Mythen zur Reparatur von Festplatten entzaubert

Do-It-Yourself-Reparaturen an Festplatten und warum sie scheitern: Viele Tipps, über die man in Internetforen stolpert, haben ihren Ursprung vor ca. zehn bis 15 Jahren und haben in Einzelfällen vielleicht auch mal mit mehr Glück als Verstand für den einen oder anderen Anwender funktioniert. Die Mehrzahl der Anwender wird heute wie damals jedoch mehr Schaden anrichten, als dass es ihnen Nutzen stiften wird. Hier finden Sie die gängigsten Mythen, ihre Hintergründe - und warum die Tipps nicht funktionieren. [...]

Wenn die Festplatte spinnt, komische Geräusche macht oder sogar komplett ausfällt, suchen viele Nutzer bei Dr. Google und in Internetforen um Rat. Oft stoßen sie dabei aber auf Tipps, die auf Mythen basieren, stark veraltet oder komplett falsch sind. Die Spezialisten von KUERT Datenrettung haben sich einiger dieser Gerüchte angenommen und klären zu den Hintergründen der oft fragwürdigen Hilfestellungen auf.

1. Runterkühlen oder erhitzen defekter Festplatten im Kühlschrank / Eisfach oder Ofen:

Immer wieder weisen Nutzer in Foren darauf hin, dass defekte Festplatten sich durch Einfrieren oder Erhitzung reparieren lassen. Anwender, deren Festplatte defekt ist, und die sich an diesen Tipps orientieren, sollten sich der Tatsache bewusst sein, dass sie durch diese Vorgehensweise bereits bestehende Beschädigungen noch verschlimmern können.

Was jedoch genau sind die Ursachen und Wirkungen solcher fragwürdigen Tipps?

Was den Tipp des Einfrierens oder Erhitzens von defekten Festplatten angeht, so muss man etwas in der Historie von Festplattentechnologie zurückspringen, denn hier liegen die eigentlichen Wurzeln dieses Gerüchts. Damals war die Datendichte pro Magnetscheibe in einer Festplatte wesentlich geringer, als dies heutzutage der Fall ist. Dementsprechend entstanden einige Theorien, so zum Beispiel, dass plötzliche Temperaturschwankungen im Innern einer Festplatte dazu führen sollen, dass das Material sich ausdehnt bzw. wieder zusammenzieht. So finden sich einige Theorien, die in diese Richtung gehen, dass ein Einfrieren der Festplatte es ermöglichen solle, den defekten Spindelmotor einer Festplatte wieder in Gang zu setzen. Weitere Mythen in diesem Bereich zufolge soll das Einfrieren es ermöglichen, dass man einen zeitweiligen Zugriff auf Daten erhält, wenn Festplatten im laufenden Betrieb zu heiß werden und man deshalb auf diese nicht zugreifen kann. Andere Theorien beziehen sich auf den Schutzfilm über den Magnetscheiben, das sogenannte Lubrikant, mit einer durchschnittlichen Stärke von ca. 2nm. Die Absenkung von Temperaturen soll gemäß dieser Theorien dazu führen, dass die am Lubrikant festgeklebte Schreib-Leseköpfe sich durch den Temperaturwechsel wieder lösen sollen. Das bei der Versiegelung von Magnetscheiben eingesetzte Lubrikant besteht jedoch üblicherweise aus einer Art Perfluoropolyether. Die Übergangstemperatur, bei dem die Polymerketten ihre Elastizität verlieren, liegt im Bereich von -60 bis -120 Grad Celsius – das dürfte die meisten Tiefkühlschränke überfordern.

Viel schlimmer noch: Beim Einfrieren einer Festplatte bilden sich Kondensationsrückstände auf den Magnetscheiben und verhindern eine fehlerfreie ferromagnetische Funktionsweise. Denn um Daten lesen zu können, dürfen keinerlei Partikelrückstände vorhanden sein. Zudem bilden sich auch Rückstände auf den elektronischen Bauteilen und Leiterbahnen von Festplatten. Wer Kondensation bei seinen Do-It-Yourself-Aktivitäten somit nicht einkalkuliert und solche Platten im Anschluß zu früh einschaltet, läuft stark Gefahr, dass die Festplatte sich mit einem Kurzschluss auf der Platine revanchiert.

Somit ist von einem Einfrieren oder Tiefkühlen von defekten Festplatten zwingend abzuraten.

Bei Festplatten, die im laufendem Betrieb zu heiß werden, was selten vorkommt, ist dies zumeist einer fehlerhaften Platine geschuldet. Datenrettungslabore lösen diese Art von Defekten in der Regel recht erfolgreich. Dabei wählen sie jedoch gänzlich andere Vorgehensweisen, die hierbei weniger invasiv für den Gesamtzustand der Festplatte und dabei wesentlich erfolgreicher sind.

Zusammengefasst: Forenbeiträge beruhen zumeist auf Mythen, die vielleicht vor 10 bis 15 Jahren funktioniert haben. Wer diesen Beiträge von Unbekannten Vertrauen schenken will, sollte sich stets darüber im Klaren sein, dass er hierdurch bereits bestehende Beschädigungen an Laufwerken oftmals noch verstärkt und im Falle eines Misserfolgs auch die erfolgreichsten Datenrettungslabore vor unlösbare Aufgaben stellen kann.

2. Ein kräftiger Schlag auf die Festplatte und sie fährt wieder an

Manche Nutzer berichten auch, dass ein Schlag auf defekte Festplatten diese wieder in einen funktionierenden Zustand versetzen soll. Betrachtet man es rein technisch, dann gibt es sogar einen passenden Hintergrund, bei dem diese These funktionieren kann. Das Problem hierbei ist jedoch, dass die Art von Festplatten, die solch eine grobe Vorgehensweise verzeihen würde, schon seit 10 bis 15 Jahren nicht mehr produziert werden. Kräftige Schläge oder starkes Schütteln defekter Festplatten verschlimmern existente Beschädigungen gravierend und sind in keinster Weise empfehlenswert.

Der Ursprung des Gerüchts liegt irgendwo in den späten 90er-Jahren. Damals gab es bei manchen Festplatten die Eigenheit, dass die Schreib-Leseköpfe der Festplatten unter bestimmten Umständen am Lubrikant der Festplatte festklebten. In Teilen waren dies die Folgen eines vorher einsetzenden Headcrashs der Festplatte. Das Festkleben der Köpfe am Lubrikant verhinderte ein Anfahren der Festplatte. Ein Schlag auf die Festplatte sollte in diesem Szenario eine Erschütterung auslösen, so dass sich die Köpfe wieder lösen und der Spindelmotor der Festplatte wieder drehen konnte. Bereits damals jedoch bereitete diese Vorgehensweise den meisten Nutzern mehr Schaden als wirklichen Nutzen und ging oftmals Hand in Hand mit großen Datenverlusten als direkte Folge dieser Art von Rettungsversuchen.


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