Ordentlich was auf die Ohren

Basierend auf den Erfahrungen aus etlichen Contact-Center-Projekten geben Andreas Runge und Gregor Knipper 5 Tipps, mit denen Contact-Center-Manager das passende Headset für ihre Agenten finden. [...]

Ein funktionales Headset ist, neben leistungsfähiger Unified-Communications- und Contact-Center-Software, das Hauptarbeitswerkzeug von Contact-Center-Agenten. (c) Jabra
Ein funktionales Headset ist, neben leistungsfähiger Unified-Communications- und Contact-Center-Software, das Hauptarbeitswerkzeug von Contact-Center-Agenten. (c) Jabra

Das gute alte Call Center ist längst zum Multi-Channel-Contact-Center geworden. Service-Mitarbeiter nehmen Kontaktwünsche nicht nur mehr per Telefon, sondern auf vielen unterschiedlichen Kanälen entgegen – per E-Mail oder Kontaktformular zum Beispiel, auch per Brief und Fax, neuerdings auch via Chat. Und dennoch: das Telefon bleibt die unangefochtene Nummer eins unter den Kanälen im Contact Center.

Dies hat vielerlei Gründe. Das Telefon ist für den Kunden ein nicht hinterfragter, sehr vertrauter Kommunikationskanal. Per Telefon erhält man unmittelbare Rückmeldung auf ein Problem, und Anliegen können, gerade wenn sie komplex sind, über gesprochene Sprache und ihre Rückmelde- und Rückversicherungsmöglichkeiten nach wie vor besser geklärt werden als zum Beispiel über geschriebene Sprache – auch wenn sich hier viel tut.

Telefonieren im Contact Center bedeutet längst nicht mehr Hörer abnehmen oder Knöpfchen drücken. Stattdessen nehmen Agenten Anrufe per Mausklick entgegen. Die Telefonie wandert von Spezial-Hardware auf den Rechner. Softphone-Lösungen wie Skype for Business machen’s möglich. Ein funktionales Headset ist daher, neben leistungsfähiger Unified-Communications- und Contact-Center-Software, das Hauptarbeitswerkzeug von Agenten. Contact-Center-Verantwortliche sollten diesen Punkt keinesfalls unterschätzen und ihren Mitarbeitern qualitativ hochwertige, robuste und vor allem zur Arbeitssituation und dem Träger passende Kopfhörer bereitstellen. Auf diese fünf Punkte sollten Contact-Center-Manager bei der Auswahl von Headsets für ihre Mitarbeiter achten:

1. Intelligente Geräuschunterdrückung: Konzentriertes Arbeiten unter lauten Bedingungen

In einem typischen Contact Center arbeiten viele Mitarbeiter auf wenig Raum zusammen. Stellenweise bis zu 100 Agenten in einem großen Raum, nur durch niedrige Stellwände getrennt, sind keine Seltenheit. Und alle telefonieren. Die Lärmbelastung ist hoch, der Betrieb meist hektisch. Abhängig von der angebotenen Dienstleistung kann es vorkommen, dass aufgebrachte Kunden besänftigt und Probleme gelöst werden müssen. Dies sorgt für eine angespannte Atmosphäre. Konzentriertes Arbeiten unter solchen Vorzeichen – in anderen Bereichen undenkbar und doch Alltag im Contact Center. Hinzu kommt, dass es am Telefon zunehmend um knifflige Fälle geht, die geklärt werden müssen, da leichte Anfragen automatisiert von Computern erledigt werden. Und immer häufiger sind die anrufenden Kunden durch vorherige Online-Recherchen besser aufgeklärt und steigen auf einem hohen Niveau ins Gespräch ein.

Wer über mehrere Stunden kognitiv hoch anspruchsvolle Arbeit bei hoher Lärmbelastung verrichten soll, muss besonders gut abgeschirmt sein. Das Headset braucht daher ein Höchstmaß an Geräuschunterdrückung. Profi-Kopfhörer dämpfen nicht nur Stimmen, Umgebungslärm oder Geräuschspitzen aus der Umgebung durch intelligente, eingebaute Mikrofontechnik; sie filtern auch Störsignale aus dem Signal des Gesprächspartners, etwa wenn dieser aus dem Auto anruft.

2. Ergonomie: Leicht, angenehm, aber trotzdem robust

Für jemanden, der sein Werkzeug über Stunden am Körper trägt, ist Ergonomie das A und O. Ein Contact-Center-Headset sollte daher vor allem leicht sein, branchenüblich sind um die 75 Gramm bei Stereo-Modellen. Die Kopfhörer sollten sich feingranular verstellen lassen und gut am Kopf anliegen. An kritischen Stellen, etwa an den Ohren, müssen Contact-Center-Headsets haptisch angenehm und weich gepolstert sein.

Gleichzeitig muss ein Profi-Headset besonders robust sein, vor allem an stark beanspruchten Stellen wie dem Kabel, das Bürostuhldrehen, Knicken oder scharfen Gegenständen trotzen muss, oder dem Mikrofonarm, der aus extrem bruchsicherem Kunststoff gearbeitet sein sollte.

3. Mit oder ohne Kabel?

Grundsätzlich kann man unterscheiden zwischen schnurgebundenen und schurlosen Headsets. Die Funkmodelle bieten eine höhere Flexibilität und einen größeren Aktionsradius, sind aber auch kostspieliger. Schnurgebundene Modelle startem bei einem Preis von 100 Euro. Bei der schnurlosen Variante sollten mindestens 200 Euro veranschlagt werden.

Wenn kabellose Headsets eingesetzt werden sollen, sollten Contact-Center-Verantwortliche zwei Punkte im Auge behalten: die Betriebsdauer und die Akkuladezeit. Erstere sollte einen kompletten Arbeitstag ohne Einbußen in der akustischen Qualität durchhalten. Die Akkuladezeit sollte möglichst kurz sein, falls doch einmal innerhalb der Arbeitszeit aufgeladen werden muss. Üblich sind Schnelladezyklen von 30 Minuten für 40 Prozent Akkukapazität.

4. Heute schon an morgen denken: Kompatibilität und Schnittstellen

Früher wurden Headsets ans Tischtelefon oder Spezial-Hardware angeschlossen. Im Zuge von All-IP kommunizieren Headsets heute immer öfter mit PCs. Diese sind an sich nicht auf bestmöglichen Sound ausgelegt. Daher ist es umso wichtiger, dass die Eingangsqualität der Sprachsignale stimmt. Headsets für den Contact-Center-Einsatz arbeiten mit ausgeklügelter Mikrofontechnik, die zum Beispiel Atemgeräusche des Agenten herausfiltert. Gerade das bestmögliche akustische Erlebnis ist ein immer größer werdender Faktor in der Kundenzufriedenheit, der KPIs wie Call-Länge oder -Häufigkeit verdrängt.

Auch softwareseitig sind Profi-Headsets speziell auf den Einsatz mit Contact-Center-Systemen getrimmt. Denn es werden zunehmend intelligente Softwarelösungen eingesetzt, die im Hintergrund die Gespräche analysieren. Dazu zählen Parameter wie Emotionen, Tonlage, ist der Anrufer nervös, wie reagiert er? Daher sind offene Schnittstellen wichtig, damit die Anbieter neuer Technologien die Headsets ohne Probleme direkt in ihre Spezialanwendungen integrieren können.

5. Probieren geht über Studieren

Die vorangegangenen Punkte haben gezeigt: Es gibt einige grundlegende Punkte, auf die Contact-Center-Manager bei der Anschaffung von Headsets achten sollten. Und dennoch geht am Ende probieren über studieren. Denn wie bei einer Brille muss der Träger entscheiden, ob ihm das Headset passt. Ob nun Überkopfbügel, Nackenbügel, Mono versus Stereo oder gar die Convertible-Variante für nur ein Ohr, ob kabellos oder kabelgebunden – es gibt für jeden Bedarf das passende Headset. Jedoch passt nicht pauschal dasselbe Modell für alle Mitarbeiter.

Wichtig ist darüber hinaus, dass die Agenten verschiedene Headsets ausprobieren dürfen. So können sie etwa die Wirkweise der Geräuschunterdrückung einschätzen und damit, wie laut oder leise sie sprechen müssen. Auch nach dem Kauf sollte eine regelmäßige Kontrolle erfolgen, ob das Gerät noch richtig sitzt, ob das Gegenüber richtig verstanden wird und auch selber gut versteht. Nur wenn das Modell bedarfsgerecht ausgewählt ist, kann der beste Nutzen daraus gezogen werden.


* Andreas Runge ist Contact-Center-Experte bei IP Dynamics. Gregor Knipper ist Managing Director Central Europe bei Jabra.


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