Tablets: Apps lösen Office ab

Statt umfassender Lösungen etablieren sich durch die Arbeit mit Smartphones und iPads viele kleine Apps in Firmen, so Forrester. Für CIOs eine Herausforderung. [...]

CIOs müssen sich schon bald mit kleinteiligen, zerstückelten Anwendungslandschaften anfreunden. Schuld daran ist der immer weiter sich verbreitende Einsatz von Smartphones und vor allem Tablet-PCs in Unternehmen. Statt umfassender Produktiv-Systeme wie Microsofts Office-Suite nutzen Anwender auf den mobilen Geräten eine Vielzahl von Apps für jeweils ganz bestimmte Zwecke.
 
Ableiten lässt sich die These aus der Studie „The Rise Of Post-PC Productivity“, die Forrester-Analystin Sarah Rotman Epps zusammen mit zwei Kollegen verfasst hat. Adressaten des Papiers sind eigentlich die Produktstrategen bei Software- und Hardware-Herstellern. Vor allem Software-Riesen wie Microsoft prophezeit das Autoren-Team harte Zeiten für sein etabliertes Geschäftsmodell.

KONKURRENZ FÜR MS OFFICE IM POST-PC-ZEITALTER

20 Milliarden US-Dollar Umsatz machten die Redmonder bisher im Jahr allein mit ihren Office-Produkten. Doch die stünden im von Rotman Epps sogenannten Post-PC-Zeitalter immer stärker im Wettbewerb mit Konkurrenz-Produkten. Weil in Zeiten von iPhone und iPad Software über App-Stores gekauft werde, gehe auch der Einfluss klassischer Anwendungssuiten im Vertriebskanal zurück.
 
Ableiten lässt sich aus der Darstellung der Forrester-Analysten auch, was das für IT-Chefs heißt. Ihre Anwender sind durch den Gebrauch von Smartphones und Tablets mittlerweile gewöhnt, dass Anwendungen viel leichter bedienbar sind als früher. Das stellt etwa Charles Seybold fest, Chef von Liquid-Planner, einem Anbieter von Projektmanagement-Software. „Die meisten Anwender haben Besseres zu tun, als sich mit der Bedienung von Software vertraut zu machen“, sagt Seybold, den die Forrester-Analysten für die Studie neben Vertretern neun weiterer Hersteller wie Adobe und Cisco interviewt haben.

Dass diese Entwicklung in der Breite verändern wird, wie Berufstätige Anwendungen nutzen, zeigt sich an Daten aus einer Umfrage unter fast 5000 angestellten Wissensarbeitern von mittelständischen und großen Unternehmen, die Forrester im zweiten Quartal dieses Jahres durchgeführt hat. Tablets nutzen demnach mittlerweile 13 Prozent der Beschäftigten in Nordamerika und Europa zur Arbeit, Smartphones 35 Prozent.
 
FORRESTER: MICROSOFT UND ORACLE LAUFEN NEUER ARBEITSWEISE HINTERHER 
Der Arbeitsweise dieser Angestellten laufen Software-Giganten wie Microsoft und Oracle nach Darstellung von Forrester bisher hinterher – und lassen so Raum für neue Wettbewerber und ihre von Geburt an auf mobile Geräte ausgerichteten Anwendungen. Microsoft etwa hat Ende vorigen Jahres damit angefangen, Office-Anwendungen nach und nach aufs iPad zu portieren. Wem derzeit noch eine Anwendung fehlt, der hilft sich eben mit Lösungen wie der auf Office-Dateien zugeschnittenen App Quickoffice, deren Hersteller unlängst von Google gekauft wurde.
 
Die Forrester-Analysten nennen weitere Beispiele: Oracles CRM-Lösung Siebel bietet eine Schnittstelle, über die die Software per App aufs iPad gebracht werden kann. Gleichzeitig zählen Epps und ihre Ko-Autoren allerdings konkurrierende mobil-optimierte Anwendungen wie Salesforce.com auf sowie auf der Plattform Force.com basierende Branchenlösungen, wie beispielsweise Veeva iRep für Pharma-Vertreter.
 
Bedienung über Touch-Gesten wie bei der App von Adobe Proto, oder der direkte Zugriff von Anwendungen wie Docscanner auf die Kamera von iPhone oder iPad zum Einlesen von Schriftstücken, Visitenkarten oder Tafelanschrieben – jedes der von Sarah Rotman Epps angeführten Beispiele macht deutlich, warum Anwender in vielen Fällen Spezial-Apps für bestimmte Aufgaben bevorzugen.

APPS WERDEN AN IT VORBEI BESORGT

Unübersichtlich macht die Anwendungslandschaft vor diesem Hintergrund für den CIO noch ein weiterer Umstand: Laut der Wissensarbeiter-Umfrage von Forrester beschafft nur für die Hälfte der Angestellten, die im Büro Smartphones oder Tablets nutzen, der Arbeitgeber Apps. Das heißt: Die andere Hälfte lädt sich selbst die Mini-Programme herunter, die sie für brauchbar befindet – unter dem Radar der IT-Abteilung.

Für die Herstellerseite hält das Autorenteam Ratschläge bereit, wie sich Software-Häuser auf die neue Situation einstellen können. Es gehe nicht darum, einfach ein PC-Programm samt des vollen Funktionsumfangs in eine App zu packen. Stattdessen gelte es, einige Kernfunktionen Tablet- oder Smartphone-tauglich umzusetzen und an die leichte Bedienbarkeit der Geräte anzupassen – oder sogar neue Einsatzbereiche für die App-Version zu ersinnen.
 
FIRMEN-APP-STORE FÜR ANWENDUNGEN ZUM ARBEITEN

CIOs hingegen lassen die Analysten in ihrer Untersuchung allein. Die wohl unvermeidlich auf IT-Chefs zurollende Veränderung beim Gebrauch von Software aufzuzeigen, ist ihnen immerhin gelungen. Nun ist es an den IT-Verantwortlichen, zu entscheiden, ob sie etwa über einen Firmen-App-Store gezielt Anwendungen zum Arbeiten anbieten oder in dem Bereich ein gewisses Maß an Schatten-IT zulassen.
* Nicolas Zeitler ist Redakteur der deutschen CIO.


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