultur kaputt gewesen – bis ganz hinunter habe es Machtkämpfe gegeben. Schließlich wurde das „faule Ei“ entlassen. „Nach einigen Monaten gab es ein kollektives Aufatmen, als nicht mehr die Karriere und Machtspielchen dominiert haben“, erzählt Kraus. Auf einmal wurde in Meetings wieder über Themen geredet ohne Angst, dass man sich aus der Deckung begeben würde. Bis dahin war es aber ein weiter Weg gewesen.
DU BIST SCHULD!
Aber: Vielleicht ist es gar nicht der Mitarbeiter, der schwierig ist, sondern der Chef selbst. Die Schuld bei anderen zu suchen, sei menschlich, meint Unternehmensberater Kraus. „Das ist eine natürlich Abwehrreaktion“, sagt er. Oder der Mitarbeiter hat einen sehr triftigen Grund dafür, immer wieder quer zu schießen. „Es ist auch möglich, dass der Mitarbeiter Probleme sieht, die der Chef nicht wahrnimmt oder wahrnehmen will“, sagt Kraus. Fielen dauernd Sätze wie „Wir müssen doch dies und jenes machen“, sei es möglich, dass der Mitarbeiter besonders engagiert ist, meint Kraus. Dann sollte eine Führungskraft ganz genau hinhören und den Mitarbeiter in seinen Bedenken Ernst nehmen. „Blockt der Chef den Kollegen dann ab, kann es sein, dass er den größten Fehler seines Lebens macht.“
*Bettina Dobe ist freie Journalistin aus München


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