In seinem ersten Jahr als CEO von Microsoft hat Satya Nadella vieles richtig gemacht. Den einen oder anderen Lapsus verzieh man dem jungenhaft wirkenden Inder schnell. Doch jetzt sind die Weichen gestellt, und der Manager muss beweisen, ob es ihm gelingt, den Konzern sicher durch einen sich rasant wandelnden Markt zu steuern. Gemessen wird er an seinen Vorgängern Steve Ballmer und Bill Gates. [...]
DIE ZUKUNFT SIND WINDOWS 10 UND AZURE
Diese Produktivität braucht Nadella in erster Linie, um zwei Entwicklungsschwerpunkte voranzutreiben. Die wichtigste Produktankündigung seines ersten Jahres als Microsoft-CEO dürfte das neue Windows-Release 10 gewesen sein. Nach dem Flop mit Windows 8 brauchte Microsoft auch hier einen Neuanfang. Nicht umsonst wurde die Versionsnummer 9 ausgelassen, um einen möglichst großen Abstand auch im Produktnamen deutlich werden zu lassen. Nadellas Erwartungen sind hoch: „Das neue Release ist der Beginn einer neuen Windows-Ära“, frohlockte er anlässlich der Präsentation des kommenden Windows.
Windows 10 bedeutet für manche Entwicklungen, die mit Windows 8 noch als revolutionär angepriesen worden waren, einen Rückzieher. So bekommt Windows 10 sein Startmenü wieder zurück, das Kachel-Design gerät in den Hintergrund. Microsoft adressiert mit Windows 10 alle Plattformen vom Smartphone über Tablets und Notebooks bis hin zum klassischen PC. Über sämtliche Geräteklassen hinweg soll Windows 10 ein einheitliches Nutzererlebnis bieten. Auch für die Entwickler soll vieles einfacher werden. Der Hersteller verspricht, dass Windows-Anwendungen nur noch einmal entwickelt werden müssen und sich dann automatisch an die Nutzung auf unterschiedlichen Geräten anpassen.
Darüber hinaus investiert Microsoft große Summen in den Ausbau seiner Cloud-Infrastruktur und -Plattform „Azure“. „Wir liefern die umfassendste Cloud der Branche“, hatte Nadella im Herbst vergangenen Jahres behauptet. Azure werde in Kürze in 19 Regionen weltweit verfügbar sein. Das seien doppelt so viele, wie andere Public-Cloud-Anbieter erreichten. Microsoft gewinnt nach eigenen Angaben Woche für Woche 10.000 neue Kunden für Azure hinzu. In der Microsoft-Cloud seien bereits mehr als 30 Billionen Objekte gespeichert. Physikalisch bestehe die eigene IT-Wolke aus 11,4 Millionen Servern.
An dieser Infrastruktur entwickelt Microsoft offensichtlich kontinuierlich weiter. Im Oktober 2014 kündigte der Konzern die neue G-Serie an, leistungsstarke Intel-Xeon-Server, die die derzeit größte virtuelle Maschine für die Public Cloud ermöglichten. Gemeinsam mit Hardwarepartner Dell präsentierten die Microsoft-Verantwortlichen das Cloud Platform System (CPS), ein Komplettpaket aus Dell-Hardware sowie den Softwarelösungen von Microsoft. Der Anbieter sprach damals von der „Azure Cloud in der Box“. Anwender könnten damit Azure im eigenen Rechenzentrum betreiben.
DIE CLOUD MACHT NEUE FREUNDE
Für Microsoft geht es zudem darum, die eigene Cloud durch Zusatzangebote möglichst attraktiv für die Nutzer zu machen. Dafür hat der Konzern mit dem Azure Store seinen Marktplatz vereinheitlicht. Der Store vernetzt ein ganzes Ökosystem aus Software- und Serviceanbietern mit den Enterprise-Kunden. Auch an dieser Stelle wird die neue Offenheit Microsofts deutlich. Mittlerweile können Anwender auch Datenbanken des ehemaligen Erzfeindes Oracle aus der Azure-Cloud beziehen und nutzen. Rund ein Fünftel der virtuellen Maschinen in Azure laufen nach Nadellas Worten unter einem Linux-Betriebssystem.
Die neue Offenheit dürfte Nadella auch in Zukunft vorantreiben. Die Zeiten, in denen Produkte wie Windows und Office die IT-Welt bestimmten und der Konzern infolgedessen wenig Rücksicht darauf nahm, was andere Hersteller anboten, sind vorbei. Heute präsentiert sich die IT-Welt bei Weitem nicht mehr so homogen. Konsumenten wie Unternehmen setzen einen bunten Mix unterschiedlicher Techniken und Plattformen von allen möglichen Herstellern ein – und sie erwarten, dass diese Techniken reibungslos miteinander funktionieren. Dem kann sich Microsoft nicht widersetzen. Die Redmonder müssen dieses Spiel mitspielen, oder sie stellen sich selbst ins Abseits.
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