SAP steigt ins Datengeschäft ein

SAP hat auf der Kundenkonferenz Sapphire mit "SAP Digital Consumer Insight" seinen ersten Data as a Service vorgestellt. Anwender sollen auf Basis anonymisierter Mobilfunkdaten Einsichten in Demographie und Verhalten von Kunden an bestimmten Orten erhalten. Außerdem bohrt SAP seine HANA-Plattform mit zusätzlichen Funktionen auf und schmiedet einen Cloud-Pakt mit Microsoft, um die HANA-Plattform auf Azure zu hieven. [...]

SAP hat auf seiner Kundenkonferenz Sapphire, die vom 17. bis 19. Mai in Orlando, Florida, stattfindet, mit dem Datenservice „SAP Digital Consumer Insight“ sein erstes Data-as-a-Service-Angebot angekündigt. Nutzer des Dienstes sollen auf Basis anonymisierter Informationen Einblicke in das Verbraucherverhalten an bestimmten physischen Standorten erhalten. Damit lasse sich SAP zufolge beispielsweise feststellen, welche demografischen Eigenschaften die Besucher eines Geschäfts oder eines interessanten Ortes haben. Die Informationen basierten auf anonymisierten, echtzeitnahen mobilen Daten und würden Aufschluss darüber geben, woher Verbraucher kommen, welcher Altersgruppe und welchem Geschlecht sie angehören und welche mobilen Geräte sie benutzen, hieß es in einer Mitteilung des Anbieters.

Darüber hinaus ermöglichten die Daten einen Vergleich mit anderen Standorten beziehungsweise Wettbewerbern. Die mobilen Daten über einen Verbraucher an einem bestimmten Standort und in dessen Umgebung könnten für Werbung, standortbezogenes mobiles Marketing, Standortplanung sowie Verkaufsstrategien und -kampagnen genutzt werden. Nutzer seien damit in der Lage, gezieltere und wirkungsvollere Strategien im Marketing und für die Pflege der Kundenbeziehungen zu entwickeln, versprechend die SAP-Verantwortlichen. Mit Hilfe von SAP Digital Consumer Insight lasse sich zum beispiel ermitteln, aus welchen Personengruppen sich die Besucher einzelner Veranstaltungen zusammensetzten. Wir könnte Werbung auf ähnliche Besucher zugeschnitten werden, die die gleichen Interessen haben.

ANONYMISIERTE MOBILFUNKDATEN SOLLEN PRIVATSPHÄRE SCHÜTZEN
SAP Digital Consumer Insight nutzt SAP zufolge neue Analysemethoden sowie In-Memory- und Cloud-Technologien, um auf Mobilfunkdaten zuzugreifen. Da die Daten vor der Bereitstellung anonymisiert und verdichtet würden, sei die Privatsphäre einzelner Mobilfunkteilnehmer geschützt, versichern die SAP-Verantwortlichen. „Über das Onlineverhalten von Verbrauchern gibt es eine Fülle von Informationen. Aber bisher war es für Unternehmen extrem unpraktisch, ähnliche Informationen über das Kundenverhalten an physischen Orten zu erhalten“, erläuterte Jonathan Becher, Chief Digital Officer und Leiter von SAP Digital. SAP Digital Consumer Insight ermögliche Unternehmen jeder Größe, mehr über ihre Kunden an einen bestimmten Ort erfahren. Mit diesen Erkenntnissen könnten sie ihre Produkte und Dienstleistungen verbessern, Marketingkampagnen optimieren, neue Standorte erkunden und mehr über ihre Wettbewerber erfahren.

SAP startet seinen Datenservice zunächst mit mobilen Daten aus den USA, die aber überall erworben werden können, wo der SAP Store verfügbar ist. Das neue Angebot ist per Self-Service im SAP Store auf SAPStore.com erhältlich kann per Kreditkarte bezahlt werden. Bis Ende des Jahres sollen Daten aus weiteren Regionen dazukommen. Nutzer könnten mit einer Datendatei einsteigen, die 399 Euro kostet, oder für 1299 Euro auf fünf Datendateien zugreifen. Neben SAP Digital Consumer Insight bietet SAP eigenen Angaben zufogle auch den mobilen Service „SAP Consumer Insight 365“, eine Cloud-Lösung, mit der Unternehmen auf umfassendere Daten zum Kundenverhalten und zu Standorten in den USA und anderen Regionen zugreifen könnten.

NEUE HANA-FEATURES FÜR EFFIZIENTERES DATEN-HANDLING
SAP hat darüber hinaus eine neue Version der HANA-Plattform präsentiert. Vorrangiges Ziel, das der deutsche Softwarekonzern mit den zusätzlichen Features erreichen will: Das Daten-Handling soll einfacher und effizienter werden, außerdem will SAP mit einer speziell angepassten Version mehr Mittelständler für HANA begeistern.

Zu den neuen Funktionen des überarbeiteten HANA-Release zählt die Verarbeitung von Diagrammdaten: Unternehmen sollen damit SAP zufolge Datenverbindungen visualisieren können, die komplexe Beziehungen zwischen Personen, Orten und Dingen aufzeigen. Das helfe besipielsweise, Betrugsfälle schneller zu erkennen und unterstütze Unternehmen, durch die umfassende Analyse von Marktdaten neue Geschäftsmöglichkeiten zu erkunden. Auch das Management von HANA-Infrastrukturen will SAP verbessern. So könnten die IT-Abteilungen durch die Erfassung von Systemlasten und deren Wiedergabe auf einem Zielsystem neue Funktionen testen, verschiedene Upgrade-Optionen evaluieren und vorab untersuchen, wie sich geplante Änderungen auf das Produktivsystem auswirkten. Das verringere Ausfallzeiten und den Kostenaufwand für Testszenarien, versprechen die SAP-Verantwortlichen. Für die neue Version von SAP HANA will der Software-Konzern auch zusätzliche Wartungsoptionen angeboten. IT-Organisationen könnten nun wahlweise ihre SAP-HANA-Umgebung für einen Zeitraum von bis zu drei Jahren warten oder sich Innovationen für die Plattform SAP HANA zweimal jährlich bereitstellen lassen.

HYBRID-MODELLE FÜR MEHR FLEXIBILITÄT
Mit der neuen HANA-Version hat SAP in Orlando auch ein Beta-Programm vorgestellt, in dessen Rahmen ausgewählte strategische Kunden direkten Zugriff auf neue Hybrid-Dienste für das cloudbasierte Datenmanagement erhalten sollen. Als ersten Service für dieses Hybrid-Modell präsentierte SAP HANA „Capture and Replay“ vor. IT-Abteilungen könnten damit SAP zufolge die Cloud als Erweiterung ihrer On-Premise-Umgebungen verwalten. „Mit unserem neuen Beta-Programm können Kunden ihre bisherigen Datensilos in On-Premise- und Cloud-Umgebungen abbauen und durch die Nutzung beider Konzepte ihre Flexibilität verbessern“, stellte Daniel Schneiss, Senior Vice President und globaler Leiter des Bereichs SAP HANA Platform und Datenbanken bei SAP, den Kunden in Aussicht. Mithilfe des Hybrid-Modells ließen sich Auswirkungen von Änderungen an IT-Systemen in der Cloud testen, bevor diese in On-Premise-Umgebungen eingespielt würden.

Eine erweiterte Version von SAP HANA Edge Edition adressiert speziell kleine und mittelständische Unternehmen. Die neue Version unterstützt dem Hersteller zufolge Datenbanken bis 32 GB und insgesamt Kapazitäten von 128 GB für Dynamic Tiering. Dadurch ließen sich auch wachsende Datenbestände verwalten, indem Daten bei Bedarf aus dem Arbeitsspeicher auf kostengünstigere Speichersysteme verlagert werden. In dem HANA-Edge-Edition-Paket enthalten ist außerdem „SAP Predictive Analytics Edge Edition“, das kleine und mittelständische Unternehmen bei der Analyse von Geschäftsdaten und der Prognose zukünftiger Ergebnisse unterstützen soll. SAP spricht im Zusammenhang mit der Mittelstands-Edition von HANA von einem günstigen Einstiegspreis, ohne jedoch konkrete Zahlen zu nennen. Zu haben ist die Special Edition von HANA über indirekte Vertriebspartner von SAP.

SAP SCHLIESST CLOUD-PAKT MIT MICROSOFT
Zum Auftakt von SAPs Kundenkonferenz Sapphire in Orlando, Florida, hatte der größte deutsche Softwarekonzern angekündigt, seine Kooperation mit Microsoft vertiefen zu wollen. Beide Hersteller wollen künftig SAPs In-Memory-Plattform HANA auf Microsofts Cloud-Infrastruktur Azure unterstützen. Das vereinfache die Integrationen von Microsoft Office 365 und den Cloud-Lösungen von SAP, hieß es in einer Mitteilung. Zudem würden das Management und die Sicherheit der SAP Fiori Apps verbessert.

Microsoft wolle sich darauf konzentrieren, Unternehmen bei ihrer digitalen Transformation bestmöglich zu unterstützen, beteuerte Microsofts CEO Satya Nadella auf der Sapphire-Bühne. „Gemeinsam mit SAP schaffen wir ein neues Maß an Integration innerhalb unserer Produkte, die Unternehmen mit verbesserten Werkzeugen für die Zusammenarbeit ausstatten, neue Erkenntnisse aus Daten zu gewinnen und eine hochskalierbare Cloud anzubieten, um zu wachsen und neue Geschäftschancen zu ergreifen“, versprach der Microsoft-Chef den Kunden.

Microsoft-CEO Satya Nadella sprach von einem neuen Maß an Integration. (c) Microsoft

Auch SAP-CEO Bill-McDermott stellte den Anwendern mit der Cloud-Kooperation neue Möglichkeiten in Aussicht und verkaufte die mit Microsoft erzielte Kooperationsvereinbarung als Meilenstein. „Die IT Branche wird durch bahnbrechende Partnerschaften geformt.“ Das gehe weit über die Grenzen traditioneller Plattformen und Anwendungen hinaus und setze eine neue Produktivität für Kunden frei. „SAP und Microsoft arbeiten zusammen, um Softwareanwendern ein Nutzungserlebnis zu ermöglichen, das durch einzigartigen Einblick, hohen Komfort und Agilität bestimmt ist“, sagte SAPs Vorstandssprecher. Die Zertifizierung der Microsoft Azure Infrastrukturdienste für SAP HANA zusammen mit der neuen Integration von Microsoft Office 365 und der Cloud-Lösung von SAP, seien symbolisch für diesen Paradigmen-Wechsel für Unternehmen.

HANA-AZURE AUF JEDER PUBLIC-CLOUD-PLATTFORM
Im Zuge der Kooperation soll es eine zertifizierte SAP HANA-Plattform für Entwicklung, Test und Produktivbetrieb, lauffähig auf Microsoft Azure, geben. Gleiches gelte für die neue Business-Software-Generation „SAP S/4HANA“. Die Azure-HANA-Plattformen könnten mit jedem beliebigen Public-Cloud-Anbieter betrieben werden, und das bei Instanzen von bis zu drei Terabyte Arbeitsspeicher, hieß es. Im 3. Quartal 2016 soll es Kunden möglich sein, den Produktivbetrieb in SAP HANA mit den neuen Azure-Angeboten aufzusetzen. Eine begrenzte Vorschau für diese Produktivumgebung sei ab sofort erhältlich.

Darüber hinaus ist offensichtlich geplant, die Cloud-Lösungen beider Software-Konzerne enger miteinander zu verzahnen. Demnach soll es eine engere Integration zwischen Microsofts Office-365-Lösungen mit den Cloud-Lösungen von SAP einschließlich Concur, SAP Fieldglass, SAP SuccessFactors und SAP Ariba geben. Diese Integration der Cloud-Welten von Microsoft und SAP werde ab Anfang des 3. Quartals 2016 zur Verfügung stehen.

Die Microsoft- und SAP-Verantwortlichen denken außerdem über weitere, gemeinsame Integrationsszenarien nach. Demnach will es SAP seinen Kunden ermöglichen, benutzerdefinierte, mobile und hybride SAP Fiori Apps für HTML5 auf der SAP HANA Cloud-Plattform mit einem offenen Standard-Plug-in-Framework zu erstellen und anzuwenden. Als Teil dieses Frameworks könnten Kunden Apps erstellen, aufsetzen und schützen, die mit „Microsoft Intune“ verwaltet werden. Mit dem Cloud-Build-Prozess als Teil der SAP Fiori Cloud Edition, erhielten App-Entwickler die Möglichkeit, Microsoft Intunes Management-Fähigkeiten in ihre Apps einzubetten. Diese Integration werde voraussichtlich ebenfalls im dritten Quartal 2016 verfügbar sein.

SAP BAUT AN SEINEM PARTNER-ÖKOSYSTEM
SAP sucht derzeit verstärkt Kooperationen mit anderen Branchen-Schwergewichten, gerade um in zukunftsträchtigen Bereichen wie Cloud-Computing und mobilen Lösungen punkten zu können. Erst wenige Tage vor der Sapphire hatten die Softwerker aus dem Badischen eine Zusammenarbeit mit Apple angekündigt, um gemeinsam native Business-Apps für Apples iOS-Plattform zu entwickeln. Anfang April hatten SAP und IBM bekannt gegeben, ihre Kräft bündeln zu wollen.

Beide Anbieter wollen gemeinsam kognitive Geschäftsanwendungen entwickeln, branchenspezifische Lösungen erarbeiten und die Nutzererfahrung verbessern, erläuterte IBM in einer Pressemitteilung. So soll beispielsweise SAPs HANA-Plattform künftig auf Servern mit IBMs Power-CPUs laufen. IBM und SAP wollen darüber hinaus weitere branchenspezifische Cloud-Lösungen entwickeln.

*Martin Bayer ist stellvertretender Chefredakteur der Computerwoche.


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