Den Wert eines effizienten Projekt-Managements haben viele Unternehmen erkannt. Was die Führungskräfte jedoch häufig noch nicht berücksichtigen, ist der richtige Mix der vielen Einzelprojekte. [...]
Wer keinen Gesamtüberblick über die laufenden und geplanten Projekte hat, geht ein Risiko ein: Leicht kann es sein, dass man zwar das einzelne Projekt bravourös abschließt, aber dem Gesamtunternehmen und dessen Zielen nicht gedient hat. Lesen Sie hier, warum das Management eines ausgewogenen Projektportfolios sinnvoll ist – und welche Stolperfallen es dabei zu umgehen gilt.
FALLE 1: VON DER SCHWIERIGKEIT, EIN PORTFOLIO STRATEGISCH ZU PLANEN
Bei einem medizinischen Dienstleister mit Sitz in Deutschland – ein anonymes, aber nicht fiktives Beispielunternehmen – stehen alle Zeichen auf Wachstum; allein in vergangenen drei Jahren hat das einstige Familienunternehmen durch Zukäufe mehrere tausend Mitarbeiter an internationalen Standorten hinzugewonnen. Der Markt für Laborservices ist eng geworden; entweder man wächst, oder man wird selbst aufgekauft.
Was die Geschäftsführung als Strategie ausgerufen hat, nämlich „Wachsen“, muss hinter den Linien mitgetragen werden. Das normale Geschäft soll ja reibungslos weiterlaufen. Zudem sind die hinzugekauften Labore in die Struktur einzubinden.
Letztlich ist eine Vielzahl an großen und kleinen Projekten notwendig, damit das Unternehmen gesund wachsen kann. Diese Projekte ohne übergreifende Planung und Steuerung sich selbst zu überlassen, ist gefährlich. Es führt unweigerlich zu Unübersichtlichkeit und damit zu Verschwendung von Zeit, Geld und Ressourcen.
Das hatte auch der Leiter des Project Offices erkannt, derzeit leider noch ein Einzelkämpfer für seine Sache. Er war es, der das Schlagwort „Projektportfolio-Management“ ins Spiel brachte. Mit Hilfe dieses Feinwerkzeuges aus dem Projekt-Management-Baukasten sollten die Verantwortlichen in die Lage versetzt werden, die Vielzahl an bestehenden Projekten zu filtern und neue Vorhaben zielgerichtet auf den Weg zu bringen.
Doch so sinnvoll ein Projektportfolio-Management auch sein mag – vielen Managern ist nicht bewusst, wie viel planerische Vorarbeit und präzise Strukturierung es verlangt. Jetzt müssen sich die Verantwortlichen nämlich daran machen, aus ihrer wenig greifbaren Strategie die richtigen Projekte abzuleiten. Das heißt, es müssen zunächst einmal konkrete Ziele definiert werden, um die entsprechenden Projekte ins Portfolio einzusteuern.
Die Gefahr, sich zu verzetteln
Die Manager der ersten und zweiten Führungsriege machten sich also daran, Ziele aus der Strategie abzuleiten. Anschließend wollten sie die Ziele auch noch nach ihrer Wichtigkeit ordnen. Aber wie so oft, wenn viele Personen an einer Aufgabe arbeiten, gab es auch hier dreimal so viele Meinungen wie Beteiligte.
Zudem hatte sich die Führungsriege zuviel vorgenommen, indem sie versucht, gleich eine große Menge von Unternehmenszielen zu definieren und zu gewichten. Die Folge: Sie sah den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr. Man verlor sich in Details, verschwendete Zeit und Geld.
Zu viele Ziele – das bedeutet, dass das Portfolio gewaltig an Schärfe verliert: Im Endeffekt passt jedes Projekt „irgendwie“ ins Portfolio. Damit werden die Bereichsleiter nach Abschluss der Projektportfolio-Planung kaum einen Anhaltspunkt haben, welche Projekte sie nun tatsächlich mit welcher Priorität behandeln sollen.
Empfehlung: Pragmatisch bleiben
Deshalb empfiehlt es sich erst einmal, pragmatisch vorzugehen. Um den richtigen Umgang mit dem diffizilen Instrument Portfolio-Management zu erlernen, reichen am Anfang wenige klassische Geschäftsziele: Verbesserung der Produktqualität, Kostenersparnis und Kundenzufriedenheit. Mit diesem Instrumentarium können die Verantwortlichen sicher mehr als ein halbes Jahr lang Projekte ins Portfolio einsteuern. Anschließend lässt sich die Zahl der Ziele auf fünf bis zehn ausweiten. Mehr sind nicht empfehlenswert.
FALLE 2: KEINE KLARE KOMMUNIKATION DER STRATEGISCHEN UNTERNEHMENSZIELE
Der medizinische Dienstleister hatte es also mit der Anzahl der Ziele etwas zu gut gemeint. Aber das ist nicht der einzige Fehler, den Neulinge im Projektportfolio-Management häufig machen.
Nachdem die Planung schließlich auf ihren wackeligen Beinen stand, dachte keiner der Manager an eine durchgängige und regelmäßige Kommunikation der Ziele und der geplanten Umsetzung. Die Mitarbeiter in den einzelnen Bereichen und Abteilungen bekamen immer wieder größere und kleinere Projekte von oben durchgereicht. Doch sie erfuhren beispielsweise nicht, was die einzelnen Vorhaben letztendlich bewirken sollen oder ob sie im Zusammenhang mit anderen Projekten standen.
In diesem Fall können die Mitarbeiter ihre Arbeit nicht in einen unternehmerischen Gesamtzusammenhang setzen. Deshalb konzentrieren sich auf die Aufgaben, die sich überschauen lassen. Und das sind meistens Projekte, die direkt ihren Bereich oder ihre Abteilung betreffen. Zur Umsetzung der Unternehmensziele lässt sich auf diese Weise nur mit viel Glück beitragen.
Versäumnisse drohen
Dazu ein praktisches Beispiel: Ein Mitarbeiter aus dem Labor eines neu hinzugekauften Unternehmens beschwerte sich bei seinem Vorgesetzten, dass die herkömmlichen Probenröhrchen von den neu aufgestellten Laborrobotern nicht gefasst werden können. Der wandte sich umgehend an den Einkauf der Mutterfirma, um die passende Röhrchen zu bestellen. Zufällig bekam ein Teammitglied der dortigen IT das mit – und schaltete sofort: Neu installierter Roboter, das heißt: Einbinden ins Firmennetz, Installation der Software etc., und das möglichst schnell.
Der IT-Fachmann und sein Chef machten sich nun daran, den Produktionsablauf des neuen Labors an den des Mutterkonzerns anzupassen. Nur diesem Zufall und dem Mitdenken des Mitarbeiters ist es zu verdanken, dass es nicht zu Inkonsistenzen kam. Dabei wären solche Situationen mit durchgängiger Kommunikation vermeidbar gewesen. Aber oft genug sind die Unternehmensziele bereits auf der operativen Ebene kaum oder gar nicht bekannt. Sie tauchen nur in Präsentationen oder Memos auf, die ausschließlich für die oberste Führungsriege bestimmt sind.
Empfehlung: Nach Schema F vorgehen
Bei der Ableitung der Ziele aus der Unternehmensstrategie sollte die Geschäftsführung methodisch vorgehen: Es gilt, die Ziele so genau wie möglich zu definieren und anschließend zu kommunizieren. Als Methode dafür dient beispielsweise das „Smart“-Prinzip (siehe gleichnamigen Kasten): Die Ziele sollten spezifisch, messbar, angemessen, realistisch und terminierbar sein. In Meetings mit den jeweils Verantwortlichen können sie anschließend klar weitergegeben und auf der zuständigen Ebene in Projekte umgewandelt werden.
FALLE 3: VIELE PROJEKTE ENTZIEHEN SICH DEM WORKFLOW
Mitarbeiter, die nicht wissen, warum sie aus dem Alltagsgeschäft abgezogen werden, tendieren zu einem nahe liegenden Verhalten: Sie widmen sich den Aufgaben, die der Umsetzung abteilungseigener Ziele dienen. Um sie möglichst schnell angehen zu können, steuern die Abteilungsmitglieder diese Aufgaben gar nicht erst in den langwierigen Projektgenehmigungs-Workflow ein, sondern gehen sie nach Bedarf an.
Kommt nun eine Anfrage von oben, ob für ein bereichsübergreifendes Projekt nicht Ressourcen freigestellt werden können, ist selbstverständlich kaum ein Mitarbeiter verfügbar. Aus Sicht des Gesamtunternehmens ist das kontraproduktiv.
Empfehlung: U-Boot-Projekte verhindern
Deshalb sollte ein Unternehmen klare Kriterien definieren, ab wann eine Aufgabe eigentlich ein Projekt ist, zum Beispiel durch die Abgrenzung nach benötigter Arbeitszeit: Dauert eine Aufgabe länger als fünf Tage, wird sie zu einem Projekt. Und das muss den gesamten Projekt-Management-Prozess durchlaufen – von der Initiierung bis zum Abschluss.
Ein anderes Kriterium für ein Projekt ist das Budget: Beläuft sich der Aufwand einer Aufgabe beispielsweise auf mehr als 5.000 Euro, so wird diese Tätigkeit als Projekt klassifiziert und ebenso behandelt.
FALLE 4: ES GIBT KEIN INSTRUMENT ZUM MESSEN DES ERFOLGS
Im Laufe der Zeit haben die Verantwortlichen des medizinischen Dienstleisters Erfahrung in Sachen Projektportfolio-Management gesammelt. Sie haben das Projektportfolio nach den „Smart“-Grundsätzen verbessert, die Kommunikation durch regelmäßige Meetings mit allen Beteiligten aufrechterhalten und auch noch definiert, wann aus einer Linienaufgabe ein Projekt wird.
Aber immer noch sind die Manager außerstande, herauszufinden, ob ein Projekt überhaupt zur Umsetzung des jeweiligen Unternehmensziels beigetragen hat. Dadurch gehen dem Unternehmen wichtige Erkenntnisse verloren: War der Auswahlprozess der Projekte scharf genug? Sind die richtigen Projekte im Portfolio gelandet? Sind „falsch“ Projekte rechtzeitig gestoppt worden? Wurde das strategische Ziel: „Hohe Qualität trotz Wachstum“ erreicht?
Empfehlung: KPIs definieren
Ob und inwieweit ein Ziel erreicht worden ist, lässt sich anhand von Key Performance Indicators (KPIs) nachvollziehen. Im Fall des Medizindienstleisters wären solche Indikatoren zum Beispiel die Ergebnisse von Kundenumfragen oder die simple Prüfung, ob die Nachfrage gestiegen oder gesunken ist.
FALLE 5: NIEMAND HAT DEN MUT ZUM PROJEKTABBRUCH
Solange es keine einheitliche Kommunikationsstrategie gab, gingen immer wieder Projekte an den Start, die den Unternehmenszielen entgegenliefen. Zum Beispiel ein Projekt im Einkauf, das darauf zielte, ausschließlich deutsche Bedienungsanleitungen für die Laborsoftware zu bestellen. Es konkurrierte mit dem übergreifenden Ziel, eine einheitliche Arbeitsumgebung für alle Unternehmensbereiche aufzubauen: Wegen der zugekauften internationalen Firmen wären englische Anleitungen sicher sinnvoller gewesen. Also wurden Zeit, Ressourcen und Geld für ein Projekt aufgewendet, das im Grunde vergebens war.
Auch wenn ein Unternehmen bereits Projektportfolien etabliert hat und die Mitarbeiter wissen, warum sie etwas tun, kommt es häufig zu Zeit- und Geldverschwendung. Und zwar dann, wenn die Unternehmensführung das Projektportfolio nicht genau genug beobachtet: Ändert sich die Marktsituation in unvorhergesehener Weise, sind die Unternehmensziele dahingehend neu zu bewerten. Sonst werden Projekte weitergeführt oder sogar neu begonnen, die unter den neuen Umständen nicht sinnvoll sind.
Empfehlung: Portfolio immer im Blick
Anstatt einmal im Jahr das Projektportfolio festzuzurren, sollten die Verantwortlichen flexibler werden und spätestens jedes halbe Jahr Marktsituation und Portfolio neu prüfen, um letzteres gegebenenfalls anzugleichen. Sollte man dabei feststellen, dass das ein oder andere Projekt nicht mehr der Marktsituation entspricht, muss das Unternehmen die Konsequenzen ziehen: Das Projekt ist in diesem Fall zu stoppen – egal, wieweit es fortgeschritten ist und wieviel Geld man dafür schon ausgegeben hat.
* Marcus Berger ist Director EMM Consulting und Dr. Thomas Henkelmann ist Director Consulting Sevices der TPG The Project Group in München. Der Artikel stammt von der deutschen Computerwoche.
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