Steht der klassische Präsenzhandel vor dem Aus? Wenn der Fach- und Einzelhandel die Stärken des stationären Handels gezielt ausbaut und ausspielt, dann muss ihm vor dem Online-Handel nicht Angst und Bange sein. Denn die neuen Medien eröffnen auch den Fach- und Einzelhändlern neue Möglichkeiten, Kunden emotional an sich zu binden. [...]
DAS ERLEBNIS EINKAUF FORCIEREN
Diese Fragen lassen sich nicht pauschal beantworten. Unter anderem, weil es einen Unterschied macht, welches Produkt ein Händler verkauft. So wird zum Beispiel ein Eissalon wohl nie unmittelbar die Konkurrenz des Online-Handels spüren. Denn bis dieser das Eis geliefert hätte, wäre es entweder schon verlaufen oder dem Kunden wäre zwischenzeitlich die Lust auf Eis vergangen.
Eissalons müssen eher befürchten, dass zum Beispiel aufgrund der Online-Konkurrenz die umliegenden Kaufhäuser sowie Textil- und Optikergeschäfte schließen und die Innenstädte veröden, weshalb weniger Passanten bei ihnen vorbei flanieren und spontan entscheiden: Ich setze mich in die Sonne und esse ein Eis.
Ähnlich ist es bei den anderen Geschäften. Fakt ist nämlich: In den Zentren der Großstädte florieren die meisten Läden. Denn viele Menschen genießen es, durch die Stadt zu schlendern, die Auslagen in den Schaufenstern anzuschauen und zum Beispiel zunächst hier und dann da Kleidungsstücke anzuprobieren. Diese „Freizeit-Beschäftigung“ bereitet vielen Frauen und Männern einen höheren sinnlichen Genuss als Online-Kataloge zu wälzen – auch weil sie in den Innenstädten oft ein breiteres Warenangebot vorfinden. Das heißt: Der Standort wird künftig noch stärker als früher über den Erfolg von Fachgeschäften entscheiden. Hier sind neben den Fachhändlern die Stadtentwickler und Gewerbevereine gefragt. Sie müssen dafür sorgen, dass in den Städten Zentren entstehen, die zum Verweilen und Shoppen reizen.
DIE PERSÖNLICHE KUNDENBEZIEHUNG AUSBAUEN
Doch die Lage ist nicht der zentrale Erfolgsfaktor. Eine Top-Lage erleichtert nur das Verkaufen. Denn immer wieder stellt man fest, dass auch Geschäfte in Randlagen, also eher schlechten Lagen, gut frequentiert sind. Analysiert man diese, dann zeigt sich meist: Sie habe sich auf eine sehr scharf definierte Zielgruppe spezialisiert und tun alles, um diese Zielgruppe anzusprechen und für sich zu begeistern – angefangen bei der Gestaltung der Schaufenster und des Sortiments bis hin zur Innenausstattung. Und was noch viel wichtiger ist: Ihre Besitzer (sowie Verkäufer) wissen, was die Vorzüge des stationäre Handels gegenüber dem Online-Handel sind – unter anderem:
- Die Verkäufer begegnen den Kunden persönlich. Also können sie diese auch individuell beraten und eine persönliche Beziehung zu ihnen aufbauen. Und:
- Der Kunde sieht die Ware und kann sie anfassen (und zuweilen sogar „ausprobieren“). Also kann der Verkäufer sie auch leichter emotionalisieren.
Und diese zentralen Stärken des stationären Handels spielen sie nicht nur aus, die Geschäftsinhaber bauen diese gezielt aus – zum Beispiel, indem sie bei der Personalauswahl darauf achten, dass die Verkäufer kommunikative, sympathische und verbindliche Typen sind. Oder indem sie den Verkäufern immer wieder vermitteln, was ihnen im Kundenkontakt warum wichtig ist. Oder indem sie ihre Mitarbeiter bei Bedarf gezielt darin schulen, wie sie Kunden das Gefühl vermitteln „Ich bin willkommen“ und „… werde als Individuum wahrgenommen“. Denn sie wissen: Im Internet-Zeitalter ist die persönliche Beziehung zum Kunden der zentrale Erfolgsfaktor im stationären Handel. Und wer gestaltet diese Beziehung? Der Verkäufer! Also gewinnt seine Persönlichkeit im Internetzeit-Alter immer mehr an Bedeutung. Er muss sozusagen ein Meister im emotionalen Verkaufen sein – also den Kunden ein gutes Gefühl vermitteln und sie zum Träumen bringen können.
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