Für das Scheitern von IT-Projekten gibt es verschiedene Ursachen: eine schlechte Budget- und Zeitplanung etwa, überzogene Anforderungen oder eine fehlende Orientierung am Nutzer. Oft werden Interims-Projektmanager als "Ersthelfer" eingesetzt, um die Kuh vom Eis zu holen. Lesen Sie, wie die Troubleshooter vorgehen. [...]
Bevor ein Projekt endgültig kollabiert durchläuft es meist folgende Krisenphasen:
- Stakeholder- oder Leitungskrise: Auf der Führungsebene sorgen Konflikte oder die Überforderung Beteiligter dafür, dass grundsätzliche Entscheidungen zur Projektdurchführung oder- vollendung zu spät oder gar nicht fallen. Das Vertrauen in einen Projekterfolg geht verloren.
- Strategiekrise: Dem Projekt fehlen klare Ziele und eine Vision. Das führt zu Fehlsteuerungen sowie Verzögerungen und Inkonsistenzen in Planung und Priorisierung.
- Meilensteinkrise: Die fehlende oder fehlerhafte Strategie schlägt auf das operative Vorgehen durch; Termine werden gerissen, das Budget explodiert, die Qualität leidet, der Kunde wird nicht mehr mitgenommen.
- Ergebniskrise: Leitung, Projektorganisation und Auftraggeber realisieren, dass die Projektziele in einer oder mehreren Dimensionen (Zeit, Budget, Qualität, Nutzerakzeptanz) nicht mehr oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand erreicht werden können. Werden alle Zieldimensionen verfehlt, folgt unweigerlich der Kollaps.
Am Unglücksort angekommen, muss der Ersthelfer erst einmal das Problem im Projekt erkennen und eingrenzen. Anhaltspunkte können harte Symptome sein, etwa Budget- und Zeitüberschreitungen, mangelnde Transparenz über Risiken und Projektfortschritt, Differenzen bezüglich Leistungsgegenstand und Mitwirkungspflichten, lückenhafte Qualität oder eine Inflation von Changes. Es gibt aber auch weiche Symptome, die auf Probleme hinweisen. Dazu gehören etwa eine konfliktbehaftete Projektkultur, mangelnde Zuverlässigkeit oder eine nachlassende Motivation.
Besonders bei problematischen IT-Projekten ist für eine erfolgreiche Fortführung die Unterstützung durch das Management wichtig. Der Troubleshooter braucht von der Leitungsebene die Entscheidung, das Projekt fortzuführen. Dazu sollten zunächst die Erfolgsaussichten und Risiken des Vorhabens bewertet werden. Solch eine Untersuchung muss die Frage beantworten, ob sich die Fortführung des Projekts inhaltlich (strategische Analyse) und finanziell (Return on Investment) noch lohnt.
Wenn ein gefährdetes Projekt fortgesetzt werden soll, ist erforderlich, allen Stakeholdern innerhalb und außerhalb des Vorhabens vor Augen zu halten, dass etwas schiefgelaufen ist. Um den Beteiligten zu verdeutlichen, dass etwas Unerwünschtes geschehen ist und Änderungen nötig sind, sollte auf dialogische Formate zurückgegriffen werden, die – wie bei einem telefonischen Notruf – Rückfragen zulassen. Wichtig ist, sich auf wenige Kernbotschaften, beispielsweise eine Vision, zu konzentrieren und nicht nur das Problem aufzuzeigen, sondern auch einen Ausweg zu skizzieren. Vertrauen und inhaltliches Verständnis werden so begünstigt. Kommunikation ist die Grundlage für erfolgreiches Veränderungsmanagement.
Ist der Überblick geschaffen, taucht der Ersthelfer in die Detailanalyse der Problemursachen ein. Die oben angesprochenen Symptome bilden die Ansatzpunkte dafür. Dafür stehen ihm diverse Tools, die 5-W-Methode oder auch ein Fishbone-Diagramm zur Verfügung. Die Analyse kann vielfältige Ursachen ermitteln, die von persönlicher Überforderung bis zu ungenügender Ressourcenausstattung reichen. Sind die Ursachen erkannt, werden Maßnahmen zu ihrer Bekämpfung definiert, abgestimmt und umgesetzt.
Ist die Lage sondiert und der Notruf abgesetzt, folgt im Erste-Hilfe-Ablauf die Wiederbelebung. In diesem Kontext heißt das, dass der Ersthelfer eine Fortführungsstrategie (Ziele und Maßnahmen) für das Projekt entwickeln muss. Je nachdem, welches Ergebnis der Auftraggeber erwartet und mitträgt, gilt es nun, entweder die eingesetzten Ressourcen zu erhöhen, um das ursprünglich angestrebte Ergebnis doch noch zu erreichen, oder aber das Projektziel zu beschneiden.
Parallel zur Wiederbelebung des Projekts muss der Ersthelfer kommunizieren, um jene Kontinuität aufrechtzuerhalten, die jedes Projekt auch in Krisenzeiten braucht. Das Veränderungsmanagement bietet einen breiten Baukasten an projektbegleitenden Kommunikationsmaßnahmen. Dem Interimsmanager obliegt dabei die Rolle des Change Agent. Folgende Anforderungen an die Kommunikation sollten erfüllt sein:
- Adressatengerechtigkeit (so kommunizieren, dass die Perspektive des Empfängers eingenommen wird);
- Beteiligungsorientierung (den Mitarbeiter für Veränderungen gewinnen);
- Wechselseitigkeit;
- Rechtzeitigkeit;
- Realismus in Hinblick auf Erwartungen sowie
- Systematik.
Nun, da der Patient wieder atmet, ist Stabilisierung oberstes Gebot. Der Interimsmanager beginnt mit seiner eigentlichen Aufgabe, der operativen Verantwortung für den Weiterverlauf des Projekts und der daran hängenden Tätigkeiten. Dazu gehören Neuplanung, Steuerung, Überwachung, Risiko- und Qualitätsmanagement, Projektkommunikation und -dokumentation.
Ist ein stabiler Projektverlauf wiederhergestellt und die (partielle) Erreichung der Ursprungsziele wahrscheinlich, kann die Tätigkeit des Interimsmanagers enden. Er kann das Projekt wieder an die Linie übergeben oder an den Auftraggeber. Dazu müssen die Ergebnisse (Liefergegenstände und Parameter) beziehungsweise die Projektorganisation und ihre Prozesse zuvor so dokumentiert werden, dass ein nachfolgender Projektmanager am besten auch ohne mündliche Übergabe nachvollziehen kann, worum es geht. So kann er das Projekt weiterführen beziehungsweise das Ergebnis (Software, Architektur, Konzept) vervollständigen und in den Wirkbetrieb überführen.
Die beschriebene Struktur aus acht Erste-Hilfe-Schritten zur Rettung eines kriselnden IT-Projekts zu kennen, ist das eine, den geeigneten Interims-Projektmanager dafür zu finden, das andere. Hier braucht es eine pragmatische, lösungsorientierte und auch diplomatische Persönlichkeit, die den entscheidenden Instanzen und Projektakteuren jederzeit Bedarfe, Ergebnisse sowie verschiedene Lösungswege einschließlich der Risiken vermitteln kann.
Projekte scheitern in Phasen. Man sollte auf der Hut sein, sobald sich Dissonanzen im Projekt wahrnehmen lassen, und dann das oben beschriebene 4-Phasen-Modell als Quick Check nutzen. Zunächst ist zu hinterfragen, ob die Symptome so gravierend sind, dass sie zu einer projektgefährdenden Schieflage führen – nicht jede Terminverschiebung mündet bereits im Kollaps der Terminkette. Ist eine Schieflage aber erkannt und verifiziert, ist ein zielgerichtetes, methodisches Vorgehen unerlässlich, um im Projekt die Wende herbeizuführen: Mit den beschriebenen acht Schritten für die Erste Hilfe kann dies gelingen.
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