Public Infrastructure as a Service – ein Markt im Wandel

Im Markt für Public Infrastructure as a Service drängen sich viele Anbieter. Nicht alle werden überleben. IT-Entscheider müssen deshalb bei der Auswahl eines IaaS-Providers genau hinsehen. [...]

Das Jahr 2016 steht im Zeichen des zehnjährigen Cloud-Computing1-Jubiläums. Im Jahr 2006 revolutionierte Amazon Web Services (AWS) mit seinem Simple Storage Service (S3) und dem Start seiner Elastic Compute Cloud (EC2) die gesamte IT-Landschaft. Nun war es Unternehmen möglich Rechenleistung und Speicherkapazität kurzfristig und nach Bedarf ohne vorherige Installation zu buchen, um zum Beispiel Lastspitzen abzufangen. Seitdem hat sich viel getan, neue Geschäftsmodelle sind auf Basis der Public-Cloud-Infrastruktur von Amazon Web Services entstanden. Neben AWS kämpfen heute auf dem Markt für Public Infrastructure as a Service (IaaS) zahlreiche Mitbewerber um Anteile.
Dieses Jubiläum ist für die Marktforscher von Crisp Research ein guter Grund, um die vergangenen zehn Jahre Revue passieren zu lassen und sich die wichtigsten Marktentwicklungen im Bereich Public IaaS anzuschauen. Hierzu widmet sich dieser Analyst View den Fragen, welche neuen Anbieter sich im Markt positioniert haben, welche Anbieter sich dem harten Konkurrenzkampf geschlagen geben mussten und welche Firmen durch Konsolidierungen oder Partnerschafen versuchen ihren Platz im Markt zu behaupten. Außerdem stellt sich natürlich die spannende Frage, was die Marktführer erfolgreicher als ihre Mitbewerber macht. Dies alles bietet die Grundlage für den Ausblick in die Zukunft des Marktes für Public Infrastructure as a Service und seinen zukünftigen Entwicklungen.
Public IaaS – die DNA echter Cloud-Anbieter
Die Marktanteile im Public-IaaS-Markt sind hart umkämpft, denn nicht erst seit heute boomt das Geschäft. Auch in Zukunft wird dieser Markt – nicht zuletzt bedingt durch die wachsende Technologieaktzeptanz des Mittelstands – weiter wachsen. Der von Crisp Research weltweit prognostizierte Umsatz für das Jahr 2016 im Public-IaaS/PaaS-Markt liegt bei 23,5 Milliarden US-Dollar und das obwohl die Preise seit dem ersten Roll-out einer Public-Infrastruktur-Cloud von AWS im Jahr 2006 sukzessive gesunken sind. Im Januar 2016 kündigte AWS die 51. Preisreduktion an, die Compute-Stunde kostet mittlerweile nur noch 0,013 US-Dollar, im Vergleich zu 0,10 US-Dollar bei Einführung des Dienstes im Jahr 2006. Auch drängen immer mehr Konkurrenten in den Markt. Mittlerweile tummeln sich rund 20 Anbieter im Haifischbecken Public IaaS, wobei jedoch ein klarer Trend hin zur Anbietersättigung und Konsolidierung zu erkennen ist.
Lange nicht jeder Anbieter, der sich selbst als Public-Cloud-Anbieter positionieren will, bietet auch wirklich echtes Public Cloud Computing an. So vertreiben Firmen wie GoGrid oder Dell Infrastrukturen als Managed-Lösungen, also nur zusammen mit Beratungsleistungen und fallen somit nicht unter die Definition eines Public-Cloud-Anbieters. Ein echter Public-IaaS-Anbieter zeichnet sich demzufolge durch folgende Punkte aus:

  • Geteilte Infrastruktur für alle Nutzer
  • Physikalische Infrastrukturen befinden sich im Eigentum des Anbieters
  • Die Abrechnung erfolgt nutzungsabhängig
  • Die Buchung der Services erfolgt auf Self-Service-Basis
  • Infrastruktur wird durch den Anbieter verwaltet
  • Standardisierte Cloud-Services und SLAs

Es wird voll im Public-IaaS-Himmel – ein kurzer historischer Rückblick
Gab es bis 2008 nur AWS als alleinigen Anbieter, bieten heute rund 20 Firmen diese Leistung für den deutschen Markt an. Wenn man die reine Porivderrzahl betrachtet, dann war 2013 das wachstumsstärkste Jahr im Bereich des Public IaaS. Seitdem ist die Zahl an neuen Roll-outs eher gering. Im Jahr 2016 müssen sich jetzt die ersten aus Mangel an Konkurrenzfähigkeit geschlagen geben. Seit dem Jahr 2013 steigt die Zahl der Mitbewerber nur noch mäßig an, der Markt scheint mittlerweile trotz des anhaltenden Umsatzwachstums an einem Sättigungspunkt angelangt zu sein. AWS ist auch nach zehn Jahren weiterhin der klare Marktführer.
Doch was macht Amazon auch nach zehn Jahren noch so erfolgreich? Ist es der nachhallende Vorteil des Pioniers auf einem neuen Markt und somit historisch bedingt? Oder geht es vielmehr um die Innovationskraft, die AWS antreibt, seinen Kunden zusätzlich zu den Infrastrukturangeboten regelmäßig neue interessante Services anzubieten? Denn im Public-Cloud-Geschäft geht es schon lange nicht mehr nur um die bloße Bereitstellung von Rechenleistung und Speicherkapazität oder den günstigsten Preis.
In or Out? – IaaS-Providerlandschaft im Zeitverlauf
Neben Amazon gibt es einige Firmen, die auf technologischer Seite gut aufgestellt sind und daher sehr gute Chancen haben, sich auch weiterhin am Markt behaupten zu können. Dann gibt es noch die Anbieter, die versuchen mit strategischen Partnerschaften oder Akquisitionen ihre Marktstellung zu verteidigen. Und natürlich gibt es auch solche Provider, die sich nicht behaupten konnten und sich daher aus dem Geschäft zurückziehen mussten oder es in absehbarer Zeit noch tun werden.
Im Jahr 2009 folgten nach AWS zunächst Virtuestream, CloudSigma und Aliyun als die ersten Konkurrenten auf den Public-IaaS-Markt, wobei Aliyun für sich nur den asiatischen Raum erschlossen hat. Im Jahr 2010 ist der bislang größte Konkurrent für AWS – Microsoft – mit seiner Public-Infrastructure-Cloud „Azure“ in den Markt getreten. Diese war zunächst nur als PaaS-Service mit integriertem Storage am Markt, seit 2013 wurden dann erstmals auch virtuelle Maschinen angeboten. Erst durch dieses zusätzliche Angebot konnte sich die Microsoft Cloud einiges an Marktanteilen sichern und ist heute der größte Konkurrent für AWS. 2010 hat auch VMware, welches mit seiner Virtualisierungstechnologie einen Grundstein für die Bereitstellung von Cloud Computing gelegt hat, mit seiner „vCloud Air“ eine eigene Public Cloud auf den Markt gebracht. VMware gehört mittlerweile, genau wie die Public Cloud von Virtustream (seit 2009 am Markt), zu EMC. VMware hat zudem kürzlich erst eine Partnerschaft mit IBM angekündigt, was an dieser Stelle klar zeigt, dass es dem Unternehmen schwer fällt, alleine signifikante Marktanteile zu erlangen.
Im Jahr 2012 ist der Suchmaschinenriese Google mit seiner Google Compute Engine (GCE) in das Public-IaaS-Geschäft eingestiegen. IBM hatte zunächst einen ersten eigenen Public-Cloud-Dienst, IBM Smart Cloud Enterprise, die jedoch im Jahr 2013, bedingt durch den Kauf von Softlayer, ersetzt wurde. Der Datenbankhersteller Oracle brachte erst im Jahr 2014 seine erste Public Infrastructure Cloud, die Oracle Cloud auf den Markt. Im Jahr darauf startete die Firma OVH ihre Public Infrastructure Cloud, die ab diesem Jahr auch in Deutschland für Compute- und Storage-Leistungen verfügbar ist. Ganz frisch auf dem Markt ist seit dem Jahr 2016 die Open Telekom Cloud, die auf der Technologie von Huawei aufbaut.
HP führte im Jahr 2012 die HP Helium Public Cloud ein und musste sich kürzlich aufgrund von mangelndem Umsatz und Marktanteil aus dem Public-IaaS-Geschäft zurückziehen. Der große US-amerikanische Telekommunikationsanbieter Verizon versuchte sich ebenfalls durch den Aufkauf von Terremark im Jahr 2013 an der Public Cloud und musste auch in diesem Jahr ein Scheitern bekannt geben. Die Firma Rackspace, die schon im Jahr 2009 in das Public-Cloud-Geschäft eingestiegen war, verkündete kürzlich eine Umstrukturierung des eigenen Geschäftsmodells weg vom reinen Public-IaaS-Angebot hin zu einem vorwiegend Managed-Cloud-Computing-Ansatz. Doch welche Gründe bewegen Anbieter, wie HP, Verizon und Rackspace sich aus dem wachsenden Public-Infrastructure-Geschäft zurückzuziehen?
Zu HPs Kunden gehören seit jeher vorrangig große und mittelständige Geschäftskunden. Im Public-Cloud-Markt waren jedoch noch vor zwei Jahren vor allem Start-ups, Entwickler und Digital-Agenturen die wichtigsten Nutzer. HPs eigene Kunden hingegen, zu denen sie einen leichten Zugang gehabt hätten, waren zu dem Zeitpunkt tendenziell noch nicht bereit ihre Prozesse in die Cloud zu verlagern. Somit musste HP in eine direkte Konkurrenz zu den großen, innovativen Cloud-Plattformen – AWS und Microsoft Azure – treten, um Kunden zu gewinnen. Allerdings konnte HP, das durch einen späten Einstieg ins Cloud Geschäft schon einen zeitlichen Nachteil verbuchen musste, auch technologisch mit den schnellen Innovationszyklen nicht mithalten, um den Vorsprung seiner Konkurrenten wett zu machen und die innovationsverwöhnten Start-ups und Entwickler für die eigene Plattform zu begeistern.
Der amerikanischen Telekommunikationsdienstleister Verizon ist genau wie HP erst spät in das Public-Cloud-Geschäft eingestiegen. Zusätzlich zum zeitlichen Nachteil hat Verizon ausschließlich auf die Bereitstellung von reinen IaaS-Diensten, wie Rechenleistungen und Storage gesetzt, ohne dem Kunden innovative Mehrwertdienste anzubieten. Verizon hat hiermit den Nerv der Zeit sicherlich nicht getroffen, da gerade Start-Ups innovative Plattformen mit verschiedensten Microservices für ihre neuen Geschäftsmodelle nachfragen.
Rackspace hat sein Geschäftsmodell von einem Public Cloud Computing Provider hin zu einem Managed-Public-Cloud-Provider verändert und fällt somit nicht mehr in die oben eingeführte Definition. Das Unternehmen bietet technisch gesehen zwar noch eigenes Public Cloud Computing an, allerdings nur zusammen mit Beratungsleistungen – der Self-Service entfällt. Dieses Umstrukturieren des Geschäftsmodells macht vor allem mit Blick auf den umfangreichen und guten Kundenservice von Rackspace sehr viel Sinn. Denn im Vergleich zu AWS, Google oder Microsoft hat Rackspace geringere finanzielle Möglichkeiten um in Forschung und Entwicklung zu investieren und kann somit gegen den Innovationsdruck seiner großen Konkurrenten nicht bestehen. Durch das Managed-Geschäftsmodell wird die Beratungsleistung von Rackspace wieder zu einem USP und sie können zudem auch durch Kooperationen auf die innovativen Cloud-Lösungen ihrer vormaligen Konkurrenten zugreifen, um ihren Kunden die passende Cloud-Lösung auf den Leib zu Schneidern.
Ein Ausblick in die Zukunft – it´s the Platform, Stupid
Microsoft hat auf der CeBIT 2016 die offizielle Technical Preview seiner Azure Cloud für Deutschland angekündigt und somit eine zusätzliche, eigenständige Public-Cloud-Umgebung für den deutschen Rechtsraum eröffnet. Diese soll vor allem den deutschen Mittelstand als Kunden gewinnen, aber auch attraktiv für europäische Nachbarn sein, da der deutsche Datenschutz ein großes Qualitätssiegel darstellt. Diese neue Public Cloud wird physisch gesehen komplett autark von der weltweiten Public Cloud Azure betrieben und begegnet somit den Datenschutzbedenken auf Seiten des Mittelstands, der mittlerweile bereit ist, seine Prozesse in die Cloud zu verlagern. Zudem ist auf der CeBIT auch die Open Telekom Cloud offiziell gestartet worden, die vorerst ebenfalls nur in deutschen Rechenzentren betrieben wird. Ob sich die Fokussierung auf die Themen Compliance und deutscher Datenschutz unter dem Gesichtspunkt der damit einhergehenden geografischen Beschränkung in Zukunft auszahlen wird, bleibt abzuwarten. Denn durch diese Beschränkung werden zwar die deutschen Datenschutzrichtlinien eingehalten, aber die globale Reichweite, um auch Kunden in anderen Ländermärkten zu erreichen, wird hierdurch erschwert.
Als vergleichsweise günstigster Anbieter auf dem deutschen Markt bietet ProfitBricks seinen Kunden reine Infrastrukturleistungen an. Da aber der Preis in dem Geschäft eher sekundär ist, was unter anderem die großen Marktanteile der verhältnismäßig teureren Anbieter AWS und Microsoft Azure belegen, ist daher fraglich, ob ProfitBricks mit diesem Geschäftsmodell und reinen Infrastruktur-Ressourcen sich zukünftig noch weiter Marktanteile sichern kann. Vor allem wenn man bedenkt, dass zum Beispiel auch die Google Compute Engine relativ niedrige Preise bietet, jedoch zusätzlichen gespickt ist mit weiteren Angeboten und innovativen Services, die Google nun konsequent mit Services für Unternehmenskunden erweitert.
IBM hat den Wunsch der Kunden im Markt erkannt und bemüht sich daher derzeit um die Integration von IBM Bluemix und Softlayer. Bislang sind beide Clouds nicht miteinander integriert, weshalb die Mehrwertdienste von Bluemix nicht so einfach auf der Infrastruktur von Softlayer betrieben werden können. Zusätzlich stärkt IBM die angestrebte Partnerschaft mit VMware, womit sich IBMs Cloud-Lösungen somit leichter in die Unternehmens-IT durch standardisierte Schnittstellen integrieren lassen. Bei VMware wurde hingegen zusätzlich zu dieser Partnerschaft kürzlich erst bekannt gegeben, dass 800 Mitarbeitern abgebaut werden sollen, vor allem im Bereich der Cloud-Plattform vCloudAir. Dies sind Hinweise darauf, dass sich VMware wahrscheinlich Schritt für Schritt aus dem Public-Clou- Geschäft zurückziehen wird, um sich mehr auf andere, für sie gewinnbringendere Unternehmensbereiche zu konzentrieren.
Nachdem die Alibaba Group ein zweites Data Center in den USA erbaut hat, plant das Milliardenunternehmen nun auch ein Rechenzentrum in Deutschland zu errichten. Mit Aliyun und der AliCloud tritt in Zukunft ein Konkurrent in den europäischen Markt ein, der das Potential besitzt, die etablierten Anbieter herauszufordern.
Welche Faktoren tragen dazu bei, dass ein Anbieter auf dem Public IaaS-Markt auch langfristig Erfolg hat und sich somit Marktanteile sichern kann?

  • Globale Verfügbarkeit von Rechenzentrumsstandorten
  • Innovationsfähigkeit und -Geschwindigkeit (zum Beispiel Microservices-Portfolio)
  • Gutes Preis-/ Performance-Verhältnis
  • Klare Positionierung/ USP der Services
  • Zukunftsfähigkeit des Anbieters und seines Angebotes
  • Funktionierendes Ökosystem und Partnernetzwerk
  • Offener Ansatz (Vermeidung eines Service-Lock-Ins)
  • Angebot von APIs zur Umsetzung von Infrastructure-as-Code
  • Verpflichtung zur Einhaltung von lokalen Datenschutzrichtlinien und Gesetzen (zum Beispiel RZ-Standorte in lokalen Ländermärkten)

Neben den Anbietern, sollte auch der IT-Entscheider diese Punkte auf seiner Watchlist haben, um bei einer künftigen Anbieterwahl nicht auf das falsche Pferd zu setzen. Denn aus der Vergangenheit zeigt sich, dass das alleinige Bereitstellen von Infrastrukturen nicht reichen wird, um langfristig am Markt zu bestehen.

* Meike Stefanie Buch ist Junior Analyst des IT-Research- und Beratungsunternehmens Crisp Research AG.


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