Soft Skills: Code schreiben und Networking passen nicht zusammen

Teamfähig, kommunikationsfähig, motiviert: Typisch weibliche Soft Skills? Wir haben zwei Managerinnen gefragt, welche Soft Skills in der IT gefragt sind und ob Frauen anders führen als Männer. [...]

Frauen sind generell kommunikationsfähig, teamfähig und kontaktfreudig, Männer analytisch, zielstrebig und ehrgeizig. Ein Geschlechterklischee? Forscherinnen der Technischen Universität München haben herausgefunden, dass es von den Formulierungen der Stellenanzeige abhängt, ob sich auch Frauen darauf bewerben. Bestimmte Eigenschaften assoziieren wir eher mit Männern – „offensiv“, „zielstrebig“, „analytisch“ -, andere eher mit Frauen, wie etwa „verantwortungsvoll“, „engagiert“ oder „kontaktfreudig“.
FIRMEN WOLLEN WEIBLICHE SOFT SKILLS
Will ein Entscheider gezielt mehr Frauen anwerben, sollte er diesen Aspekt bei der Ausschreibung berücksichtigen. Laut Stellenindex des Personaldienstleisters Adecco wünschen sich etliche Arbeitgeber, dass küntige Mitarbeitern auch weiblich konnotierte Eigenschaften wie Teamfähigkeit, Motivation oder Kommunikationsstärke mitbringen. Ebenfalls weit oben rangierten die Eigenschaften „zuverlässig“ und „strukturiert“. Aber in IT-Stellenanzeigen, wie auch in Annoncen für Management, Einkauf und Consulting, dominieren Begriffe, die eher männlich verstanden werden, so Adecco. Braucht man in der IT „weibliche“ Soft Skills nicht?
In den Augen von Christiane Vorspel, Commercial Banking CIO bei der Commerzbank, sind Soft Skills ganz wichtig, werden aber „zu oft vernachlässigt.“ Müssen es „weibliche“ Soft Skills sein? Vorspel ist da vorsichtig: „Man muss aufpassen, dass man nicht in Stereotypen hineingerät. Schließlich hat jeder noch einen kulturellen und persönlichen Hintergrund.“ Das wirke sich natürlich auf die Soft Skills aus. „Außerdem sind einige unserer besten Analysten weiblich“, sagt Vorspel lachend – und widerlegt damit gleich, dass „analytisch“ mit „männlich“ gleichzusetzen ist.
In einer Beziehung hinken Frauen aber Soft-Skill-technisch hinterher, meint IT-Managerin Vorspel: „Frauen wollen nach Aufgaben gefragt werden und denken oft, dass der Chef doch sehen müsse, dass man sich Mühe gebe. Es ist auch ein Soft Skill, dass man sagt, wenn man mehr Verantwortung möchte.“ Frauen hätten da häufig eine andere Erwartungshaltung.
Dagegen ist sich Isabelle Droll, CIO der Tuifly, sicher: „Ich glaube schon, dass wir Frauen andere Soft Skills als Männer haben. Wir können besser netzwerken. Allerdings haben wir darin weniger Übung. Verbindungen wie den Rotary-Club haben wir nicht. Ich glaube auch, dass wir anders und mehr kommunizieren.“
ITLER KOMMUNIZIEREN OFT NUR VIRTUELL
Gerade Soft Skills wie Kommunikation und Networking sind in der IT wichtig: Dass sie dort fehlen, wird häufig bemängelt. „Ich glaube, in der IT ist es besonders ausgeprägt, dass zu wenig kommuniziert wird“, sagt Droll. Sie hat einen MBA, kommt nicht direkt aus der IT. „Ich versuche, zu moderieren und möchte die Leute dazu bringen, miteinander zu sprechen.“ In der IT werde vor allem zu viel virtuell kommuniziert, meint die IT-Leiterin, und erzählt: „In einem konkreten Fall habe ich einige Mitarbeiter dazu gebracht, mindestens einmal in der Woche mit unserem externen Provider zu telefonieren. Die Zusammenarbeit funktioniert seitdem besser.“
Im IT-Bereich sind Isabelle Droll vor allem die Moderationsfähigkeiten wichtig: „Ich achte sehr darauf, ob eine Person zuhören kann und in der Lage ist, eine Gruppe zu animieren. In der Einstellungsphase lässt sie Bewerber Cases machen. „Da sieht man sehr deutlich, ob jemand kollaboriert oder sich in seiner Lösung einsperrt“, meint Droll. Das sieht auch Vorspel so: „Die IT besteht nicht nur aus rein analytischen Prozessen. Es ist auch sehr viel Verhandlungsgeschick gefragt. Es kommt darauf an, wie man Fragen stellt und wie man zuhört.“ Diese Skills würden gerade in der IT häufig übersehen.
Zwar will Droll von IT-Nerd-Klischees nichts wissen. Aber: „Man muss auch sehen, dass Programmieren Konzentration und Ruhe erfordert und nicht unbedingt Kommunikationsfähigkeiten“, sagt Droll. „Kaum jemand kann gleich gut netzwerken und Code schreiben.“ Ihre Rolle als Führungskraft in der IT sieht sie daher auch eher darin, zu moderieren. „Ich habe 50 Mitarbeiter mit sehr viel IT-Erfahrung – ich habe meine Kompetenzen in den Soft Skills und im Controlling.“
HÄRTE IM TOPMANAGEMENT
Wenn sich Frauen und Männer tatsächlich in den Soft Skills unterscheiden – wirkt sich das auch auf die Management-Qualitäten aus? Die Tuifly-CIO ist sich sicher, dass Frauen anders führen. „Frauen sind weniger Konfliktorientiert und mehr auf Kompromisse ausgerichtet“, sagt Droll. Trotzdem seien es in der Realität im Topmanagement eher so, dass sich beide Geschlechter sehr ähnlich seien. „Viele Frauen und Männer in Führungspositionen sind genauso hart und durchsetzungfähig.“ Auf der Abteilungsleiterebene oder im mittleren Management sehe man die Unterschiede zwischen Männern und Frauen deutlicher, sagt die TUIfly CIO.
Trotz allem scheint es einen Unterschied zwischen männlichen und weiblichen CIOs zu geben: Die Marktforscher von Gartner haben in einer Studie herausgefunden, dass Frauen ein viel höheres Budget erwarteten als ihre männlichen Kollegen. Weibliche CIOs rechneten mit einem Anstieg des IT-Budgets um 2,5 Prozent, ihre Kollegen nur um 0,2 Prozent. „Spontan würde ich sagen: Frauen sind besser im Geld ausgeben als Männer“, witzelt Droll. „Aber im Ernst: Ich denke, dass Frauen, die es bis zur Position einer CIO geschafft haben, eine sehr gutes Standing im Unternehmen hat und vielleicht mehr Überzeugungskraft hat“, sagt sie.
ANTEIL WEIBLICHER CIOS STAGNIERT
Ob sie dieses Verhalten an ihren Kolleginnen beobachten könne? „Ich habe nicht so viele Kolleginnen“, sagt Droll. Die Statistik gibt ihr Recht: Der Anteil der weiblichen CIOs ist seit 2004 nicht gestiegen und stagniert bei etwa 13 Prozent, wie Gartner festgestellt hat. Dass so wenige Frauen in Führungspositionen zu finden seien, ist für Droll durchaus problematisch. Es sei schwer sich als Frau zu behaupten, wenn es kaum andere Frauen gibt.
„Das hat einerseits damit zu tun, dass es nicht ausreichend IT-Nachwuchs gibt“, sagt Commerzbank Commercial Banking CIO Vorspel. Zwar stiegen die Absolventinnenzahlen, aber nicht genug: „Wenn so wenige Informatikerinnen anfangen, dünnt sich das aus“, bedauert Vorspel. Ein weiterer Faktor, der für weniger Frauen an der IT-Spitze sorge, sei zudem die Kinderfrage. „Frauen, die Kinder wollen, sollten sich nicht selbst unter Druck setzen, sich zwischen Kindern und Karriere entscheiden zu müssen“, sagt Vorspel. „Ich ermutige Kolleginnen vielmehr, im Job zu bleiben – das ist ja oft auch in Teilzeit gut möglich.“
Ein weiterer wichtiger Punkt für die Commerzbank-CIO: „Man muss auch Lust darauf haben, Mitarbeiter zu führen“, sagt Vorspel. Auch Droll bezweifelt, dass der geringe Frauenanteil in CIO-Etagen eine IT-Verschrobenheit sei. „Ich glaube, es geht mehr ums Wollen“, sagt Droll. „Ich habe nicht den Eindruck, dass jemand ein Problem hat, wenn der neue Chef eine Frau ist“, fügt Vorspel hinzu. Gerade deshalb sähe sie gern mehr Frauen in Führungsrollen in der IT. Man könne Beruf und Familie verbinden, betont Vorspel. „Wir brauchen jede Frau in der IT.“ Nicht nur wegen der Soft Skills.
* Bettina Dobe ist Redakteurin der deutschen CIO.


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