Die Boston Consulting Group nennt ein dreiteiliges Konzept und sechs Hebel, wie Unternehmen ihre IT vereinfachen können. [...]
„In einer perfekten Welt gehen IT-Vereinfachung und digitale Transformation Hand in Hand“, schreiben die BCG-Analysten um den in München ansässigen Senior Partner Michael Grebe auf der hauseigenen Plattform BCG Perspectives. Dazu muss man wissen, dass die Berater den Ansatz der IT-Vereinfachung im Allgemeinen propagieren – und im Speziellen nun eben auch als Instrument zur Bewältigung der digitalen Herausforderung. „Die Vereinfachung der IT ist eine wesentliche Aufgabe für jede IT-Abteilung, die wettbewerbsfähig bleiben will“, formulieren die Autoren. „Sie ist aber auch eine entscheidende Grundlage für die digitale Transformation.“
Die methodische IT-Simplifizierung erhöht nach den Erfahrungen der Berater Agilität, Flexibilität und Effizienz – drei Schlüsselfaktoren für eine erfolgreiche digitale Häutung. Überdies seien Projekte mit diesem Fokus mit hohen Einsparungen verbunden. BCG unterscheidet zwei Arten von Vereinfachungsprojekten: Zum einen ganzheitliche Programme mit dem Potenzial, die gesamte IT-Kostenbasis um bis zu 30 Prozent zu kürzen – die Anwender müssen sich hierbei aber auf eine mehrjährige Transformationsphase einstellen – und zum anderen Projekte mit dem Augenmerk auf einem speziellen Problem oder nur wenigen davon.
Die beiden Ansätze lassen sich innerhalb der BCG-Methode auch noch auf andere Weise differenzieren. Die Berater definieren grundsätzlich sechs Hebel zur IT-Vereinfachung. Große Projekte bedienen davon mindestens drei Stück, kleiner gestrickte Initiativen lediglich einen oder zwei. Diese sechs Hebel sind:
- 1. Intelligentes Demand Management: Hilft laut BCG insbesondere dabei, dass die Fachabteilungen ein klares Verständnis für die benötigten IT-Ressourcen entwickeln. Das führe zu informierten Entscheidungen in diesem Bereich und hebe Effektivität und Effizienz der Nutzung.
- 2. Anwendungs- und Datenvereinfachung: Damit gemeint sind die Konsolidierung oder Abwicklung von Anwendungen, die klare Definition von Schnittstellen beziehungsweise ihr Ersatz durch weniger komplexe Alternativen und die Vereinfachung der Datenlandschaft.
- 3. Reduzierung der Infrastruktur-Technologie-Struktur: Firmen streben eine Minimierung der einzelnen Konfigurationen von Hardware und Software an, Middleware und Datenbanken inklusive. Außerdem wollen sie den Automatisierungsgrad erhöhen, zum Beispiel durch Standardisierung.
- 4. Vereinfachte IT-Organisation, passende Skills: Darunter ist zu verstehen, dass die IT-Belegschaft auf eine angemessene Größe gebracht wird. Dabei ist auf das Vorhandensein der passenden Expertise und von digitalen Skills wie Mobile Development und User-Experience Design zu achten.
- 5. Wirksame Governance, vereinfachte Prozesse: Gute Governance-Modelle positionierten die IT als strategischen Partner der Business-Einheiten und glätteten gleichzeitig die IT-Prozesse, so BCG. Ferner können die Anwendungsentwicklung durch agile Methoden wie etwa Scrum beschleunigt werden.
- 6. Shared-Services und optimiertes Sourcing: Hier geht es im Kern darum, das Sourcing-Modell auf die Strategie und Anforderungen des Unternehmens optimal zuzuschneiden.
4 Ursachen für Komplexität
Neben diesen sechs Hebeln zur Vereinfachung definiert BCG vier verbreitete Ursachen einer hohen IT-Komplexität:
- 1. Schnelles Wachstum: Die rasche Expansion eines Unternehmens geht oft mit hastig gezimmerten, kurzfristig konzipierten und siloartigen IT-Lösungen einher, die sich nicht leicht skalieren lassen. Eine hohe Zahl an Punkt-zu-Punkt-Verbindungen und Satellitenanwendungen entsteht häufig dann, wenn digitale Services auf die Schnelle dezentral entwickelt und nicht mit der bestehenden Architektur verzahnt werden.
- 2. Unvollständige Integration nach Zusammenschlüssen: Bleibt nach Fusionen und Zukäufen die Integration der IT-Funktionen unvollständig, entstehen Redundanzen. Sie erschweren laut BCG die Implementierung digitaler End-to-End-Services. Verschärft wird dieses Problem noch durch das Fehlen automatischer Schnittstellen zwischen den Systemen.
- 3. Schwache Zusammenarbeit zwischen IT und Business: BCG kritisiert scharf althergebrachte Modelle, in denen die IT nicht als Partner der Business-Seite gesehen, sondern auf die reine Unterstützungsrolle reduziert wird. Die IT-Abteilung werde in Firmen mit einer solchen Herangehensweise erst spät in Projekte eingebunden. Die Business-Seite wähne sich als unumschränkte Entscheidungsinstanz, Richtlinien für Architektur und Prozesse würden bei Seite gewischt oder gänzlich ignoriert. „Als Ergebnis erschüttern neue Anforderungen bestehende Applikationslandschaften und Prozesse, was zu einer großen Anzahl verschiedener Technologien für ähnlichen Funktionalitäten führt“, so die Berater. In so aufgestellten Unternehmen herrsche zumeist Mangel an zeitgemäßen IT-Skills und der Anwendung neuer Arbeitsmethoden wie Agile.
- 4. Kostendruck: Zu niedrige Investitionen führen zum Griff zur kostengünstigsten Lösung, ohne über einen daraus resultierenden Komplexitätsanstieg und die Projektfolgekosten gründlich nachzudenken. Gleichzeitig kann die digitale Transformation die IT-Ausgaben kurzfristig noch weiter in die Höhe treiben.
3 Muster der Komplexität
Die vier Komplexitätsgründe und die sechs Vereinfachungshebel bestimmen im BCG-Konzept drei gängige Komplexitätsmuster, mit denen auf jeweils unterschiedliche Weise umgegangen werden sollte:
- 1. Komplexität der Datenlandschaft
- 2. Schlechte Business-IT-Governance und IT-Prozess-Komplexität
- 3. Komplexität der Anwendungs- und IT-Infrastrukturlandschaft
Rund die Hälfte aller Unternehmen hat nach Einschätzung der Berater gerade in diesem Bereich massive Probleme. Nur jede zehnte Firma habe eine „single source of truth“ eingerichtet, also Speicherräume und Datenbanken für unternehmensweite Datenobjekte vereinheitlicht. Das Fehlen von Standards und die Existenz verschiedener Datenbanken können laut BCG zu ernsten Problemen führen. Inkonsistente Daten behinderten etwa die Fähigkeit von Analyseprogrammen, Kundenverhalten zu analysieren und digitale Services zu liefern.
Die Ursachen von Defiziten in diesem Bereich klingen wie Klassiker. Es fehlt an Zusammenarbeit zwischen IT und Business, die IT ist auf eine dienende Rolle reduziert, Methoden wie Agile bleiben außen vor, dennoch wird angesichts neuer Herausforderungen schnell kurzfristiger Handlungsdruck auf die IT ausgeübt. Kurzum: Es läuft vieles zu langsam und bürokratisch, um in der digitalen Welt bestehen zu können.
Fast zwei Drittel der Unternehmen haben laut Studie in diesem Bereich Schwächen, die die schnelle und effiziente Umsetzung von digitalen Innovationen erschweren. Abhilfe auf der IT-Infrastruktur-Seite können folgende Funktionen schaffen: der Einsatz von Continous Delivery, die Verfügbarkeit von Echtzeit-fähigen Komponenten und die Nutzung von adäquaten Cashing- und Buffering-Systemen, um Wartezeiten und das Volumen prozessierte Daten zu reduzieren.
Be the first to comment