Die Balanced Scorecard (BSC) verursacht nur einen Zahlenfriedhof. Diese Kritik hört man zuweilen. Trotzdem nutzen viele Unternehmen die BSC zur Strategieumsetzung – weil das Management mit der BSC den Umsetzungsprozess gut steuern kann, sofern sie richtig eingesetzt wird. [...]
Die Balanced Scorecard (BSC) wurde vor circa 20 Jahren von Robert S. Kaplan und David P. Norton als Instrument entwickelt, um neben dem kurzfristigen auch den langfristigen Erfolg von Unternehmen zu steuern, indem neben den finanziellen Zielen auch die drei nicht-monetären Perspektiven „Kunden/Markt“, „Prozesse“ und „Mitarbeiter/Infrastruktur“ mittels Kennzahlen erfasst werden. Viele Top-Manager waren von der BSC begeistert und führten sie in ihren Unternehmen ein. Doch leider verstanden sie die BSC oft primär als Reporting- und Controlling-Instrument. Damit wurde der eigentliche Zweck der BSC als Führungs- und Steuerungsinstrument verfehlt.
Die Folge: Heute ist das erfolgreiche Umsetzen von Strategien immer noch eine Schwachstelle vieler Unternehmen. Eine Ursache hierfür ist das erwähnte Missverständnis der BSC. Eine weitere: Die Strategieumsetzung wird oft nicht als Managementprozess gesehen. Dies ist jedoch eine Voraussetzung für eine erfolgreiche Strategieumsetzung – nicht nur mit der BSC.
SIEBEN PHASEN
Der Managementprozess „Strategieumsetzung“ besteht aus sieben Hauptphasen:
Phase 1: Strategieentwicklung
Voraussetzung für eine erfolgreiche Strategieumsetzung ist eine von der Unternehmensführung definierte, verständliche Strategie, die zum Beispiel folgende Fragen beantwortet:
– Was müssen wir heute in die Wege leiten, um morgen erfolgreich zu sein?
– Was heißt das für unser Leistungsangebot?
– Welche Kompetenzen müssen wir hierfür aufbauen?
Oft besteht hierüber schon keine Einigkeit. Dies kann unterschiedliche Ursachen haben – zum Beispiel, dass unklar ist, was das Unternehmen unter einer Strategie versteht. Dann sollte der „Begriffs-Wirrwarr“, der bezüglich solcher Begriffe wie Strategie und Maßnahme oft existiert, aufgelöst werden.
Phase 2: Strategische Planung
Das Formulieren einer Strategie ist der erste Schritt. Diese muss anschließend durch klare Ziele konkretisiert werden. Zudem müssen Plan-Vorgaben für die nächsten Jahre gemacht werden – und zwar für die monetären und die nicht-monetären Ziele. Hierbei hat sich ein dreistufiges Vorgehen bewährt.
Schritt 1: Erarbeiten der Strategielandkarte
Eine Strategielandkarte enthält die wichtigsten strategischen Ziele in den vier Perspektiven (Finanzen, Kunden/Markt, Prozesse, Mitarbeiter), stellt die Wechselbeziehungen zwischen den strategischen Zielen dar und identifiziert die Treiber zum Erreichen der obersten Unternehmensziele. Erarbeitet wird die Strategielandkarte vom oberen Führungsteam in Workshops. Diese Workshops sind meist sehr aufschlussreich. Zum einen weil beim Darstellen der Ursache-Wirkungsbeziehungen meist Schnittstellenprobleme sichtbar werden; zum anderen weil sich das Management beim Erstellen der Strategielandschaft auf die wesentlichen Ziele verständigen muss.
Schritt 2: Festlegen von Kennzahlen und Etappenzielen
Die in der Strategielandkarte definierten Ziele müssen nach den SMART-Kriterien (spezifisch, messbar, akzeptiert, realistisch, terminierbar) spezifiziert werden. Das heißt, nun gilt es festzulegen, mit welcher Kennzahl jedes Ziel gemessen wird und bis wann es erreicht werden soll. Ausgehend von der Mittel- und Langfristplanung auf Basis der finanziellen Ziele werden dann für alle Kennzahlen konkrete Etappenziele für die nächsten Jahre fixiert.
Schritt 3: Zuordnen von Maßnahmen und Budgets
Die meisten BSC-Einführungen werden mit dem Festlegen der Kennzahlen beendet. Das heißt, an ihrem Ende steht ein Kennzahlen-Cockpit. Doch Planwerte können nur erreicht werden, wenn sie mit Maßnahmen verbunden sind.
Beim „Translating strategy into action“ sollte das Management sich auf die „Projekte“ konzentrieren, deren Durchführung eine signifikante Wirkung auf die Verbesserung der Planwerte haben. Ein einfacher Abgleich – zum Beispiel mittels einer Matrix – zwischen den bereits laufenden Projekten und den strategischen Zielen bringt meist Licht ins Dunkel. Er macht relativ schnell deutlich, welche Projekte eine strategische Wirkung und welche einen eher operativen Fokus haben.
Phase 3: Ziel-Kaskadierung
Um unternehmensweit ein gemeinsames Verständnis für die Strategie und Akzeptanz für die definierten strategischen Ziele zu schaffen, ist es essentiell, die nächsten Ebenen in den Prozess zu integrieren. Dies geschieht bei der Ziel-Kaskadierung. Dabei werden die übergeordneten strategischen Ziele auf die Bereiche und Abteilungen her-unter gebrochen und mit Zielvorgaben versehen.
Phase 4: Operative Planung
In vielen Unternehmen besteht ein Bruch zwischen der operativen Planung und der strategischen Mehrjahresplanung. Operative und strategische Planung müssen jedoch konsistent sein. Das heißt, die operative Jahresplanung muss auch darstellen, was die strategischen Etappenziele für das jeweilige Jahr sind. An dieser Stelle findet auch der klassische Budgetierungsprozess (für das jeweilige Jahr) im Detail statt.
Im monatlichen Scorecard-Reporting werden dann die aktuellen Ist-Werte den Planwerten gegenüber gestellt und auf Abweichungen überprüft – und zwar nicht nur für die finanziellen Ziele, sondern für alle vier Perspektiven in der Scorecard.
Phase 5: Umsetzung
Damit die Strategieumsetzung nachhaltig in der Organisation verankert ist, muss eine Integration der Vorgaben in das Tagesgeschäft erfolgen. Das Tagesgeschäft ist meist von operativen Aufgaben geprägt, in die auch die Führungskräfte eingebunden sind. Deshalb haben sie oft keine Zeit, sich um strategische Themen zu kümmern und die Arbeit ihrer Mitarbeiter und Teams hieran ausrichten.
Unangebracht ist es angesichts der heutigen Arbeitssituation in den meisten Unternehmen, diesen Zeitmangel ausschließlich als Ausdruck von Führungsschwäche und mangelnder Prioritätensetzung zu interpretieren. Entsprechend wichtig ist es, eine mögliche Lösung für dieses Dilemma aufzuzeigen – zum Beispiel indem der A3-Report als Strategie-Umsetzungsinstrument genutzt wird, der speziell für das Lösen solcher Probleme entwickelt wurde und sich unter anderem bei Toyota bewährt hat.
Phase 6: Regelmäßige Reviews
Reviews der Scorecards und des Umsetzungsstands der Maßnahmen kamen bisher in den meisten Unternehmen zu kurz. Grundsätzlich gilt es, zwischen operativen und strategischen Reviews zu unterschieden. Sinn und Zweck der operativen Reviews ist es, im Team den aktuellen Stand der Kennzahlen in der BSC und der Maßnahmenumsetzung zu besprechen und bei Abweichungen gegenzusteuern.
Wie häufig Reviews erfolgen, muss jedes Unternehmen für sich entscheiden. Im Allgemeinen sieht die BSC einen monatlichen Reporting-Zyklus vor. In diesen monatlichen Reviews sollte zum Beispiel eine Bereichs-BSC im Team mit den Abteilungsleitern besprochen werden sowie eine Unternehmens-BSC mit dem Top-Management und der nächsten Ebene.
Einmal pro Quartal sollte außerdem ein strategisches Review durchgeführt werden. Das Management trifft sich, um die Fortschritte der Strategie zu besprechen. Im Mittelpunkt dieser Reviews steht das Überprüfen der Umsetzungsstrategie. Die Diskussion konzentriert sich darauf, ob die Umsetzung wie geplant voranschreitet. Risiken und Probleme werden identifiziert und ihre Ursachen ermittelt, Korrekturmaßnahmen werden beschlossen und Verantwortliche für die angestrebten Ergebnisse benannt.
Phase 7: Strategieanpassung
Beim Erarbeiten der Strategielandkarte hat das Führungsteam die aktuell gültige Strategie durch strategische Ziele in den vier Perspektiven konkretisiert und ihre Wirkungsbeziehungen analysiert. Eine Strategieanpassung dient dem Führungsgremium dazu, die Wirksamkeit und (Noch-)Gültigkeit der Strategie zu überprüfen und diese gegebenenfalls zum Beispiel den veränderten Rahmenbedingungen anzupassen. Jedes Unternehmen sollte jährlich – zum Beispiel im Rahmen der strategischen Planung – die (Noch-)Gültigkeit seiner Strategie(-landkarte) überprüfen.
Wichtig ist es, beim Überprüfen der Strategie auf bestimmte Daten zurückgreifen zu können – zum Beispiel detaillierte Informationen über die aktuelle Unternehmensleistung (Bilanz, GuV, Cash-Flow) sowie die Ursache-Wirkungsbeziehungen von Treibern und Ergebnisfaktoren (zum Beispiel mittels Korrelationsanalysen). Aber auch externe Informationen beispielsweise über Branchentrends, Marktveränderungen sowie technische Veränderungen sind zu berücksichtigen.
FAZIT
Wie erfolgreich der Prozess der Strategieumsetzung verläuft, hängt primär davon ab, inwieweit es Unternehmen gelingt, die Strategie(-umsetzung) mit dem Tagesgeschäft zu verzahnen. Noch gelingt vielen Unternehmen dieses Ankoppeln der Unternehmenstätigkeit an die Strategie nur partiell, obwohl es inzwischen neben der BSC zahlreiche Tools gibt, um diesen Prozess zu steuern. Eine Ursache hierfür ist: Ihr Einsatz erfolgt vielfach nur ad hoc und fragmentell, weil ein systematischer Ansatz zum Verbinden von Strategie und operativen Maßnahmen fehlt. Dieser wäre aber nötig. Denn ein definierter Managementprozess zur Strategieumsetzung hilft Unternehmen, ihre Ressourcen auf die wesentlichen Dinge zu konzentrieren, reibungslose Abläufe zu gewährleisten und die Motivation der Mitarbeiter zu erhöhen.
* Daniela Kudernatsch ist Inhaberin der Unternehmensberatung Kudernatsch Consulting & Solutions in Straßlach bei München, die Unternehmen beim Umsetzen ihrer Strategie im Betriebsalltag unterstützt.
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