In seinem ersten Jahr als CEO von Microsoft hat Satya Nadella vieles richtig gemacht. Den einen oder anderen Lapsus verzieh man dem jungenhaft wirkenden Inder schnell. Doch jetzt sind die Weichen gestellt, und der Manager muss beweisen, ob es ihm gelingt, den Konzern sicher durch einen sich rasant wandelnden Markt zu steuern. Gemessen wird er an seinen Vorgängern Steve Ballmer und Bill Gates. [...]
PREISKAMPF UM CLOUD-DIENSTE
Die Geschäfte dürften für Microsoft damit allerdings nicht einfacher werden. Gerade in der Cloud liefern sich die Anbieter gegenwärtig einen erbitterten Preiskampf – insbesondere wenn es um standardisierte Services wie Rechenressourcen, Storage-Kapazitäten oder Plattformdienste geht. Anbieter wie Amazon Web Services (AWS) senken laufend die Preise und verstärken den Druck auf die Wettbewerber.
Zwar betonte Nadella, die Tage von Anbietern, die ausschließlich über den Preis konkurrierten, seien gezählt. Um aus diesem Teufelskreis auszubrechen, braucht Microsoft aber stichhaltige Gründe, warum die Anwender für einen angeblich höherwertigen Azure-Cloud-Service mehr zahlen sollten. Hier Argumente zu finden, wird nicht ganz einfach. Derzeit hat im weltweiten Markt für Infrastructure as a Service und Platform as a Service (IaaS, PaaS) AWS eindeutig die Nase vorn.
Die Amazon-Tochter wuchs zuletzt um über 50 Prozent und kam laut aktuellen Zahlen der Marktforscher der Synergy Research Group im vierten Quartal 2014 auf einen Marktanteil von etwa 28 Prozent. Microsoft konnte demnach sein Azure-Geschäft sogar um über 80 Prozent steigern, mit einem Marktanteil von etwas mehr als zehn Prozent bleiben die Redmonder aber deutlich hinter dem Konkurrenten AWS.
Damit Nadellas Pläne aufgehen, muss außerdem Windows 10, das im Spätsommer 2015 auf den Markt kommen soll, ein Erfolg werden. Zwar hat sich das Windows-Business im vergangenen Jahr etwas erholt – woran Microsoft mit dem Support-Ende für Windows XP im April letzten Jahres erheblichen Anteil hatte. Doch ob der Trend anhält, ist längst nicht ausgemacht.
Immerhin stellt Microsoft mit Windows 10 selbst die Weichen für einen Erfolg. Adressierten die Redmonder mit dem Vorgänger Windows 8 vor allem Privatkunden und hofften so, auch den Weg in die Unternehmen zu finden, soll es nun anders laufen: Windows 10 richtet sich gleichermaßen an private Konsumenten wie an Unternehmenskunden. Letztere haben allerdings oft gerade erst Windows 7 eingeführt und dürften damit noch eine ganze Weile zufrieden sein. Warum sie ein paar Jahre später unter hohen Kosten auf Windows 10 umsteigen sollten, muss Microsoft erst noch schlüssig erklären. Bis Januar 2020 gibt es wenig Handlungsbedarf, denn so lange läuft der Extended Support, der regelmäßige und kostenlose Sicherheits-Updates garantiert.
Dazu kommt, dass die Gerätewelt vielfältiger geworden ist. Gartner zufolge werden in diesem Jahr weltweit rund 2,47 Milliarden Devices verkauft. Davon sind nur 321 Millionen (13 Prozent) der PC-Klasse zuzurechnen. Den Löwenanteil machen mit 1,9 Milliarden Geräten Smartphones und Handys aus. Bedenkt man, dass Android und iOS diese Gerätewelt dominieren, dann wird deutlich, dass die Bedeutung von Windows weiter schwinden wird. Das Microsoft-System kommt nur noch auf einen Anteil von nicht einmal 15 Prozent im globalen Endgerätemarkt. Googles Android dominiert mit einem Anteil von fast 60 Prozent.
Nadella hat mit seiner Strategie Mobile first, Cloud first, der neuen Offenheit sowie der Ankündigung von Windows 10 die Weichen gestellt. Nun muss sich zeigen, dass die Spur, die er gewählt hat, zum Erfolg führt. Wenn es in den kommenden Monaten darum geht, zu beweisen, dass die neue Strategie trägt, dürfte dem Microsoft-CEO ein schärferer Wind ins Gesicht wehen.
BÖRSIANER HABEN HOHE ERWARTUNGEN
Einen Vorgeschmack bekam Nadella im Januar, als er die jüngsten Zahlen für das zweite Fiskalquartal des laufenden Geschäftsjahres 2014/15 vorstellte. Der Umsatz in dem Ende Dezember abgeschlossenen zweiten Geschäftsquartal legte um knapp acht Prozent auf fast 26,5 Milliarden Dollar zu. Dafür sorgte unter anderem das wachsende Geschäft mit Cloud-Diensten im Internet, das sich im Jahresvergleich verdoppelt hatte und die schwächeren Geschäfte in anderen Sparten etwas kompensieren konnte. Die Erlöse mit den Surface-Tablets wuchsen dank des neuen Modells „Surface Pro 3“, um ein Viertel auf 1,1 Milliarden Dollar. Das Geschäft mit dem Windows-Betriebssystem schrumpfte jedoch im weiterhin schwachen PC-Markt um 13 Prozent.
Das Wachstum in den neuen Bereichen konnte im letzten Quartal den Rückgang im Windows-Geschäft mehr als ausgleichen. Der Umbau und das laufende Sparprogramm schlugen aber auf den Gewinn durch. Er fiel im Jahresvergleich um 10,7 Prozent auf 5,86 Milliarden Dollar. An der Wallstreet kamen die Zahlen nicht gut an: Nachdem Steve Ballmer seinen Rückzug angekündigt hatte, war das Microsoft-Papier um fast 30 Prozent gestiegen. Im vergangenen November erreichte es mit knapp über 50 Dollar sogar den höchsten Stand seit dem Jahr 2000. Doch der Höhenflug wurde jäh gestoppt. Nach den jüngsten Quartalszahlen verlor die Aktie fast 15 Prozent und rutschte auf knapp über 40 Dollar ab. Rund 40 Milliarden Dollar Marktkapitalisierung lösten sich buchstäblich in Luft auf. Nadella weiß nun, was von ihm erwartet wird.
SPIELE, APPS UND R
Um die Microsoft-Geschäfte weiter anzukurbeln, hat CEO Satya Nadella bereits in seinen ersten Monaten kräftig zugekauft. Seine Einkaufsliste zeigt interessante Facetten. Für 2,5 Milliarden Dollar übernahm Microsoft beispielsweise im vergangenen Herbst den schwedischen Spieleentwickler Mojang, bekannt vor allem für sein virtuelles Bauklötzchenspiel „Minecraft“. Angeblich rund 100 Millionen Dollar war Microsoft die Akquisition von Sunrise wert.
Das Unternehmen entwickelt Kalender-Apps unter anderem auch für iOS und Android. Im Dezember 2014 kaufte der Konzern außerdem Acompli, das eine E-Mail-App für iOS und Android entwickelt hat. Nicht bestätigter Kaufpreis: etwa 200 Millionen Dollar. Zudem schluckte Microsoft mit Revolution Analytics einen Spezialisten für die Programmiersprache R, die rund um statistische Analysen zum Zuge kommt.
*Martin Bayer ist stellvertretender Chefredakteur der computerwoche.de
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