Das Angebot an Low-Code-Entwicklungsplattformen ist üppig und wächst weiter rasant. Oft richtet es sich zunächst an Profientwickler, die schnell neuere Themen wie die Realtime-Verarbeitung von Sensordaten im Internet of Things (IoT) oder Machine-Learning-Ideen umsetzen wollen. Doch auch die sogenannten Citizen Developers kommen auf ihre Kosten. [...]
Immer mehr Unternehmen investieren in eine oder mehrere Low-Code Application Platforms (LCAPs), um ihre Softwareentwicklung und damit ihren digitalen Wandel zu beschleunigen. Die Analysten von Gartner erwarten, dass schon im Jahr 2025 rund 70 Prozent der von Unternehmen entwickelten Anwendungen auf Low-Code- und/oder No-Code-Techniken basieren werden.
In den vergangenen Jahren hat sich eine Handvoll Anbieter einen Vorsprung vor allen Wettbewerbern herausgearbeitet. Gartner platziert Mendix, OutSystems und Microsoft in seinem magischen Quadranten an der Spitze (Stand August 2021). Ihnen sitzen Salesforce und ServiceNow im Nacken, beide aber ebenfalls noch im Leaders-Quadranten platziert. Als Herausforderer mit guten Chancen identifizieren die Marktforscher Appian, Pega und Oracle. Außerdem werden Newgen, Creatio, Kintone und Quickbase als aussichtsreiche Nischen-Player geführt.
Wichtige Kriterien in der Beurteilung von Low-Code-Entwicklungsplattformen sind die Breite und Tiefe des Tool-Angebots sowie Funktionen rund um Prozessautomatisierung, Collaboration, Reporting, mobile App-Entwicklung sowie IoT- und Machine-Learning-Features. Hinzu kommen die Strategien und Ambitionen der Anbieter, die Kundenbasis und das Partner-Ökosystem.
Werfen wir einen genaueren Blick auf die führenden LCAPs:
Outsystems – Speed überzeugt Kunden
Mit seiner Plattform gehört das Softwareunternehmen Outsystems, das seine Wurzeln in Portugal hat, zu den marktführenden Anbietern. Laut Gartner bietet das Produkt robuste Sicherheit, Multi-Experience-Entwicklung und KI-gestützte Developer-Funktionen, die eine schnelle Anwendungsentwicklung erlauben. Generell sei die hohe Produktivität der Entwickler ein differenzierendes Merkmal.
OutSystems ist vor allem in Europa und Nordamerika bekannt, wenngleich auch im asiatisch-pazifischen Raum Fortschritte erzielt wurden. Das Unternehmen hat viele Kunden in der Finanz- und Versicherungswirtschaft sowie im Bereich Professional Services.
Stärken
OutSystems bietet fortgeschrittene Low-Code-Funktionen wie KI-unterstützte Entwicklung, native (aber proprietäre) Continuous Integration/Continuous Delivery (CI/CD), Anwendungstests, Enterprise Agile Planning und Governance-Funktionen für die schnelle Entwicklung von Unternehmensanwendungen. Der Anbieter ist zudem dabei, KI-basiert automatisierte Unit-Tests (kleine, unabhängige Funktionstests) einzuführen, ebenso natives API-Management und bessere Möglichkeiten der Fortschrittskontrolle – verknüpft mit Infrastruktur- und Anwendungsmetriken. In der Pipeline ist zudem ein intelligentes Data Mesh, um eine nahtlose Datenaufnahme und -katalogisierung zu ermöglichen.
Benutzer erhalten robuste Funktionen für die Gestaltung von User Journeys und ein firmenspezifisches Framework für die Gestaltung standardisierter, barrierefreier User Interfaces. Das Tool ermöglicht auch die Nutzung gängiger Designsysteme und bietet native Unterstützung für Chatbots und Sprach-UIs.
Schwächen
Obwohl OutSystems Funktionen für das Case Management und eine KI-gestützte Dokumentierung eingeführt hat, fehlt es der Plattform laut Gartner an Fähigkeiten komplexer Entscheidungsmodellierung, dokumentenzentrischen Prozessen sowie an Use Cases für die Prozessoptimierung. Die Funktionen im Bereich Prozessautomatisierung würden erst noch weiterentwickelt, neue Komponenten wie ein Machine Learning Builder seien zu erwarten.
OutSystems hat selbst keinen Branchenfokus, sondern richtet sich über Partner, unabhängige Softwareanbieter und Marktplatzkomponenten an bestimmte vertikale Märkte. Kunden, die branchenspezifisches Fachwissen, native Integrationen oder Lösungsbeschleuniger suchen, werden den Analysten zufolge feststellen, dass andere LCAP-Anbieter tiefer in Branchenlösungen einsteigen.
Einige Outsystems-Kunden äußerten Gartner gegenüber Bedenken wegen der komplexen Preisgestaltung, obwohl das Preismodell bereits vereinfacht wurde. Das Pricing basiert auf Benutzerstufen, wobei unterschiedliche Gebühren für externe und interne User anfallen, sowie auf Plattformeditionen, deren Preis je nach Funktionsumfang variiert. Zwar gibt es laut Gartner eine leichte Verbesserung im Kundenurteil, aber Preisgestaltung und Vertragsflexibilität werden weiter skeptisch beurteilt.
Mendix – dank Siemens stark im Industriesektor
Die Siemens-Tochter Mendix unterstützt sogenannte Fusion Teams. Darunter sind interdisziplinär zusammengesetzte Arbeitsgruppen zu verstehen, die Technologie-, Analytics- und Business-Know-how an einen Tisch bringen und damit die Trennung zwischen IT und Business aufheben. Mendix kann On-Premises- und (Multi-)Cloud-Szenarien gleichermaßen abbilden, zudem werden Cloud-native Services für die „Multiexperience-Entwicklung“ geboten, wie es bei Gartner heißt.
Mendix hat sein Headquarter in den USA, agiert aber hauptsächlich in Europa. Die Sichtbarkeit des Unternehmens im asiatisch-pazifischen Raum wächst stetig. Die Kunden kommen vor allem aus dem Finanz- und Professional-Services-Sektor, außerdem aus der Industrie, wo Siemens mit seinen Digitalisierungsangeboten ohnehin gut positioniert ist.
Stärken
Viele Kunden nutzen die Low-Code-Plattform von Mendix, um neue Use Cases rund um IoT und Digital Twins zu entwickeln. Die Funktionen dafür umfassen einen Data-Hub für Daten- und Event-Services und den MxAssist Performance Bot, der Entwicklern dabei hilft, mögliche Architektur- und Modellierungsprobleme, die später die Performance einer Anwendung beeinträchtigen könnten, vorab zu erkennen.
Laut Gartner punktet Mendix bei einigen Schlüsselfunktionen, etwa dem UX-Design, der Integrationsunterstützung und der Governance. Hervorzuhaben seien auch die unterschiedlichen Arbeitsumgebungen beziehungsweise Editoren für Entwickler und Citizen Developers in den Fusion Teams. Das erleichtere die Entwicklung ausgefeilter Enterprise-Anwendungen. Ein Vorteil sei zudem die Zugehörigkeit zum Siemens-Konzern: Kunden könnten sich auf eine langfristige Unterstützung der Plattform verlassen.
Schwächen
Mendix bietet eine ausgereifte Plattform – zu einem stolzen Preis, der oft über dem von konkurrierenden LCAP-Angeboten liegt. Das Unternehmen hat jedoch seine Preisregeln im Jahr 2021 aktualisiert und damit bei einigen potenziellen Kunden neues Interesse geweckt. Die Go-to-Market-Strategie ist stark von der Siemens-Strategie insgesamt abhängig, was das Wachstum zunächst fördert, aber auf längere Sicht zu einem Bremsklotz werden könnte.
Laut Gartner braucht das Unternehmen eine bessere Marketingstrategie. Partnerschaften mit Tencent und SAP könnten helfen. Und schließlich müsse Mendix investieren, um außerhalb von Nordamerika und Europa voranzukommen. Der Ausbau der Niederlassungen in Japan, Singapur und China sei ein Schritt in die richtige Richtung.
Salesforce – durch CRM-Stärke gesetzt
Ähnlich wie Gartner beschäftigen sich auch die Analysten von Forrester Research mit Low Code/No Code. Sie bezeichneten den CRM-Weltmarktführer Salesforce als einen „Gorilla des Marktes“. Aufgrund der weltweit stark verbreiteten Salesforce-SaaS-Plattform, des Marktplatzes und der Community tut sich das Unternehmen mit dem Marktzugang für seine LCAP leicht. Dort reicht die Vielfalt der Lösung vom No-Code-Visual-Designer bis hin zum Codieren mit der APEX-Sprache und mit JavaScript.
Stärken
Salesforce bietet zwölf Cloud-basierte Branchenlösungen an, die sich mittels der verfügbaren LCAP-Funktionen individuell erweitern lassen. Außerdem verwenden viele Salesforce-Partner die Plattform, um branchenspezifische Module und Anwendungen für Kunden zu erstellen. Darüber hinaus reagiert Salesforce schnell auf Marktanforderungen. Das Unternehmen stellt neue Funktionen dreimal jährlich vor (Frühjahr, Sommer, Winter) und veröffentlicht immer wieder Patches im Laufe des Jahres.
Immer wieder verwöhnt Salesforce die Entwickler-Community mit vorab zur Verfügung gestellten Plattformfunktionen, die als Developer Previews oder Betaversionen an diesen Kreis herausgegeben werden, bevor sie später allgemein verfügbar sind. Neuere Funktionen für Einstein Automate und Salesforce Functions zeigen, dass sich das Unternehmen an den Anforderungen des Marktes orientiert. Die Marktforscher von Gartner finden auch das Plattform-Ökosystem mit dem Marktplatz AppExchange und der Community Trailhead überzeugend. Dieses Angebot suche auf dem LCAP-Markt seinesgleichen.
Schwächen
Während andere führende Plattformen KI-unterstützte Software-Entwicklung ermöglichen, hat die Salesforce-Plattform hier noch Nachholbedarf. Gartner fällt zudem auf, dass neuere Investitionen in Low-Code-DevOps-Tooling noch nicht ausreichten, um in diesem Punkt den Vorsprung anderer Leader wettzumachen. Generell dauere es bei Salesforce oft ein ganzes Jahr, ehe angekündigte Innovationen bei den Kunden ankämen.
Logik- und Workflow-Unterstützung seien auf der Plattform nur „fragmentiert“ vorhanden. Das fortgeschrittene Salesforce-Tool Flow stehe dabei im Mittelpunkt. Dagegen biete Einstein Automate immer noch viele nicht integrierte Tools, darunter Bots, Industrie-Workflows von Vlocity OmniScript und Add-ons für die AppExchange.
Für seine Preispolitik und die Vertragsflexibilität bekommt Salesforce von seinen Kunden und auch von Gartner nur ein mäßiges Zeugnis ausgestellt. Die Preise werden als zu hoch empfunden, die Konditionen als schwer durchschaubar beurteilt. Je tiefer die Klientel in die Produktwelten von Salesforce abtauche, desto gravierender würden diese Probleme.
Microsoft – fulminante Aufholjagd
Mit den Power Apps, die Berechtigungen für Power Automate und Dataverse umfassen, gehört auch Microsoft zu den führenden LCAP-Anbietern. Zusammen bilden die Produkte einen gewichtigen Teil der Microsoft Power Platform, zu der auch Power BI, Power Automate und die Power Virtual Agents gehören. Auf der anderen Seite bietet der Softwareriese die dazu passenden Applikationen an, darunter Microsoft Office 365, Dynamics 365 und die Azure-Dienste.
Power Apps hat sich von einem Angebot für Entwickler zu einem Tool entwickelt, das die Zusammenarbeit zwischen Geschäfts- und IT-Anwendern ermöglichen soll. Gartner vermutet, dass Microsoft Power Apps die größte Nutzerbasis aller LCAPs hat, was vor allem auf die weltweit verbreitete Nutzung von Office 365 und Dynamics zurückzuführen sei.
Stärken
Microsofts großer Vorteil liegt im Bereich Innovation. Das Unternehmen nutzt und vermarktet das Sprachmodell GPT-3 von OpenAI in Power Apps und verwendet es für seine Low-Code-Sprache Power FX, mit der Entwickler Abfragen und Logik durch natürlichsprachliche Anweisungen generieren können. Dieser KI-gesteuerte Entwicklungsansatz könnte laut Gartner für den gesamten LCAP-Markt einen Wendepunkt markieren.
Die Analysten haben zuletzt einen deutlichen Anstieg des Kundeninteresses festgestellt. Anwender wollten mit Power Apps ihre Entwicklungsgeschwindigkeit und -agilität erhöhen. Microsoft habe das Angebot so positioniert, dass professionelle und Citizen Developers Hand in Hand zusammenarbeiten könnten, indem Power Apps mit Azure, Visual Studio Code und GitHub verknüpft worden seien. Zudem habe das Unternehmen die IT-Admin-Kontrollen so erweitert, dass eine Tennant-weite Governance möglich sei – einschließlich tiefgreifender Analysen und granularer Kontrollen über Richtlinien zur Vorbeugung von Datenverlusten.
Über Microsoft 365 und Teams verbreite der Hersteller die Nutzung von Power Apps in einem atemberaubenden Tempo, dem die anderen LCAP-Anbieter kaum folgen könnten. Wie so oft sagen viele Kunden, sie hätten bereits gute Kundenbeziehungen zu Microsoft und wollten mit dem Hersteller auch auf diesem Wege vorangehen.
Schwächen
Zwar erhalten Kunden eine kostenlose Version von Power Apps mit einigen Office- und Dynamics-Lizenzstufen, doch berichten Gartner-Kunden generell von einer steigenden Preiskomplexität, sobald sie auf die Vollversion wechseln. Dies gilt insbesondere dann, wenn externe Konnektoren angebunden oder zusätzliche Endbenutzer mit Pro-App- oder Pro-Benutzer-Tarifen in die Implementierung einbezogen werden.
Ein Problem besteht auch darin, dass Microsoft seine Power-Apps-Komponenten immer mal wieder neu verpackt und umbenennt – zum Beispiel wurde aus dem Common Data Service nun Dataverse. Nicht wenige Anwender finden das verwirrend und haben Probleme damit, die potenziellen Auswirkungen dieser Änderungen richtig zu beurteilen.
Zudem hat Gartner festgestellt, dass immer mehr Kunden Power Apps und Power Automate für die Automatisierung besonders komplexer Geschäftsprozesse nutzen wollen – damit aber an die Grenzen der Tools stoßen. Für das Process Mining habe Microsoft zwar den „Process Advisor“ hinzugefügt, doch andere LCAPs böten stärkere Funktionen für die End-to-End-Orchestrierung von Geschäftsprozessen.
ServiceNow – stark, wenn es um Workflows geht
Als Leader wird auch der Digital-Workflow-Spezialist ServiceNow in Gartners Quadranten geführt. Das LCAP-Angebot besteht aus App Engine und Creator Workflows, beides Teile der Now-Plattform. ServiceNow ist mit seinen IT-Service-Management-(ITSM-) und Enterprise-Service-Management-(ESM-)Plattformlösungen in vielen großen Unternehmen im Einsatz. Geht es um die Unterstützung betrieblicher Workflows, kann der Anbieter punkten.
Stärken
ServiceNow hat sich laut Gartner beim innovativen Ausbau seiner Plattform bewährt und zuletzt mit dem Hinzufügen von IoT- und Prozessoptimierungs-Funktionen wichtige Schritte getan. Mit den eingebauten Integrationsservices sei die App Engine prädestiniert für eine breite Palette an Workflow-gesteuerten Anwendungsfällen. ServiceNow habe zuletzt stark in seine LCAP investiert und werde inzwischen als Low-Code-Anbieter wahrgenommen. Der Kundenstamm wachse, die App Engine werde für neue IT-, Kunden- und Mitarbeiter-Workflows genutzt.
Schwächen
ServiceNow hat seine Wurzeln im ITSM-Geschäft und dadurch enge Kontakte in die IT-Abteilungen, aber weniger ins Business. Das Unternehmen gehe inzwischen aber verstärkt auf andere Unternehmensbereiche zu, beispielsweise die HR-Abteilungen. Das Modell von ServiceNow, App Engine an seine SaaS-Kunden zu verkaufen, habe sich zwar bewährt, aber die Wettbewerbssituation spitze sich zu. Vor allem die Systemintegrations-Partner führten App Engine ein. Wer kein SaaS-Kunde von ServiceNow sei, nutze die Plattform eher nicht.
ServiceNow hat sein Preismodell in jedem der letzten vier Jahre neu überarbeitet. Gartner berichtet von Kunden, die diese häufigen Preisänderungen bei der Erneuerung ihrer Verträge verwirrend gefunden hätten. Einige hätten zudem Bedenken wegen der hohen jährlichen Gebühren geäußert.
Appian – der Automatisierungs-Champion
Im Quadranten der Herausforderer platziert, differenziert sich Appian mit umfassenden Automatisierungsfunktionen und legt dabei den Schwerpunkt auf komplexes Case Management und Geschäftsprozesse. Für die Zusammenarbeit von professionellen und Business-Entwicklern bietet das Unternehmen Design Studios an. Darin werden Workflows, Genehmigungsprozesse und Change Management für verschiedene Entwickler-Personas berücksichtigt. Appian ist in Nordamerika und Europa tätig und hat eine wachsende Präsenz in der APAC-Region. Die Kunden sind in der Regel große Unternehmen, hauptsächlich aus dem Finanz- und Behördensektor.
Stärken
Appian bietet ausgereifte Funktionen für das Geschäftsprozessmanagement (BPM). Der Process Modeler ist ein BPMN-konformes visuelles Designtool, mit dem Benutzer komplexe Prozessabläufe erstellen und ihren Programmieraufwand minimieren können. Der Appian Automation Planner hilft, Automatisierungsmöglichkeiten aufzudecken und den Lebenszyklus von Automatisierungen zu verwalten. Darüber hinaus können Benutzer ihre Automatisierungsvorhaben priorisieren, den RoI nachverfolgen und die Zusammenarbeit zwischen IT- und Geschäftsteams fördern.
Appian bietet automatische Sicherheits-Scans für alle Designobjekte, um die Konfiguration ständig zu überprüfen. Außerdem werden die Benutzer vor möglichen Sicherheitsproblemen gewarnt, und die Designer können die Konfiguration sofort korrigieren. Interessant ist auch der AppMarket, der weit über 600 Angebote, meist von Partnern und Kunden, umfasst. Appian fügt jeden Monat etwa 30 neue oder aktualisierte Angebote hinzu. Das Unternehmen investiert in Vertrieb und Marketing, um seine Bibliothek mit Systemintegrations-Anwendungen und Komponenten von strategischen Partnern ständig auszubauen.
Schwächen
Die Appian-Plattform erfordert laut Gartner für die Lösung komplexer Probleme und Geschäftsabläufe ein tieferes Fachwissen der Entwickler. Die Marktforscher zitieren Kunden, die Workarounds für eine bessere Flexibilität entwickeln mussten. Das habe ihre Möglichkeiten eingeschränkt, die Out-of-the-Box-Funktionalität der Plattform für Task Management und UI-Designs zu nutzen. Für Citizen Developers könne es schwierig werden, die Plattform ohne zusätzliche Unterstützung zu nutzen.
Appian bietet für die schnelle Einführung den Implementierungsservice Appian Guarantee zu einem Festpreis und mit fixen Lieferzeiten, doch laut Gartner sind die Kunden daran wenig interessiert. Positiv sei, dass Appian nun eine kostenlose Community Edition und eine unlimitierte Lizenzoption biete, um die Akzeptanz zu erhöhen. Den Analysten zufolge sollen zudem manche Kunden die Benutzeroberfläche von Appian als einschränkend und restriktiv kritisieren. Sie hätten es schwer, damit ihre eigenen UX-Standards umzusetzen.
Oracle – enge Kopplung mit der Datenbank
Oracle bietet im Rahmen seines Datenbank-Geschäfts das LCAP-Angebot Application Express (APEX) an. Vom Wettbewerb differenziert sich das Softwareschwergewicht durch die Verwendung seiner Oracle Autonomous Database, die Kunden Hochverfügbarkeit und Skalierbarkeit bieten soll – in der Cloud oder on Premises – der Verwendung von SQL und den günstigen Einstiegskonditionen, zumal Oracle eine kostenlose Einstiegsversion bereit hält.
Stärken
Mit seiner weltweiten Präsenz sowohl bei Anwendungsinfrastrukturen und Middleware-Services als auch im Datenbankgeschäft hat Oracle immer gute Argumente für sich. Oracle bietet APEX als Mehrwertdienst für seine Datenbankkunden an, zusammen mit dem APEX Cloud Service (der pro Ressource berechnet wird). Infolgedessen ist die Plattform für die große Zahl der Oracle-Datenbanknutzer mehr oder weniger gesetzt.
Zu den Vorteilen von Oracle gehören der weltweite Support, die aktive, internationale APEX-Anwendergemeinschaft mit Hunderttausenden von Entwicklern sowie die vielen Beratungs- und Hosting-Partnern.
Schwächen
Die enge Bindung der Low-Code-Plattform an die Oracle-Datenbank muss nicht nur vorteilhaft sein, sie kann auch die Möglichkeiten der Nutzer einschränken, einfach auf Datenbanken von Drittanbietern zuzugreifen oder Geschäftsprozesse optimal zu organisieren. Insofern kann der Erfolg der Kunden mit APEX je nach Anwendungsfall variieren.
Oracle verfolgt mit APEX keine Strategie für branchenspezifische Produkte. Diese Lücke füllen im Allgemeinen die Partner aus. Gartner kritisiert außerdem, dass Oracle nur nach und nach Funktionen in APEX implementiert habe, die in anderen LCAPs längst standardmäßig vorhanden sein. Zum Beispiel sei ein grafischer Anwendungslogik-Editor nicht verfügbar, und die Unterstützung nativer mobiler Anwendungen stehe nicht auf der Roadmap. APEX ist darauf optimiert, den Usern fortgeschrittene Oracle-Datenbankfunktionen zu bieten – entsprechend bindet die Verwendung der LCAP die Nutzer an die Oracle-Datenbank. Auch soll die Unterstützung für Workflow-Funktionen und Server-seitiges JavaScript als Erweiterungssprache der anderer Wettbewerber hinterherhinken.
Pega – mehr als eine Low-Code-Plattform
Ein weiterer Herausforderer ist Pega: Das Softwarehaus stellt seine LCAP als Bestandteil seiner umfassenden Plattform Pega Infinity bereit. Diese dient auch als Intelligent Business Process Management Suite (iBPMS), als Multiexperience Development Platform (MXDP), als CRM-System und als Robotic-Process-Automation-(RPA)-Suite.
Die Marktdifferenzierung der Low-Code-Plattform erklärt sich durch das neue Designsystem Pega Cosmos und dem zugrundeliegenden React-Framework: Citizen Developers sollen damit die User Experience der Kunden in besonders intuitiver Weise konfigurieren können. Für eine optimale Skalierung bietet Pega zudem einen Multi-Tennant-Storage und -Backing-Service – vergleichbar mit Apache Kafka und Cassandra, Elasticsearch, NoSQL oder MongoDBAtlas.
Stärken
Wer seine Prozess- und Workflow-Automatisierung mit der Plattform Pega Infinity vorantreibt und dabei auf Low-Code-Entwicklung setzt, ist mit der Plattform gut bedient. Regelbasiertes Straight-Through-Processing- oder Human-in-the-Loop-Automatisierungen unterstützen die Automatisierung auch von Prozessen mit starkem Anpassungsbedarf. Die AI Decision Fabric von Pega unterstützt A/B-Testing, adaptive Analysen und multivariante Tests.
Pega Cosmos hat eine Digital Experience API (DX-API) hinzugefügt, die es Anwendern ermöglicht, externe Designsysteme wie Sketch, Material und Fluent zu implementieren und gleichzeitig die modellgesteuerte Autorenfunktion von Pega zu nutzen. User können UX-Funktionen mit der API in andere Anwendungen einbetten. Es werden zudem Starterkits für Salesforce Lightning, React, Angular und Vue bereitgestellt.
Die Verbesserungen der Infinity-Plattform von Pega orientieren sich an den Bedürfnissen der Kunden. Die Cloud-native, mandantenfähige, auf Microservices basierende Architektur kann nach oben und unten skaliert werden und hilft Usern Anwendungsfälle kosteneffizient zu lösen. Der Process Fabric Hub nutzt die Architektur, um eine anwendungsübergreifende Kompatibilität über das gesamte Anwendungsportfolio eines Unternehmens hinweg zu ermöglichen.
Schwächen
Pega ist weltweit weniger bekannt als die Konkurrenz und verzeichnet nur ein bescheidenes Kundenwachstum für seine Low-Code-Plattform, die allerdings auch in erster Linie Großunternehmen adressiert. Die Preise sind hoch, Gartner spricht von einem Hindernis für die Einführung insbesondere bei mittelgroßen Unternehmen. Außerdem ist das Lizenzmodell von Pega alles andere als eingängig.
Die Plattform ist für komplexe Unternehmensanforderungen gedacht. Der Modell- und Case-orientierte Ansatz kann Kunden manchmal überfordern. Einige Gartner-Kunden merken an, dass die Knowledge-Datenbank von Pega erweitert und verbessert werden müsste und es schwierig sei, technische Lösungen für Plattformprobleme und Bugs zu erhalten.
Creatio – aussichtsreicher Nischenplayer
Robuste Workflow-Automatisierungs- und No-Code-Fähigkeiten machen Creatio mit seiner LCAP Studio Creatio zu einem interessanten Mitspieler im Markt. Kunden können die vor allem in Nordamerika und Europa verbreitete Plattform mit dem SaaS-CRM-Angebot des Anbieters kombinieren. So sind sie in der Lage, besonders schnell kundenorientierte Workflows zu implementieren, verwalten und automatisieren.
Gartner begrüßt das tiefe Marktverständnis von Creatio, Kunden könnten damit eine produktivere interne IT betreiben, Citizen Developer unterstützen und eine kollaborative Anwendungsentwicklung steuern. Das Business-IT-Alignment bekomme mit der Plattform einen Schub, der Aufwand, neue digitale Entwicklungen voranzutreiben, sinke. Mit seinen unter der Marke Accelerate zusammengefassten Events, Low-Code-Marathons, Whitepapers und Webinaren unternimmt das Unternehmen eine Menge, um sich bei Kunden in Erinnerung zu bringen.
Dennoch spielt Creatio derzeit nur in der zweiten Liga. Der wichtigste Grund liegt im geringen funktionalen Angebot für Entwicklungsprofis, die sich mit Entwicklung und Customizing komplexer Anwendungen beschäftigen. Die Plattform fokussiert letztendlich auf den Ausbau der SaaS-Lösungen von Creatio und auf das Erstellen von Geschäftsprozess-Workflows – weshalb die meisten Nutzer aus dem CRM-Kundenkreis des Unternehmens kommen. Testmöglichkeiten, User-Experience-Design, Sicherheit und DevOps-Möglichkeiten liegen nur als Basisfunktionen vor.
KI-unterstützte Software-Entwicklung lässt noch auf sich warten, ebenso automatisiertes Testing, Event-basierte Integrationen oder fortgeschrittenes Anwendungs- und Infrastruktur-Monitoring. Um sich an die führenden LCAP-Anbieter anzunähern. hat Creatio seine UI-Design-Fähigkeiten verbessert und unterstützt nun Angular und Flutter.
Newgen – nahe an den Geschäftsprozess-Standards
Komplexe Prozesse im großen Stil zu automatisieren, ist das Ziel von Newgen, das mit seiner NewgenONE Digital Transformation Platform ebenfalls ein Nischenplayer ist. Newgen nutzt eine moderne, Microservice-basierte Architektur sowie KI und maschinelles Lernen, um Geschäftsanwendungen mit Prozessautomatisierung und Content-Management-Fähigkeiten auszustatten. Die Kunden sitzen überwiegend in Indien, dem Nahen Osten und Afrika. Doch auch in Europa und Nordamerika macht der Anbieter Fortschritte, wenngleich potenzielle Nutzer sich erstmal nach Support und Partnern erkundigen sollten.
Newgen folgt den Standards von BPMN 2.0 und Decision Model and Notation (DMN), um Prozess- und Entscheidungsmodellierung auch in komplexen Geschäftsprozessen voranzutreiben. Zu den Stärken gehört auch die KI-basierte Dokumentenverarbeitung einschließlich intelligentem Capturing sowie Klassifizierung und automatischer Generierung von Dokumenten.
Wenn es ein Problem mit den Newgen-Plattform gibt, dann betrifft es die limitierte Testunterstützung für die mit der Plattform gebauten Anwendungen. Im Vergleich zu den führenden Anbietern sind auch die Low-Code-Fähigkeiten für das Customizing von Anwendungen eher eingeschränkt. Der unternehmenseigene Marktplatz ist eher ein Partnerportal mit wenigen vorab erstellten Anwendungen, Trainingsmaterialien und Implementierungs-Guidelines.
Kintone – Stärke im No-Code-Bereich
Mit einem starken No-Code-Fokus und ausgeprägten Collaboration-Fatures unterscheidet sich die Kintone-Plattform vom Wettbewerb. Citizen Developers sollen gemeinsam Workflows erarbeiten, so die Vision. Kintone verfügt über ein großes Partner-Ökosystem, in der Folge gibt es für die Plattform jede Menge Erweiterungen und Plugins. Auch wird der Marktplatz ständig um Integrations- und Sicherheitsfähigkeiten erweitert.
Kintones Kunden sitzen überwiegend in Japan und einigen anderen asiatischen Ländern, teilweise auch in den USA. Oft handelt es sich um kleine und mittlere Industrie- und Handelsbetriebe. Die günstigen Preise und der starke Channel in Japan und China hat dem Unternehmen zuletzt zu stattlichen Wachstumsquoten verholfen. Gartners Kunden bewerten Integrations- und Deployment-Eigenschaften ebenso wie die Vertragsgestaltung positiv.
Negativ fällt ins Gewicht, dass Kintone keine native KI-unterstützte Entwicklung bietet und zudem bei einigen fortgeschrittenen Features für Professionals hinterherhinkt. Das betrifft intelligente Automatisierung genauso wie Integration und User-Experience-Fähigkeiten. Es gibt auch keine zugeschnittenen Branchenlösungen.
Quickbase – operative Ineffizienzen beseitigen
Auch Quickbase verfolgt in erster Linie einen No-Code-Ansatz mit seiner Plattform und will damit Business-Anwendern und Fusion-Teams helfen, operative Ineffizienzen zu beseitigen. Mit seiner Pipelines-Technologie arbeitet das Unternehmen ständig daran, seine Integrations- und Automatisierungsfähigkeiten zu verbessern. Es konzentriert sich stark auf mittelgroße Betriebe aus dem Industrie- und Technologiesektor im nordamerikanischen Raum, zählt aber auch einige Kunden in Europa und Asien.
Laut Gartner ist Quickbase bei den Kunden beliebt. Vor allem Integration, Deployment sowie Service und Support überzeugen. Das Unternehmen ist profitabel und hat genügend Reserven, um sein internationales Wachstum zu beschleunigen. Dabei wurden die Softwarelizenz-Preise in den vergangenen Jahren nur vorsichtig angehoben. Den Analysten zufolge beginnen auch größere Unternehmen, die Lösung für sich zu entdecken.
Allerdings fehlen auch Quickbase KI-unterstützte Softwareentwicklung sowie etliche Automatisierungs-, Integrations- und UX-Fähigkeiten, weshalb das Unternehmen vom Leaders-Quadranten noch ein gutes Stück entfernt ist. Quickbase befinde sich inzwischen an einem Wendepunkt: Der starke Fokus auf Citizen Developers werde relativiert, dem Unternehmen gehe es jetzt darum, IT- und Fusion-Teams zu erreichen. Noch sei unklar, ob es gelingen werde, auch Profientwickler zu begeistern.
Scopeland – Low Code made in Germany
Mit der deutschen LCAP von Scopeland hat sich 2019 Forrester Research beschäftigt. Das Unternehmen sei wegen seiner Data-Design und Database-Development-Funktionen „beeindruckend“ und könne genutzt werden, um beliebige Auswertungen aus relationalen Datenbank-Beständen zu erstellen. Die Plattform zeichne sich durch einen guten Umgang mit Geodaten und Kartendarstellungen aus, besitze leistungsfähige Reporting-Fähigkeiten und eigne sich für die Erstellung elektronischer Dokumente.
Unternehmensgründer Karsten Noack, der gelegentlich als Gastautor für die COMPUTERWOCHE schreibt, zählt zu den Pionieren der Low-Code-Plattformentwicklung. In einem Projekt bei der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung gelang es, eine große Fachanwendung besonders schnell zu entwickeln. Die Partner entschieden sich für ein modulweise abgestuftes phasenagiles Vorgehen nach Design-Thinking-Prinzipien. Das Vorgehensmodell ermöglichte eine strukturierte, planbare und zugleich evolutionäre Vorgehensweise in der Softwareentwicklung. Mehr dazu lesen Sie hier.
*Heinrich Vaske ist Editorial Director von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO sowie Chefredakteur der europäischen B2B-Marken von IDG. Er kümmert sich um die inhaltliche Ausrichtung der Medienmarken – im Web und in den Print-Titeln.
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