Versicherungsportale hatten in der Vergangenheit oft nicht den erhofften Erfolg. Mit einem strikt kundenorientierten Ansatz können Versicherer ihre Portale für Kunden attraktiver machen. [...]
Auch die Versicherungsbranche versucht das Netz heute nicht nur für die Präsentation von Unternehmen und Produkten zu nutzen, sondern ihre Web-Strategie darauf auszurichten, den Kunden besondere Services oder Mehrwerte zu bieten. Ein Ansatz ist in vielen Unternehmen die Einführung eines Kundenportals, über das der Kunde Zugriff auf seine Daten und Verträge hat und Services nutzen kann.
Unternehmen versprechen sich von solchen Portalen sowohl eine höhere Kundenbindung durch den einfacheren Zugang zum Unternehmen als auch eine Entlastung bei den Prozesskosten, da Informationen gezielter und unter Rückgriff auf die vorhandenen Daten gesammelt, aufbereitet und in die vorhandenen Prozesse gegeben werden können.
Versicherungsunternehmen, die schon längere Zeit entsprechende Portale betreiben, stellen jedoch ernüchtert fest, dass sowohl die Nutzerzahlen als auch die Nutzungsfrequenz deutlich hinter den Erwartungen zurückbleiben und insgesamt nicht die gewünschten Effekte erzielt werden.
Die niedrige Nutzungsfrequenz von Versicherungsportalen kann zum einen mit dem Versicherungsprodukt an sich begründet werden. Insbesondere im Vergleich zu Banken werden die angebotenen Services und Funktionen von den Kunden nur selten benötigt. Kunden treten in den meisten Fällen mit einer Versicherung erst dann in Kontakt, wenn ein Leistungsfall eintritt.
Zum anderen sind Services oft nicht an den Bedürfnissen der Kunden orientiert, sondern voll auf den versicherungsfachlichen Kontext ausgerichtet – sie spiegeln die internen Strukturen der Versicherer wider. So gibt es häufig Services, die an einzelnen Verträgen beziehungsweise Sparten hängen, obwohl sie aus Kundensicht vertragsübergreifend sind. Bestes Beispiel dafür ist ein Umzug – kaum ein Portal ist in der Lage, den Kunden strukturiert durch die Änderung der Adresse sowie den damit möglicherweise verbundenen Änderungen der Risikoadresse in Hausrat und Wohngebäude zu führen. Die fallabschließende Weiterführung von Prozessen bis zur Vertragsänderung, die durch Änderungen an Vertragsdaten angestoßen werden, ist noch seltener zu finden. Ebenso werden gezielte Informationen an den Vertrieb zu Aktivitäten der Nutzer im Portal fast nirgendwo weitergegeben, obwohl es sich aus vertrieblicher Sicht um Leads handelt, die hoch qualifiziert sind und beispielsweise einen idealen Beratungsansatz für einen Vermittler darstellen.
Auch das gesamte Erscheinungsbild der Portale folgt oft der klassischen Versicherungssicht – die häufig anzutreffende Trennung in die Bereiche „Meine (Kunden-)Daten“ und „Meine Verträge“ verschenkt nicht nur die Möglichkeit, den Kunden gezielt, einfach und in seiner Denkweise anzusprechen sondern auch Möglichkeiten zum Cross-/Upselling und damit einer verbesserten Unterstützung des eigenen Vertriebs. Vielfach blockieren aber auch interne Vertriebsstrukturen die übergreifende Vertragssicht.
Versicherungsportale werden außerdem oft vertrieblich nicht akzeptiert, vornehmlich wegen mangelhafter oder falscher Kommunikation, aber auch weil das Potenzial solcher Portale in der Vertriebsintegration nicht ausgeschöpft und erkannt wird – beispielsweise über ein entsprechendes Lead-Management.
AUS SICHT DES KUNDEN
Zur Behebung dieser Schwächen müssen Versicherungsunternehmen zunächst einmal eine kundenzentrierte Sicht einnehmen. Dies ist als Basis eines erfolgreichen Portals unverzichtbar. Der Kunde will das Portal in der Regel aus einem konkreten Anlass nutzen – zum Beispiel wegen eines Umzugs oder eines Schadens. Damit rücken versicherte Risiken und Kundenprozesse in den Mittelpunkt und nicht die versicherungslogische Sicht mit einer Trennung nach Kunden, Verträgen und Sparten.
Ein praxisorientierter Ansatz stellt den Kunden als Partner und seine versicherten (Sach-)Objekte in den Mittelpunkt, ermöglicht ihm einen einfachen Zugang zu allen Services – mit Assistance / Schadenmanagement – und zeigt ihm gleichzeitig vorhandene Lücken. Mit diesem Ansatz unterscheidet sich ein Kundenportal deutlich von den meisten bislang bekannten Lösungen, da es die Navigation inhaltlich anders umsetzt, die nicht abgesicherten Risiken berücksichtigt und einen erweiterten Service- beziehungsweise Assistance-Ansatz unterstützt. In Verbindung mit der gezielten Information über Kundenaktivitäten im Portal an den Vertrieb, lassen sich außerdem gezielte Ansatzpunkte für Vertriebsansätze identifizieren, die der Kunde auch schnell als unterstützend aufnimmt.
Auch die Anbindung bestehender Services ist ein Mehrwert für den Kunden. So sollten beispielsweise beim Aufruf eines versicherten KFZ alle dazu verfügbaren Dokumente wie Policen, Beitragsrechnungen und weiterer Schriftverkehr online bereitgestellt werden.
Ein einfacher Registrierungsprozess hilft, Nutzer für ein Portal zu gewinnen. Dabei muss immer im Mittelpunkt stehen, dass der Kunde als Nutzer auch die einzelnen Schritte der Registrierung versteht. Die Ausstattung des Kunden mit Zugangsdaten ohne dessen aktives Zutun führt zwar statistisch zu einer höheren Anzahl an Benutzern, bewirkt aber effektiv nur nicht genutzte Zugänge.
Über den Aspekt der Kundenperspektive hinaus ist eine Aufwertung der Inhalte notwendig, um die Nachhaltigkeit der Nutzung zu erhöhen. Ein ausschließlich auf das Versicherungsgeschäft beschränktes Portal ist für den Kunden auf Dauer nicht hinreichend interessant. Die Unterstützung von Fahrschulprüfungen, ein Angebot für Fahrsicherheitstrainings, Services wie etwa Werkstattempfehlungen, zertifizierte Sachverständige oder Musterverträge sind Beispiele aus dem KFZ-Umfeld, die ein Portal interessanter machen. Auch spartenübergreifende Services wie beispielsweise eine sichere Dokumentablage, die Zugriff auf wichtige Dokumente im Urlaub ermöglicht, können einen echten Mehrwert für den Kunden darstellen.
Die Funktionen und Services bestehender Portale sind meistens auf die Unterstützung von (internen) Verwaltungsprozessen ausgerichtet. Mit der hier skizzierten kundenzentrierten Lösung kann auch der Vertrieb unterstützt werden, wenn zum Beispiel bei einem Interesse des Kunden an einem bislang nicht abgesicherten Risiko automatisch ein entsprechender Lead generiert wird.
Mit der optimierten Prozesssteuerung und einem integrierten Dokumentemanagement gibt es darüber hinaus die Option, Drittprodukte wie beispielsweise eine Schadenmanagementplattform wie drebis von Adesso in das Portal zu integrieren und damit auch die internen Prozesse weiter zu verschlanken.
MOBILE PORTALE
Eine 1:1-Umsetzung der Portalwelt für mobile Endgeräte erscheint wenig sinnvoll. Mit Themen wie Vorsorge und Absicherung befasst sich der Versicherungskunde selten „unterwegs“, sondern eher in einer ruhigen Minute am heimischen PC oder Laptop.
Der Vorteil mobiler Endgeräte kann stattdessen gezielt an anderer Stelle ausgespielt werden: Wenn der Kunde etwa im Schadenfall Hilfe braucht, kann er über eine App schnell Kontakt zum Versicherer herstellen. Dabei nutzen Apps die Möglichkeiten mobiler Geräte, beispielsweise mit Positionsbestimmung und Foto, um Hilfe anzubieten und gleichzeitig den Schaden effizient zu managen. Hier muss je nach Ausrichtung des Unternehmens individuell entschieden werden, welchen Funktionsumfang eine entsprechende App – auch über das Schadenhandling hinaus – bieten sollte.
Insgesamt bleibt festzustellen, dass der Weg zu einem nachhaltig genutzten Portal, welches sowohl den Kunden anspricht als auch die Prozesse des Unternehmens optimal unterstützt, lang und mit einigem Aufwand verbunden ist. Geht man ein entsprechendes Portal aber kreativ und mit Fokus auf den Kunden an, kann es für diesen sowie für das Unternehmen zu einer Erfolgsgeschichte werden und Treiber für Prozessverbesserungen sein.
* Carsten Bovelet verantwortet als Managing Consultant bei der Adesso AG das Themengebiet Kundenportale im Versicherungsumfeld. Sven Brose ist Consultant bei der Adesso AG und beschäftigt sich vornehmlich mit Portalstrategien und Testmanagement.
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