Mitarbeiter gewinnen und halten

Unternehmen müssen Bedürfnisse erkennen und erfüllen. [...]

Michael Hampel, Experte für Führung, Vertrieb und dauerhaft wirksame Umsetzung (Quelle: Michael Hampel / Dominik Pfau)

Viel Geld und viele Urlaubstage sollten reichen? Wer das als Arbeitgeber glaubt, der werde kaum offene Stellen besetzen geschweige denn die Mitarbeiter halten, sagt Michael Hampel, Experte für Führung, Vertrieb und dauerhaft wirksame Umsetzung.

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hätten heute höhere Ansprüche als früher und sie könnten sich das Unternehmen mittlerweile häufig aussuchen. „Wer da bestehen will, muss die wahren Bedürfnisse der Menschen erkennen und erfüllen“, so Hampel, der über 30 Jahre Erfahrung als Manager und Berater hat.

Vor wenigen Wochen erlebte Michael Hampel eine Situation, die ihm buchstäblich die Sprache verschlug. Ein Unternehmer aus dem Einzelhandel mit mehreren Geschäften, für den Hampel seit kurzem als Berater tätig war, hatte eine neue Mitarbeiterin gewonnen.

Es war ihr zweiter Tag im Betrieb, als sie Zeugin folgenden Vorfalls wurde: Einer ihrer Kollegen aus dem Service wurde von besagtem Unternehmer vor den Kollegen und vor Kunden angeschrien, ja regelrecht fertiggemacht. Noch am selben Abend reichte die neue Mitarbeiterin die Kündigung ein. Ihre Begründung: „In einem Unternehmen, in dem der Chef seine Leute so behandelt, möchte ich nicht arbeiten, ganz gleich, wie viel ich verdiene.“

Solche Beispiele seien keine Seltenheit, so Hampel, sondern tägliche Realität bei vielen Arbeitgebern. Tatsächlich verlassen laut einer aktuellen Studie der Haufe Akademie fast 20 Prozent der neuen Arbeitnehmer bereits in den ersten 100 Tagen ihren Arbeitgeber wieder. Dabei lasse sich eine Menge dagegen tun, betont Hampel: Neben den ganz normalen Grundbedürfnissen wie Wertschätzung oder faire, konstruktive Kritik haben Angestellte weitergehende Erwartungen. Wenn aber nicht einmal das Genannte ernst genommen werde, bräuchten sich die Unternehmen über Abwanderung nicht zu wundern.

Wahre Flexibilität

Wenn er neue Kunden frage, was für ihre Mitarbeiter neben Gehalt und Urlaub wichtig sei, dann würde meist als Erstes Flexibilität genannt, erzählt Hampel. Gerade die jüngere Generation, aber auch viele Ältere möchten die Möglichkeit haben, teilweise im Home Office zu arbeiten oder zumindest die Arbeitszeiten eigenständiger zu bestimmen. Hier geht es um wichtige Bedürfnisse, die unter anderem mit der Familie oder veränderten Ansprüchen zusammenhängen.

Hampel: „In Stellenanzeigen wird Flexibilität angepriesen, doch es fehlt eine Konkretisierung.“ Wahre Flexibilität sei mehr als der Wechsel zwischen dem Büro im Unternehmen und dem zu Hause. „Punkten kann, wer längere Auszeiten, also Dinge wie ein Sabbatical, erlaubt und generell auf veränderte Lebensumstände seiner Arbeitnehmer flexibel reagiert.“

Der Wunsch nach Home Office und etwa einer längeren Pause spiegelt für Hampel letztlich das Bedürfnis nach einer gelungenen Work-Life-Balance. Genauso wie die Anpassung der Arbeitszeiten oder -tage an die Lebenssituation des Mitarbeiters. So hat ein junger Mensch vielleicht Lust, mehr als 38 oder 40 Stunden zu arbeiten, weil er vorankommen möchte.

Stellt sich Nachwuchs ein, hat dagegen die Mutter oder der Vater oft den Wunsch, einen Tag mehr pro Woche bei seiner Familie zu verbringen oder mit weniger Arbeitszeit wieder ins Arbeitsleben einzusteigen. Auch ältere Menschen wollen sich oft etwas zurücknehmen, aber keineswegs immer mit 65 oder 67 komplett in Rente gehen. Sie sind aufgrund ihrer Erfahrung und ihres Wissens ein sehr wertvoller Schatz für Unternehmen.

Die Menschen seien keineswegs fauler oder weniger ambitioniert als unsere Eltern und Großeltern, ist Hampel überzeugt.

„Sie wollen nur mehr in allen Bereichen, beruflich und privat, da sich heute schlichtweg mehr Möglichkeiten bieten. Der eine verwirklicht sich den Traum von einer Weltreise, der andere schreibt vielleicht während seiner Auszeit ein Buch, engagiert sich sozial oder nutzt diese Monate für eine weitere Ausbildung.“ Auch im Job seien die Ziele hochgesteckt, nur wolle dafür kaum jemand noch 60 Stunden pro Woche im Betrieb verbringen.

So konnte ein Kunde von Michael Hampel eine Führungskraft nur halten, weil er ihm eine Auszeit von drei Monaten gewährte. Der Mann wollte sich schon vor längerer Zeit seine Lebensträume einer Alpenüberquerung und mehrerer Rennen mit dem Fahrrad erfüllen – und das, bevor das wegen Gründung einer Familie nicht mehr realistisch sein würde. Der Arbeitgeber spielte mit und der Mann war nach drei Monaten hochmotiviert und glücklich wieder am Start.

Auch ein gegenteiliges Beispiel hat Hampel auf Lager: Ein junger Mann, den er als sehr engagierte Führungskraft erlebt hatte, wollte, nachdem er Vater geworden war, ein halbes Jahr Auszeit nehmen und im Anschluss nur noch 30 Stunden pro Woche arbeiten. Der Arbeitgeber ließ sich darauf nicht ein, so dass der Mann tatsächlich gekündigt hat. Er war sich sicher, schnell wieder einen neuen Job zu finden.

Nun können Arbeitgeber sicher nicht jedem Wunsch ihrer Mitarbeitenden nachkommen, doch häufig genügen schon Kompromisse, um bestehende Angestellte nicht zu verlieren. Jede Kündigung koste den Arbeitgeber etwa sechs bis zwölf Monatsgehälter, sagt Hampel, bis die Stelle wieder neu besetzt und der Ersatz einigermaßen adäquat eingearbeitet ist! Bei Führungspositionen, in der Forschung und Entwicklung, im Projektmanagement oder Vertrieb seien die Kosten häufig noch um ein Vielfaches höher.

Wohlfühlen fördert Leistung der Mitarbeiter

Wir haben also Gehalt, Work-Life-Balance, Flexibilität. Zudem möchten sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wohlfühlen, Spaß an der Arbeit haben. „Wieso Spaß?“, würden ihn viele Führungskräfte oder Geschäftsführer fragen, so Hampel. Damit habe der Job doch nichts zu tun.

„Doch hat er“, sagt der Berater, „denn Freude oder gar Begeisterung sorgen dafür, dass Menschen hundertprozentig engagiert sind und ihr Potenzial voll ausschöpfen“. Und das kommt selbstverständlich dem Unternehmen zugute. Ergo: „Spaß maximiert Leistung und Erfolg, Unlust dagegen minimiert beides.“

Darüber hinaus hat Freude positiven Einfluss auf unsere Gesundheit und unser Immunsystem. Die AOK zitiert dazu in ihrem Gesundheitsmagazin eine Studie aus dem American Journal of the Medical Sciences. Danach erhöht Lachen die Anzahl und Aktivität einiger Immunzellen. Zudem wurden bestimmte Antikörper beobachtet, die in den Schleimhäuten des Körpers gegen eingedrungene Erreger schützen. Im Blut war Gamma-Interferon nachweisbar, das Zellen für den Kampf gegen Viren einsetzen. Außerdem senkt nach dieser Studie Lachen den Pegel der Stresshormone.

Gutes Miteinander, Integration und Sinn

Wichtig ist Mitarbeitern laut Hampel auch ein gutes Miteinander am Arbeitsplatz. Es sei ein Bestandteil guter Führung genau hierfür zu sorgen. So sollte gegenseitige Unterstützung propagiert und gefördert werden, nicht aber das Zurückhalten von Wissen durch die Führungskraft oder langjährige Mitarbeiter. Zur Philosophie des Unternehmens sollte Kooperation statt internem Gegeneinander gehören. Wenn es Wettbewerbe gibt, dann sollten sie Anreize zu mehr Leistung liefern und das Team noch mehr zusammenschweißen.

Hampel: „Einem Team, das nach diesen Grundsätzen arbeitet, fällt es leicht, neue Mitglieder rasch zu integrieren. Und das ist es, was wir alle wollen, nämlich Aufnahme in eine Gemeinschaft.“

Sehr relevant ist das Thema Integration für neue und insbesondere für ausländische Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. „Hier hilft Unterstützung etwa bei der Suche nach einem Sprachkurs, einem Kindergartenplatz für den Nachwuchs oder einer Wohnung sowie Weiterbildung enorm“, weiß Hampel. Deutschland sei im „War for Talents“ mittelmäßig platziert und deshalb müsse man gegensteuern.

„Nicht auf den Staat warten, sondern selbst etwas tun“, lautet dazu der Rat des erfahrenen Experten. „Auf Augenhöhe mit den Kolleginnen und Kollegen und ein Bestandteil der Gemeinschaft sein: Das wünschen sich vor allem Menschen aus anderen Ländern, aber auch Quereinsteiger.“

Mein Beitrag zum großen Ganzen

Wohl einer der Faktoren, die für Arbeitskräfte am meisten zählen, ist das Erlebnis einer sinnvollen Tätigkeit. Und dafür wiederum sei Einbinden das Zauberwort, sagt Hampel. „Arbeitnehmer wollen heute wissen, welchen Beitrag zum großen Ganzen sie leisten, welche Ziele jenseits von Gewinnsteigerung das Unternehmen hat, welche Innovationen geplant sind.“

Bei Change-Prozessen sollten die Betroffenen von Anfang an einbezogen werden. So entstehe eine ganz andere Motivation, als wenn lediglich von oben herab sozusagen durchregiert werde.

Hautnah mitbekommen hat Hampel das bei einer Autohausgruppe, die er seit über einem Jahr in Sachen Unternehmensnachfolge und Entwicklung der Führungskräfte begleitet. In solchen Prozessen gehe es immer auch um neue Strategien fürs Unternehmen, die künftigen Erfolg gewährleisten.

Die Geschäftsleitung beschloss deshalb gemeinsam mit dem Führungsteam, zusätzlich zu den Automarken, die die Häuser vertreten, auch Wohnmobile und den Service dafür ins Portfolio aufzunehmen. Der Bau einer neuen Werkstatt war deshalb notwendig geworden.

Hampel fragte bei einem der Strategiemeetings, ob denn die Mechaniker und Meister aus der Werkstatt in die Planung für die neue Werkstatt einbezogen worden seien. Dies war nicht der Fall, wurde jedoch auf seine Empfehlung hin nachgeholt. Die Geschäftsleitung vermied so eine komplette Fehlplanung.

Denn: Die Meister und Mechaniker legten sich richtig ins Zeug. Selbst langjährige Mitarbeiter, die zuvor nicht wirklich gut zusammengearbeitet hatten, zogen plötzlich an einem Strang. Gemeinsam planten sie die neue Werkstatt so um, dass alles viel einfacher und praktikabler wurde. Schließlich kannte niemand die wahren Anforderungen an den Neubau besser als diejenigen, die in diesem arbeiten würden.

Das riesige Engagement der Mitarbeiter überraschte und begeisterte Führungskräfte und Unternehmer der Autohausgruppe. Wäre die Werkstatt wie ursprünglich geplant gebaut worden, hätte es dagegen enormen Frust gegeben – und vermutlich einige Kündigungen. Ähnliches hat Hampel bereits vielfach erlebt „und es sind schon Leute wegen wesentlich weniger folgenreicher Entscheidungen gegangen, wenn man sie in diese nicht einbezogen hat“.  

Anerkennung und Autonomie

Während Integration unser Grundbedürfnis nach Bindung befriedigt, erfüllen Anerkennung und Lob das nach Selbstwerterhöhung. In regelmäßigen Feedbackgesprächen sollten Führungskräfte ihren Teammitgliedern eben diese Dinge zollen. Das sei gar nicht so einfach wie gedacht, sagt Hampel, denn leider würde sich der Mensch mehr auf das Negative als auf das Positive fokussieren.

Hier gelte es, bewusst gegenzusteuern „und erst einmal das anzusprechen, was gut gelaufen ist“. Leider sieht die Praxis komplett anders aus. Führungskräfte haben oft wenig Zeit für ihre Angestellten oder sie nehmen sich diese nicht. Die Folgen: Es werden fast ausschließlich Anweisungen gegeben und kritisiert, wenn etwas falsch gelaufen ist, was die Mitarbeiter extrem frustriert.

Und schließlich ist da noch das Basisbedürfnis nach Autonomie. Schon kleine Kinder möchten vieles „selber machen“, um sich auszuprobieren, um die eigenen Stärken zu entdecken, um sich zu beweisen und sich weiterzuentwickeln. Genau dasselbe gilt auch für Erwachsene – unter anderem in der Position von Mitarbeitern.

Unternehmen stellt das die Aufgabe, jedem Angestellten ein gewisses Maß an Eigenverantwortung, an Spielräumen zu geben. Hampel: „Das begeistert die meisten mindestens ebenso wie ein hohes Gehalt – und es wirkt viel nachhaltiger.“ Zudem könnten bei einer Projektarbeit oder im Vertrieb erreichte Ziele mit Boni und Prämien verbunden werden. Das würde das Engagement und die Lust auf den Job noch mehr steigern.

10 Tipps, um die Bedürfnisse der Mitarbeiter zu erfüllen

  1. Sorgen Sie dafür, dass Versprechungen aus Stellenanzeigen bereits im Bewerbungsprozess auch erlebbar werden. Sonst springen Ihnen die ersten Bewerber sofort wieder ab.
  2. Halten Sie Zusagen, die Sie im Vorstellungsgespräch und auch vertraglich gegeben haben, unbedingt ab dem ersten Arbeitstag ein. Sonst verlassen Sie die  Leute innerhalb weniger Tage.
  3. Beziehen Sie Ihre neuen Mitarbeiter bei der Suche nach weiteren Arbeitskräften mit ein. Diese sind oft in Kontakt mit ihren ehemaligen Kollegen oder mit ihrer Community in der Heimat. Sie können so ihre positiven, besser begeisterten Eindrücke weitergeben und aktiv für Sie werben.
  4. Beziehen Sie Ihre Mitarbeiter in Entscheidungsprozesse ein. Machen Sie sie zu Gestaltern statt zu Auftragsempfängern und sorgen Sie so für Rückenwind statt Gegenwind.
  5. Befragen Sie Ihre Belegschaft zu deren Bedürfnissen. Kommunizieren Sie im Anschluss offen, was Sie vorhaben, also welche mit der Befragung verbundenen Veränderungen geplant sind.
  6. Informieren Sie generell regelmäßig über das, was die Geschäftsleitung plant und wie Ihr Unternehmen sich entwickelt. Das gibt Sicherheit und vermeidet negative Gerüchte über den „Flurfunk“.
  7. Suchen Sie regelmäßig über verschiedene Wege auf allen Ebenen den Kontakt und das Gespräch mit Ihren Mitarbeitern. So wachsen Vertrauen und Zugehörigkeitsgefühl – und die Abwanderungsquoten sinken rapide.
  8. Werden Sie digital! Schaffen Sie moderne Arbeitsbedingungen und nutzen Sie digitale Medien für die Kommunikation und Organisation. Das vereinfacht Prozesse, spart Zeit und Kosten und zieht vor allem junge Menschen in Ihr Unternehmen.
  9. Loben Sie regelmäßig und sorgen Sie für Erfolgserlebnisse, die Sie gemeinsam mit Ihren Leuten feiern können. Das macht bewusst, was gemeinsam erreicht wurde und stärkt die Gemeinschaft.
  10. Sorgen Sie insgesamt für eine offene, vertrauensvolle Kommunikation und stärken Sie das „Wir-Gefühl“. Das gelingt, indem Sie für Ihre Mitarbeiter nahbar werden und deren Bedürfnisse, wo immer es geht, in Ihre Entscheidungen einbeziehen – und das auch kommunizieren. „Tue Gutes und rede darüber“ gilt hier als wichtigster Grundsatz.

*Michael Hampel ist Berater, Trainer und Coach sowie Mentaltrainer Sport B-Lizenz nach DOSB und European Psychotherapist (ECP/EAP®). Er hat seit 1999 bereits über 300 Unternehmer und mehr als 2000 Führungskräfte bei der Verbesserung ihrer Führungsarbeit unterstützt. Ein besonders wichtiger Faktor ist für ihn die Nachhaltigkeit der Wirksamkeit im Unternehmen. Der Bayreuther arbeitet nicht mit theoretischen Modellen, sondern entwickelt gemeinsam mit der gesamten Führungsmannschaft seiner Kunden individuelle Lösungen, die von allen Mitarbeitern mitgetragen und sofort umgesetzt werden.


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