SAP-Migration: Verschiedene Wege führen mit SAP in die Cloud

Ab 2027 endet der Support für SAP R/3 und SAP ECC. Eine Lösung ist die Migration in die Cloud. SAP unterstützt zusammen mit Partner-Firmen den Umzug. [...]

Der Trend bei SAP selbst geht klar in Richtung Cloud, genauer gesagt: Cloud first, nicht Cloud only (c) Funtap

Ende 2027 ist Stichtag: Dann endet die Standard-Wartung von ERP Business Suite 7 und SAP ECC durch SAP. Optional können Firmen gegen einen Aufschlag den Support in Form der erweiterten Wartung noch bis 2030 ausdehnen. Nichtsdestotrotz bedeutet das für sehr viele Unternehmen, dass sie sich eine neue ERP-Lösung suchen oder auf S/4HANA migrieren müssen. Hier stellt sich dann die Frage: On-Premise oder Cloud?

Der Trend bei SAP selbst geht klar in Richtung Cloud, genauer gesagt: Cloud first, nicht Cloud only. „Für uns hat die Cloud mittlerweile höchste Priorität. Wir entwickeln unsere Produkte vor allem in Hinblick auf einen Cloud-first-Ansatz, bieten aber weiterhin On-Premise-Lösungen an. Wir folgen damit dem Markttrend und gehen auf die Bedürfnisse un­serer Kunden ein, die inzwischen einen Großteil ihrer Anwendungen in der Cloud betreiben wollen. Die Cloud-Affinität in Deutschland ist höher als erwartet“, erklärt Michael Lamade, Vice President, Global Head of S/4HANA Solution Management.

Mittlerweile verlagern viele Firmen nicht mehr nur einfach zu standardisierende Bereiche wie Personal, Einkauf von Nicht-Produktionsmate­rial oder Dienstleistungen in die Cloud, sondern auch komplexere Themen wie die Abbildung der Lieferkette (Supply Chain) oder den Einkauf von Produktionsmaterialien. SAP versteht Cloud weniger als Infrastruktur zum Betrieb des ERP-Systems, sondern vor allem als Software as a Service (SaaS) mit permanenter Innovation und schneller, flexibler Anpassung an neue Anforderungen.

SAP will seine Kunden bei der Digitalisierung unterstützen. „Es geht darum, die Businessprozesse End-to-End zu verbessern und zu automatisieren, die Prozesse, Technologien und Daten zu verbinden sowie die interne Komplexität zu reduzieren. Ein weiteres Ziel ist es, mit Hilfe der Cloud-Migration neue Geschäftsmodelle zu unterstützen“, sagt Lamade.

Ansätze für die SAP-Migration in die Cloud

Bei der Migration von SAP R/3 auf SAP S/4HANA in die Cloud gibt es zwei Ansätze: Greenfield und Brownfield – und eine Mischform. In der Praxis kommt die Greenfield-Methode wegen anstehender Release-Wechsel häufiger zum Einsatz.

Greenfield-Methode: Bei dieser Methode starten Unternehmen sozusagen auf der „grünen Wiese“, da hier das SAP-System neu implementiert wird. Das System wird parallel zum operativen Betrieb aufgesetzt, um die laufenden Geschäftsprozesse nicht zu beeinträchtigen. Der Greenfield-Ansatz eignet sich vor allem für Firmen, die sehr komplexe SAP-Systeme nutzen, die über Jahre gewachsen sind und kontinuierlich weiterentwickelt wurden.

Durch die Neuimplementierung können Firmen die Altlasten ihres bisherigen R/3-Systems abwerfen, erfolgte Erweiterungen unter die Lupe nehmen sowie Prozesse und Daten bereinigen. S/4HANA bringt dafür bereits einige Zusatzentwicklungen mit. Firmen übernehmen damit in SAP S/4HANA nur Funktionen und Prozesse mit echtem Mehrwert sowie verschlankte Datenbanken. Da die ERP-Software damit stärker standardisiert wird, ist sie flexibler bei der Integration von Innovationen.

Die Vorbereitung auf die Migration im Greenfield-Ansatz ist allerdings sehr aufwendig und bedeutet meist längere Projektlaufzeiten. So ist die Bereinigung der Datenbanken mit sehr hohem Aufwand verbunden, vor allem, wenn die Unternehmensdaten vorher nicht regelmäßig geprüft oder aktualisiert wurden. Zudem müssen alle Prozesse neu evaluiert werden.

Brownfield-Methode: Hierbei handelt es sich nicht um eine Neuimplementierung, sondern um eine Systemkonvertierung. Unternehmen übertragen damit alle Daten und Prozesse auf SAP S/4HANA und passen diese schrittweise an. Dieser Ansatz eignet sich daher vor allem für bestehende SAP-Systeme mit wenig Altlasten, sprich die Systeme müssen kaum geändert werden. Daher kann der Wechsel auf die neue ERP-Lösung schnell erfolgen. Allerdings kann es sein, dass Firmen mit dieser Methode das Potenzial der moderneren S/4HANA-Version nicht voll ausschöpfen. Achtung: Entscheidet sich ein Unternehmen für die standardisierte SAP-Version S/4HANA Cloud ES (Essentials Edition), ist die Brownfield-Methode nicht möglich.

Selektive Migration: Außerdem gibt es noch den Mittelweg der selektiven Migration, bei der man sich je nach Funktion für einen Migrationsansatz entscheidet. Firmen setzen dann das Zielsystem in Teilen neu auf, optimieren einen Teil der Prozesse, übertragen die Daten und passen Tabellen, Programme und Schnittstellen im migrierten System in der Cloud an.

Breites Cloud-Portfolio

Das Portfolio von SAP in der Cloud ist inzwischen so umfangreich, dass es schwerfällt, den Überblick zu behalten. Außer den Lösungen wie SAP S/4HANA als zen­trales ERP, SAP Ariba als Einkaufsplattform, SAP C/4HANA für die Customer Experience und SAP SuccessFactors für das Personalmanagement gibt es auch Spezial-Clouds wie etwa die SAP Analytics Cloud, SAP HANA Cloud oder die SAP Data Warehouse Cloud.

Business Transformation as a Service: Mit dem Cloud-Paket „RISE with SAP“ will SAP seine Kunden bei der Optimierung von Geschäftsprozessen und dem Aufbau neuer Geschäftsmodelle unterstützen (c) SAP

Neben der eigenen SAP-Cloud können Kunden ihre SAP-Lösung auch in den Clouds der Hyperscaler Microsoft, Amazon, Google oder Alibaba sowie bei kleineren lokalen Cloud-Providern betreiben. Die Implementierung erfolgt überwiegend über die zertifizierten SAP-Partner aus dem umfangreichen Ökosystem. Um die Migration in die Cloud zu vereinfachen und zu beschleunigen, bietet SAP rund 1500 vorkonfigurierte Pakete mit Standard-Prozessen, Best-Practice-Content sowie Lösungen zur Integration mit anderen Systemen.

Ende Januar hat die Software-Schmiede mit „RISE with SAP“ ein kommerzielles Paket vorgestellt, bestehend aus Cloud-Lösungen und Services, das Kunden bei ihrer digitalen Transformation unterstützen soll. Voraussetzung ist der Umstieg oder die Neueinführung von S/4HANA. Um die Komplexität von Verträgen zu reduzieren, bündelt SAP unter dem Slogan „One Subscription, One Price, One Contract“ Software, Services und Tools, um den Weg in die Cloud und zu effizienteren Prozessen zu vereinfachen – für Bestandskunden und für Neukunden aus allen Branchen und in jeder Größe. RISE with SAP besteht aus den folgenden Komponenten: S/4HANA Cloud, Business Process Intelligence, SAP Business Network, SAP Business Technology Platform (BTP), Cloud-Infrastruktur-Services sowie Tools für die Migration. Stand Ende 2020 setzen über 130 Pilotkunden die Lösung ein.

Der Anspruch von RISE with SAP geht weit über eine rein technische Migration hinaus. Der Konzern will damit „Business Transformation as a Service“ anbieten mit Fokus auf der Optimierung von Geschäftsprozessen und dem Aufbau neuer Geschäftsmodelle. So können Kunden mit der zentralen Komponente Business Process Intelligence kontinuierlich analysieren, wie Prozesse funktionieren, sie mit Branchenstandards vergleichen, den Automatisierungsgrad erhöhen und einfach an neue Voraussetzungen und Geschäftsanforderungen anpassen. Um sich hier weiter zu verstärken, hat SAP kürzlich auch das Berliner Start-up Signavio übernommen.

Gemischte Resonanz

Eine wichtige Rolle bei RISE with SAP spielen Beratungspartner wie Accenture, Deloitte, PwC oder auch die All for One Group. Thorsten Wilcke, Head of Cloud ERP bei der All for One Group, kommentiert die unlängst vorgestellte strategische Ini­tiative von SAP so: „Mit RISE with SAP erhält die Cloud-first-Strategie von SAP deutlich Rückenwind. Das hilft uns als SAP-Partner genauso wie unseren 2500 Stammkunden, die wir mit dem gesamten SAP-Portfolio auf ihrem Weg in die digitale Zukunft aus der Cloud begleiten wollen. Für unsere Neukunden mit Präferenz für die Public Cloud dürfte bei RISE with SAP vor allem der Suite-in-the-Box-Ansatz im Vordergrund stehen. End-to-End-Prozesse lassen sich so für diese Unternehmen besonders durchgängig, schnell und effizient einrichten.“

Während die Partner die Cloud-Strategie von SAP überwiegend begrüßen, sind die Anwender skeptischer. Bei den Technologietagen der Deutschsprachigen SAP-Anwendergruppe (DSAG) gab es einige Vorbehalte gegen die Cloud, etwa wegen des Datenschutzes oder einer befürchteten höheren Komplexität bei der Kombination verschiedener (Cloud-)Lösungen. Zudem sei die Migration kein reines IT-Projekt, sondern die neue Plattform müsse auch wirtschaftliche Vorteile bieten, hieß es. Verschiedene Redner gaben zu bedenken, dass der Reifegrad der lokal installierten Technologie aktuell (noch) höher sei als in der Cloud und Firmen ihre SAP-Systeme durch Eigenentwicklung und die Integration mit Fremdapplikationen differenzierten. Dies müsste sich auch in der Cloud realisieren lassen, so der Tenor der DSAG-Veranstaltung.

Komplexe Landschaften

Die meisten SAP-Anwender starten natürlich nicht auf der grünen Wiese. Die SAP-Landschaften sind in vielen Firmen sehr heterogen. Sie bestehen in der Regel aus mehreren SAP-Systemen und -Instanzen mit unterschiedlichen Release-Ständen, sehr vielen Eigenentwicklungen und über die Jahre gewachsenen komplexen Prozess- und Datenstrukturen. Angesichts dieser komplizierten Lage scheuten viele Unternehmen bislang die Umstellung ihres SAP-ERPs auf S/4HANA.

Das zeigte die Ende 2019 veröffentlichte Studie „Mit S/4HANA in die digitale Zukunft“ von Lünendonk & Hossenfelder. Damals befanden sich 52 Prozent der befragten Unternehmen erst in der Business-Case-Erstellung für die SAP-Transformation. Die Zahl der Umstellungen hat sich bis heute erhöht, die hohen Werte belegen aber das Zögern vieler Unternehmen angesichts der Herausforderungen der Migration – obwohl das Ende des SAP-Supports für SAP R/3 und SAP ECC naht.

„Mit dem fixen Ende der Wartung für die bisherigen ERP-Produkte treibt SAP seine Kunden vertrieblich aktiv zum Kauf des Nachfolgeprodukts S/4HANA. Es bleibt ihnen kaum eine andere Wahl, als der SAP-Strategie zu folgen. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass sich SAP-Anwender für einen anderen ERP-Anbieter entscheiden, weil die Kosten für einen kompletten Technologiewechsel wohl sogar vielerorts noch höher sein werden als bei der S/4HANA-Umstellung“, sagt Mario Zillmann, Partner bei Lünendonk & Hossenfelder.

Beim Betriebsmodell von S4/HANA stellt er einen klaren Trend in Richtung Cloud beziehungsweise Hybrid-Cloud fest, auch bei Themen wie Supply Chain und Marketing. Die Bereitstellung erfolgt laut Zillmann meist über die Hyperscaler Amazon, Google und Microsoft, weniger über die eigene SAP-Cloud. „Letztere könnte aber vor allem für mittelständische Unternehmen noch attraktiver werden, weil sich durch die Nutzung von bereits vorkonfigurierten Prozessen der Umstellungsaufwand reduzieren lässt“, so Mario Zillmann.

Das bringt SAP in der Cloud

Warum aber sollten Firmen ihr SAP-System in die Cloud migrieren? Hier sind zunächst die üblichen Vorteile der Cloud zu nennen. Für Unternehmen entfallen Investitionen in die für SAP notwendige leistungsfähige Hardware, die damit verbundenen Wartungs- und Energiekosten sowie die Lizenzkosten für lokal installierte Software. Bezahlt wird für genau jene Dienste, die tatsächlich benötigt werden. Neue Nutzer lassen sich bei Bedarf einfach und flexibel hinzufügen oder wieder entfernen. Auch der Administrationsaufwand für den Betrieb der IT-Lösung entfällt, da der Cloud-Anbieter selbst etwa die Updates für die Software bereitstellt.

Optimierte Prozesse am Beispiel Spesenabrechnung: Dank Standardprozessen für Verkauf, Einkauf und Fakturierung aus der Cloud können Firmen in Projekten effizient zusammenarbeiten (c) All for One Group

Zudem verbessert die Cloud in den meisten Fällen (Daten-)Sicherheit und Compliance. Bei Cloud-Providern gehören IT-Sicherheit und Compliance zum Kerngeschäft. Sie investieren sehr viel Geld in die Absicherung ihrer Cloud-Umgebungen, setzen aktuelle Sicherheitstechnologie ein und beschäftigen ein größeres Team an Spezialisten, die ausschließlich Security-Maßnahmen umsetzen, überprüfen und anpassen. Ein weiterer Vorteil sind flexible Cloud-Modelle: Die Optionen reichen von der gehosteten Private Cloud über ein SaaS-Mietmodell inklusive Software-Lizenzen bis hin zum kombinierten Cloud- und On-Premise-Betrieb im eigenen Rechenzentrum.

„Durch die Migration von SAP in die Cloud können Firmen zudem den Code aufräumen und die Customizing-Exzesse mit verschiedenen individualisierten Versionen abschaffen. Sie haben die Chance, ihre Prozesse zu standardisieren und zu optimieren“, erklärt Mario Zillmann von Lünendonk & Hossenfelder. „Diese Standardisierung bringt auch einen Zeitgewinn beim Rollout von Anwendungen und der Aktualisierung von Funktionen. Neue Produkte und Services lassen sich binnen Wochen statt Monaten oder in Monaten statt Jahren in hoher Qualität auf den Markt bringen.“

Ein Beispiel: Mit einem cloudbasierten SAP-System lässt sich etwa schnell testen, inwieweit sich eine neue mobile Anwendung auf den Umsatz auswirkt. Mit einer On-Pre­mise-Version wären dafür mehrwöchige Testphasen nötig. Alles in allem sind Unternehmen mit einem Cloud-System flexibler, können schnell auf neue geschäftliche Anforderungen reagieren und bei Bedarf auch die Ressourcen beliebig skalieren.

Genaue Planung notwendig

Natürlich ist die Migration von SAP R/3 auf SAP S/4HANA in der Cloud alles andere als trivial. Denn hier handelt es sich um mehr als einen Release-Wechsel. Die neue SAP-Generation ist mit weitreichenden Veränderungen in den Bereichen Infrastruktur, Technologie und auch Prozessen verbunden. Bei der Verlagerung in die Cloud stellen zudem Themen wie Datentransfer, Schnittstellen zu Systemen von Kunden, Mi­gration von Betriebssystemen oder auch von unternehmensspezifischen Prozessen oder Codes eine große Herausforderung dar. Das erfordert eine genaue Planung. „Viele Firmen sind aber relativ schlecht vorbereitet.

Das geht schon beim Netzwerk los und der verfügbaren Bandbreite für die Verbindung zum Cloud-Rechenzentrum, in dem die SAP-Systeme laufen. Häufig sind die Leitungen zu niedrig dimensioniert und bilden gerade am Anfang des Projekts den Flaschenhals. Zeiträume für die Bereitstellung von Leitungen von bis zu drei Monaten sind nicht die Ausnahme, sondern eher die Regel“, sagt Andrej Janekovic, Experte für Cloud-Lösungen und Senior Account Manager bei Arvato Systems. Er berät Firmen bei der Migration ihrer SAP-Systeme in die Cloud.

Vor der eigentlichen Planung sollten Firmen laut Janekovic folgende wichtige Fragen klären: Welche Geschäftsprozesse wollen wir optimieren? Welche Funktionalitäten werden gewünscht? Welche Ziele (unternehmensweit, abteilungsspezifisch) werden verfolgt? Wann ist der beste Zeitpunkt für eine Migration? Welche Anforderungen werden an den Anbieter gestellt? Zudem empfiehlt er, versteckte Kostentreiber zu minimieren, vor allem für den internen Vorbereitungsaufwand.

„Diese Kosten sind abhängig von der Größe und Komplexität des Unternehmens, insbesondere vom Aufwand für die Anpassung der Schnittstellen an das neue Release oder von der Vorbereitung und ‚Entschlackung‘ der Altdaten für die Verlagerung in die Cloud. Hier sollten Firmen auch den Zeitpunkt der Migration und das Risiko einer verspäteten Migration in Betracht ziehen“, erläutert Andrej Janekovic. Angesichts des hohen Aufwands rät er den Firmen, für die Planung und Umsetzung der Migration ein eigenes Projektmanagement-Team aufzustellen.

Es sollte aus Mitarbeitern der IT- und Fachabteilungen sowie der Geschäftsleitung bestehen. Das Team definiert die Ziele, Anforderungen und notwendigen Funktionalitäten und wählt die zu optimierenden Prozesse und den passenden Provider oder Partner aus. „Das wichtigste Auswahlkriterium ist hier die Erfahrung mit bisherigen SAP-Migrationen. Referenzprojekte anderer Kunden geben Hinweise darauf, ob und wie erfolgreich ein Projekt verlaufen ist. Idealerweise binden Firmen den Partner bereits in der Analysephase ins Projekt mit ein, damit er die Systeme kennenlernt und die Ziele versteht“, rät Andrej Janekovic.

Checkliste und Fragen für die Cloud-Migration

Die Migration einer SAP-Lösung in die Cloud ist nicht trivial. Unternehmen sollten diesen Schritt daher genau planen. Hier eine Checkliste mit den wichtigsten Fragen für die Vorbereitung:

  • Wie genau passen SAP S/4HANA oder eine andere Cloud-Lösung von SAP zu unserer Geschäftsstrategie?
  • Welche Ziele (unternehmensweit, abteilungsspezifisch) verfolgen wir? Welche Geschäftsprozesse wollen wir optimieren?
  • Welche SAP-Funktionalitäten werden wir benötigen?
  • Wann ist der geeignete Zeitpunkt für eine Migration?
  • Wie sieht der technische und fachliche Migrationspfad aus? Wollen wir eine reine Migration der bestehenden Systemlandschaft in die Cloud? Oder geht es um ein Re-Design der Prozesse in Richtung standardisierter Prozesse?
  • Setzen wir auf eine Multi-Vendor-Cloud-Strategie?
  • Welches SAP- und/oder Hyperscaler-Lizenzmodell ist für uns das richtige?
  • Wie hoch sind die möglichen Kosten für den Betrieb der SAP-Systeme in der Cloud?
  • Übernehmen wir den Betrieb der SAP-Systeme in der Cloud selbst oder übernimmt das ein Dienstleister?
  • Wird unser Betriebssystem in der Cloud weiterhin unterstützt, oder müssen wir es wechseln oder upgraden? Inwieweit müssen wir unsere Daten vorbereiten?
  • Welche Tools unterstützen eine schnelle Cloud-Migration?
  • Ist unsere Netzwerk-Bandbreite hoch genug für eine schnelle Verbindung zu den Cloud-Instanzen?
  • Welche Kriterien sind uns bei der Auswahl des Anbieters oder SAP-Partners wichtig? Was für Anforderungen muss er erfüllen?

Best Practices mit SAP Activate

Es gibt selbstverständlich viele Tools und Services, mit denen SAP und seine Partner Firmen beim Umzug ihres SAP-Systems in die Cloud unterstützen. Dazu zählen Lösungen für die Analyse der Bestandssysteme, Tools für die Datenmigration oder Software für die Transformation von Prozessen. SAP-Partner verfügen zudem über großes Know-how für SAP-Systeme in der Cloud mit in der Praxis erprobten End-to-End-Szenarien. Die All for One Group etwa hat inzwischen bereits einige Hundert mittelständische Kunden in allen Unternehmensbereichen auf ihrem Weg in die Cloud begleitet.

„Bei uns steht am Anfang immer ein Readiness-Check mit der Analyse des bestehenden Systems und den künftigen Anforderungen an die SAP-Lösung. Häufig geht es hier um Veränderungsthemen. Firmen wollen beispielsweise mehr Transparenz, Probleme bei der Integration von anderen IT-Systemen oder Datenquellen künftig vermeiden, zugekaufte Unternehmen oder Niederlassungen besser einbeziehen oder Unternehmensteile aus dem Firmenverbund herauslösen“, erklärt Thorsten Wilcke von der All for One Group. „Aufgrund dieser Anforderungen schlagen wir dann passende Lösungen und Bereitstellungsmodelle vor, sei es Business By-Design, S/4HANA in der Cloud, SAP C/4 HANA, SAP SuccessFactors oder künftig auch RISE with SAP. Auch hybride Modelle mit On-Premise-Komponenten sind dabei möglich.“

Bei der Umsetzung orientiert sich All for One an der SAP-Activate-Methode, die auf den SAP-Best-Practice-Szenarien, standardisierten Prozessen, vorgefertigten Lösungen für Datenmigration und Testintegration sowie Guided Configuration basiert. Bei Letzterer werden die Projektteams schrittweise durch nötige Konfigurationen geführt. Insgesamt durchlaufen Firmen im Rahmen des SAP-Activate-Leitfadens sechs Phasen: Discover, Prepare, Explore, Realize, Deploy und Run.

Ein zentraler Punkt der SAP-Activate-Methode sind die Fit-to-Standard-Workshops. Hier erklärt die All for One Group, wie die Anforderungen an das künftige SAP-System aussehen und inwieweit sich diese Anforderungen mit den SAP-Standard-Prozessen decken. Welche Prozesse werden benötigt, um so nah wie möglich am Standard zu bleiben? „Sind Lücken vorhanden, bewerten wir diese und prüfen, ob wir diese durch In-App-Erweiterungen bereits aus der Cloud schließen können. Je nachdem werden bei dieser Neuimplementierung häufig die bisherigen Prozesse ersetzt, um genügend Raum für Innovationen zu schaffen“, so Thorsten Wilcke.

„Teilweise entwickeln wir die benötigten Funktionen direkt in der Cloud auch selbst oder warten auf entsprechende Release-Updates von SAP, die für kontinuierliche Verbesserungen meist vierteljährlich erfolgen.“ Als Zusatzlösungen in der Cloud bietet die All for One Group etwa Anwendungen für die Archivierung von Dokumenten oder für die Konfiguration von Varianten in der Fertigung.

Laut Thorsten Wilcke dauert die Implementierung einer neuen SAP-Lösung in der Cloud je nach Komplexität und Branche meist zwischen zwei und sechs Monaten, inklusive Tests der End-to-End-Prozesse, Dokumentation, End­-User-Schulungen und Aufbau des Produktivsystems – geht also viel schneller als eine komplexe On-Premise-Installation. Beschleunigt wird die Migration beispielsweise durch Software für die Template-basierte Migration von Daten oder diverse Integra­tionstechnologien von SAP mit Schnittstellen für die Verbindung von Anwendungen mit den Cloud-Instanzen.

Fazit & Ausblick

Mit dem Ende der Standard-Wartung für die bisherige ERP Business Suite 7 sowie seiner Cloud-first-Strategie setzt SAP seine Kunden unter Zugzwang und drängt sie zugleich in Richtung Cloud, selbst wenn die Lösungen auch On-Premise verfügbar bleiben. Im Gegenzug unterstützt SAP gemeinsam mit seinen Partnern Firmen mit Best Practices, Tools und Services bei der Migration und der Optimierung von Geschäftsprozessen. Dennoch ist die neue SAP-Generation SAP S/4HANA mit weitreichenden Veränderungen in den Bereichen Infrastruktur, Technologie und auch Prozessen verbunden. Unternehmen müssen daher die Migration in die Cloud genau planen, um von den Vorteilen zu profitieren – Flexi­bilität, Skalierbarkeit, standardisierten und optimierten Prozessen oder dem schnelleren Marktstart von neuen Produkten und Services.

Im Gespräch mit Constantin Hellweg und Jörg Blom von Deloitte

Constantin Hellweg und Jörg Blom sind Direktoren im Bereich Enterprise Performance SAP beim Beratungsunternehmen Deloitte. Im Interview mit com! professional erklären sie, welche Vorteile SAP-Systeme in der Cloud bringen und wie Firmen die Cloud-Migration am besten meistern.  

com! professional: Herr Hellweg, Herr Blom, warum sollten Firmen ihr SAP-System in die Cloud migrieren?

Constantin Hellweg: Direktor im Bereich Enterprise Performance SAP
und Market Offering Lead für SAP Cloud Transformation bei Deloitte
(c) Deloitte

Constantin Hellweg: Lange wurden cloudbasierte SAP-Systeme oder Systemlandschaften von vielen mit Skepsis betrachtet. Mittlerweile sind diese Systeme aus den Unternehmenslandschaften nicht mehr wegzudenken. Sie befähigen Firmen, ihre Marktpräsenz mit immer schnelleren Schritten auszubauen und so mit aktuellen Marktentwicklungen Schritt zu halten. Cloud-Applikationen sind heute zentrale Elemente für die Unterstützung der Geschäftsprozesse geworden.

Viele Unternehmen setzen dabei auf SAP-Lösungen – SAP S/4HANA als zentrales ERP, SAP Ariba als Einkaufsplattform, SAP C/4HANA für die Customer Experience und SAP SuccessFactors für das Personalmanagement. Alle Lösungen haben eines gemeinsam: Mit Ausnahme von einzelnen S/4HANA-Varianten sind alle Lösungen cloudbasierte Applikationen, die über ihre Modularität eine agile Plattform für zukünftige Marktanforderungen bieten.

com! professional: Welche weiteren Vorteile bringt SAP in der Cloud?

Jörg Blom: SAP-Cloud-Umgebungen haben den Vorteil einer fast unbegrenzten Skalierbarkeit. In der Vergangenheit war die Hardware-Investition und deren Betrieb neben den Investitionen in Software und Implementierung ein wesentlicher Kostentreiber. SAP-Cloud-Lösungen verfügen über eine bedarfsorientierte Skalierung. Die als Service gemietete Plattform kann entsprechend den Anforderungen skaliert werden, ohne das „eigene Blech“ ausbauen und die Verfügbarkeit in eigenen oder ausgelagerten Rechenzentren sicherstellen zu müssen.

com! professional: Wie ist die Ausgangssituation in den Firmen? Wie sieht deren SAP-Landschaft im Regelfall aus?

Hellweg: In der Regel sind SAP-Landschaften von Firmen sehr heterogen. Sie bestehen meist aus mehreren einzelnen SAP-Systemen mit sehr vielen Eigenentwicklungen und über die Jahre gewachsenen komplexen Prozess- und Datenstrukturen. Oft wurde dabei lediglich die technische System- und Datenplattform an die spezifischen Prozessanforderungen der Fachbereiche angepasst, anstatt das übergeordnete Ziel der Standardisierung und Harmonisierung der Daten- und Prozessstrukturen zu verfolgen.

Als Resultat werden die Aufwände für Wartung, Release-Wechsel und Änderungen immer größer. Damit wird es für viele Unternehmen immer schwieriger, sich marktseitigen Änderungen schnell anzupassen und etwa ein transparentes, übergeordnetes Reporting zu ermöglichen. Hinzu kommt, dass viele Unternehmen aufgrund des Wartungsendes für SAP ECC 6.0 zum 31. Dezember 2027 einen Release-Wechsel von SAP ECC 6.0 zu SAP S/4HANA planen.

com! professional: Wie können sich Firmen grundsätzlich für die Migration von SAP in die Cloud vorbereiten?

Hellweg: Viele Unternehmen bereiten den Wechsel in die SAP-Cloud mit einem sogenannten Phase-0-Projekt vor. Im Rahmen eines solchen Vorprojekts wird zusammen mit Beratungsunternehmen die richtige Strategie unter anderen für einen Wechsel in die Cloud vorbereitet. Bei diesem Vorgehen wird auch die aktuelle Cloud-Strategie der Unternehmen, falls vorhanden, berücksichtigt und entsprechend ausgebaut.

Die zentralen Fragestellungen für einen Wechsel in die Cloud sind: Möchte ich eine reine Migration der bestehenden Systemlandschaft in die Cloud durchführen, möglicherweise verbunden mit einem Release-Wechsel? Oder geht es um ein Re-Design meiner Prozesse hin zu standardisierten und harmonisierten Prozessen? Welches SAP- und gegebenenfalls Hyperscaler-Lizenzmodell ist das richtige? Wie möchte ich zukünftig den Betrieb und die Wartung organisieren?

Jörg Blom: Direktor im Bereich Enterprise Transformation und
verantwortlich für SAP-Technology & Platform bei Deloitte
(c) Deloitte

com! professional: Wie sollten Firmen bei der Migration von SAP in die Cloud vorgehen? Welche Ansätze gibt es?

Blom: Viele Firmen müssen mit dem Wechsel nach S/4HANA ihre Infrastruktur an die In-Memory Technologie anpassen. Dies ist ein guter Zeitpunkt für den Wechsel von ihrer heutigen SAP-Infrastruktur in die Cloud. Dieser Wechsel kann in einem Schritt erfolgen, zum Beispiel durch den Aufbau des neuen S/4HANA-Systems nach einem Greenfield-Ansatz in der Cloud, aber auch schrittweise. Erfolgt der Wechsel nach S/4HANA in einzelnen Schritten, ist eine Option, zuerst das heutige SAP-System in die Cloud zu migrieren.

Hellweg: Ist der Weg in die Cloud mit einem Release-Wechsel auf SAP S/4HANA verbunden, stellt sich die zentrale Frage, ob man eine reine Migration des bestehenden Systems in das neue SAP S/4HANA in der Cloud umsetzen möchte oder eine komplette Neuimplementierung mit anschließender Datenmigration anstrebt. Zwischen diesen beiden Extremen gibt es den Weg der selektiven Transformation, in der das Zielsystem in Teilen neu aufgesetzt wird und anschließend eine Datenmigration erfolgt.

Mit den Ansätzen der vollständigen Neuimplementierung oder der selektiven Transformation lässt sich die Systemlandschaft in der Regel von Altlasten bereinigen, Prozess- und Datenmodelle lassen sich standardisieren. Das wirkt zwar auf den ersten Blick komplexer und aufwendiger, hat aber den Vorteil, dass sich spätere Weiterentwicklungen oder die Nutzung von intelligenten Applikationen wie Machine Learning oder Predictive Analytics einfacher in die bestehende Landschaft einbetten lassen. Der Grund: Sie setzen auf standardisierten Prozess- und Datenmodellen auf und reduzieren somit den notwendigen Entwicklungsaufwand.

com! professional: Was sind die größten Herausforderungen bei einem Wechsel von SAP in die Cloud? Welche Fallstricke gibt es?

Hellweg: Der Wechsel in die Cloud erfordert Spezialkenntnisse, die heute nicht notwendigerweise in den eigenen IT-Abteilungen vorhanden sind. Voraussetzung ist eine Cloud-Strategie, die nicht nur den ersten Schritt in die Cloud umfasst, sondern das gesamte Zielbild für die zukünftige Cloud-Architektur. Welche Cloud-Form wird gewählt? Wie sichere ich meine Systemlandschaft ab, wie bette ich mobile Applikationen in mein Sicherheitskonzept ein, wo werden meine Daten gespeichert?

Geht mit dem Wechsel von SAP in die Cloud ein Release-Wechsel zu SAP S/4HANA einher, kommt dazu noch die zentrale Frage nach dem Lizenzmodell. Soll das zukünftige SAP-System als SaaS-Modell aufgesetzt werden? Kommen die Varianten SAP S/4HANA in der Public und Private Cloud in Betracht? Neben den technischen Unterschieden kann eine steuerliche Betrachtung notwendig sein, da sich das gewählte Lizenzmodell unterschiedlich auf die Bilanzierung der SAP-Implementierung/Migration in die Cloud auswirkt.


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