Gerade als Ungeduld in Ärger umschlagen wollte, bringt Apple ein externes Display. Was folgt, ist ein Wechselbad der Gefühle. [...]
Meine jahrelange, bedingungslose Treue zum iMac 5K hatte einen einfachen Grund: Es gibt auf dem Markt kein Display, das sich mit demjenigen im iMac messen kann. Ich habe endlos lange und mit zunehmender Frustration danach gesucht. Denn mit einem externen Display wäre ein Umstieg auf ein MacBook oder einen Mac mini mit M1-CPU eine reine Formsache.
Wenn man sich den Rechenteil des iMacs wegdenkt, sitzt man vor einem Display, das seinesgleichen sucht. Die 5K-Auflösung ist so scharf und befriedigend, dass jeder andere Monitor beinahe physische Schmerzen verursacht. Der iMac 5K liefert aber auch einen hervorragenden kräftigen Sound, den man den ultraschmalen Lautsprechern nie zutrauen würde; es gibt keinen Grund, den Schreibtisch für Musik und Videos mit externen Brüllwürfeln zu verschandeln. Und schließlich ist im Display des iMacs auch eine Webcam verbaut – auch wenn die zugegebenermaßen grottenschlecht ist.
Doch jetzt wird alles besser. Das neue Studio Display mit 27 Zoll sieht nicht nur todschick aus, sondern demonstriert in fast allen Disziplinen seine Überlegenheit.
Standfuß, Pferdefuß
Zur Auswahl stehen drei Möglichkeiten für die Befestigung. Die erste besteht aus dem starren Fuß, mit dem sich das Studio Display zwar neigen, aber nicht in der Höhe verstellen lässt. Diese Ausführung kostet 1699 Franken. Für dasselbe Geld wird das Teil ohne Fuß, aber mit einem VESA-Mount angeboten, der auch einen vertikalen Betrieb zulässt. Für 2090 Franken bekommt man schließlich jene Ausführung, die die meisten vermutlich favorisieren werden: mit einem flexiblen Standfuß, der sich auch in der Höhe um bis zu 10,5 Zentimeter nivellieren lässt.
Wichtig: Der Fuß lässt sich später nicht mehr tauschen. Jede Wahl ist eine endgültige.
Diese 391 Franken Unterschied zum höhenverstellbaren Fuß hätte sich Apple sparen können, denn sie sind nur eine Steilvorlage für all jene, die es nicht so mit Apple haben: Für fast 1700 Franken müsste der Fuss eine Selbstverständlichkeit sein.
Jedenfalls wurde das Testgerät versehentlich mit dem unflexiblen günstigen Standfuß geliefert, sodass ich mit inbrünstiger Überzeugung nur davon abraten kann: Bei einer normalen Sitzposition führt der Blick geradewegs in die Webcam und an die Wand dahinter. Bilder gibt es nur bei geneigtem Haupt und deshalb braucht es mindestens einen Harry Potter als Unterlage, um auf eine angenehme Höhe zu kommen.
Auf der Rückseite verbindet sich das Display über drei USB-C-Anschlüsse mit beliebiger Peripherie. Der zusätzliche Thunderbolt-3-Port liefert außerdem eine Leistung von 96 Watt und kann damit jedes MacBook aufladen, während gleichzeitig Bild und Daten übertragen werden. Zum Lieferumfang gehört ein Thunderbolt-Kabel von einem Meter, das sehr ansprechend mit schwarzem Textil ummantelt ist. Das klingt nach einem Stilbruch gegenüber dem hellen Aluminium-Gehäuse, wirkt aber tatsächlich sehr gediegen.
Die Bildqualität
Die Qualität des 5K-Displays ist herausragend – aber nichts anderes haben wir erwartet. Es bietet zwar kein HDR, deckt aber den erweiterten P3-Farbraum zu 100 Prozent ab. Farben und Kontraste sind ohne jeden Makel. Mit einer Farbtiefe von 10 Bit sind außerdem über 1 Milliarde Farbtöne darstellbar. Und egal, wie seitlich auf das Display geschielt wird: Die Qualität der Darstellung gibt kein Jota nach.
Die Helligkeit beträgt 600 Nits, was für die Arbeit in Innenräumen problemlos ausreicht. Der iMac 5K bringt es auf 500 Nits, die mir für die tägliche Arbeit jedoch meistens zu hell waren und selten voll aufgedreht wurden. Aber 600 Nits reichen eben nicht, um das Studio Display mit «HDR» anzupreisen.
Die Wiederholfrequenz von 60 Hz wird wohl jene enttäuschen, die mit einem 120 Hz schnellen ProMotion-Display gerechnet haben. Allerdings reden wir hier nicht von einem Smartphone, sondern von einem 5K-Display mit 10 Bit Farbtiefe. Eine Wiederholfrequenz von 120 Hz würde selbst den Thunderbolt-3-Anschluss überfordern, wenn gleichzeitig auch noch Daten übertragen werden, zum Beispiel an eine am Studio Display angeschlossene externe Festplatte.
Ich hätte mir außerdem gewünscht, dass das Studio Display dieselben runden Ecken aufweist, wie das «Liquid Retina Display» mancher iPads – einfach, weil sie hübsch aussehen. Aber in diesem Fall muss weiterhin die Freeware Displaperture ihren Dienst verrichten.
Für 300 Franken Aufpreis wird außerdem das normal entspiegelte Glas durch ein Nanotexturglas ersetzt, wie es beim «Pro Display XDR» zum Einsatz kommt. Es soll in hellen Räumen mit vielen Lichtquellen die Spiegelungen weiter reduzieren. Das Testgerät kam mit dem Standardglas – und was soll man sagen: Die Spiegelungen halten sich in engen Grenzen, obwohl das Display nicht matt, sondern kristallklar ist und die Bilder in ihrer vollen Pracht zeigen. Ich kann den Unterschied zu einem Nanotexturglas leider nicht testen; falls Sie daran interessiert sind, sollten Sie einen Besuch bei einem Apple Händler oder in einem Apple Store ins Auge fassen.
True Tone
Mit an Bord ist außerdem Apples True-Tone-Technologie, mit der die Bildschirmdarstellung an die Farbtemperatur der Umgebung angepasst wird und für eine natürlichere Darstellung sorgt, ganz besonders in den Abendstunden. Tatsächlich ist es diese Eigenschaft, die das Studio Display im direkten Vergleich über den iMac Baujahr 2020 erhebt: Fotos wirken dort nun einen Tick zu blau, während die Farben auf dem True-Tone-Display wesentlich gefälliger daherkommen – allerdings spielen sich diese Unterschiede auf einem Niveau ab, von dem die allermeisten Display-Hersteller nur träumen können.
Kamera, CPU und Face ID
Die «Webcam» – wenn man sie noch so nennen darf – kommt in Form einer 12-Mpx-Kamera mit einem ultraweiten Sichtfeld von 122 Grad. Sie liefert ein gestochen scharfes Bild und ist demnach schuldlos, wenn das Konterfei am anderen Ende schwammig ankommt.
Hingegen wirkte das Bild für meinen Geschmack etwas zu gelblich. Leider bietet Apple keine Einstellungen, um die Einstellungen zu manipulieren. Eine Lösung besteht darin, auf die Software iGlasses auszuweichen, die genau diese Lücke füllt, indem sie sich quasi als virtuelle Kamera dazwischenschiebt. Das funktioniert aufgrund von Apples Restriktionen jedoch nicht mit Face Time, aber immerhin mit diversen anderen Videochat-Lösungen, inklusive Teams. Trotzdem: Dafür müssen knapp 20 Franken ausgegeben werden, weil es Apple nicht für nötig hält, ein paar Schieberegler anzubieten.
In jedem Fall ist die neue Kamera ein riesiger Fortschritt, wenn man sich bis anhin mit den Flaschenböden begnügte, die Apple bis zuletzt in den Intel-Rechnern verbaut hat.
Center Stage (Folgemodus)
Zum ersten Mal kommt in einem Mac die «Center Stage»-Funktion zum Einsatz, von Apple mit «Folgemodus» übersetzt. Dabei folgt die Kamera scheinbar der Person, wenn sie sich bewegt. Tatsächlich handelt es sich dabei aber nur um eine Vergrößerung des Ausschnitts. Der Algorithmus dahinter leistet ganze Arbeit, indem sich die Kamera erst «bewegt», wenn die Action ein gewisses Ausmaß angenommen hat. Dann aber funktioniert der Ausschnitt butterweich. Der Folgemodus funktionierte im Test in Face Time und WebEx, aber nicht in Teams. Er muss vom Software-Hersteller also explizit unterstützt werden.
A13 CPU
Der Folgemodus, der Raumklang und einige andere Eigenschaften verlangen nach einer Rechenleistung, die man in einem Display normalerweise nicht findet. Deshalb verbaut Apple den A13 Bionic – dieselbe CPU, die mit dem iPhone 11 eingeführt wurde. Das bedeutet, dass wir in Zukunft wohl das eine oder andere Software-Update für das Studio Display erleben werden. Ein weiterer Nutzen des A13 ist die Verwendung von «Hey, Siri!»
Keine Face ID?!
Nein, keine Face ID. Und es gibt keine andere Eigenschaft, die ich dem Studio Display so übelnehme, wie diese Unterlassungssünde. Mit Face ID wäre die Eingabe des Kennwortes weitgehend entfallen, ein kurzer Blick hätte genügt. Stattdessen wurde bei der Presse-Vorführung darauf hingewiesen, dass schließlich die externe Apple-Tastatur für 209 Franken mit der integrierten Touch ID den Zweck genauso erfülle.
Dieser Aussage schwingt jener Hauch von Ignoranz mit, die bei Apple zuweilen durchschimmert. Außerdem würden ihr wohl all jene widersprechen, die jemals das Vergnügen mit einer Logitech MX Keys hatten – ein Traum von einer Tastatur, erst recht im Vergleich zu Apples Design-Unfall (mit Touch ID).
Und so bleiben all jene, die der Apple-Tastatur nichts abgewinnen können, in einer längst vergangenen Epoche stecken, in der es noch keine biometrische Entsperrung gab.
Lautsprecher und Mikrofone
Doch Videochats bestehen nicht nur aus einem bewegten Bild. Für den Ton und erst recht für die Musikwiedergabe im Home-Office zeichnet ein Verbund aus sechs Lautsprechern mit Tieftönern verantwortlich.
Und die Lautsprecher liefern! Mit einem kräftigen Bass, aber vor allem mit klaren Stimmen und einer plastischen Raumkulisse wirken Filme selbst im 27-Zoll-Form sehenswert. Die Musik klingt dynamisch, nuancenreich und ganz bestimmt nicht so, wie man es von irgendeinem anderen Display erwarten würde. Die Lautsprecher unterstützen 3D-Klang durch Dolby Atmos, aber das ist nicht ganz einfach einzuordnen, wenn die Musik aus einem Abstand von einem Meter frontal aufs Gesicht klatscht. Einigen wir uns darauf, dass sie einfach nur hervorragend und sehr plastisch klingt.
Hingegen war bei der Musikwiedergabe zwischen Spotify und Apple Music kaum ein Unterschied auszumachen, obwohl sich Apple damit rühmt, immer mehr Titel aus dem Musikkatalog in 3D-Sound anzubieten: Diese Hörproben klangen nahezu gleichwertig; wenn Apple also hier punkten will, dann bedingt das AirPods.
Die drei Mikrofone bilden einen Ring, gemäß Apple in «Studioqualität». Das gerichtete Beamforming fokussiert dabei auf die Person vor dem Display und blendete andere Geräusche sehr gekonnt aus. Die Zusammenfassung ist kurz: Mit diesen Mikrofonen entfällt die Notwendigkeit, bei Chats ein Headset zu tragen – auch wenn das vielleicht dazu führt, dass dieser Verstoß gegen die Etikette in der ersten Minute für ein missbilligendes Stirnrunzeln bei den anderen sorgt.
Fazit
Es hätte das perfekte Display werden können, aber nein: Apple hat es vermasselt. Am schwersten wiegt die fehlende Face ID, die all jene vermissen werden, die keine Apple-Tastatur verwenden wollen. (Und wer könnte es ihnen verdenken?) Die herausragende Webcam bietet außerdem keine Möglichkeit, in die Darstellung einzugreifen; es benötigt eine Drittanbieter-Software wie iGlasses. Und schließlich werden sich so manche gekniffen fühlen, die zum günstigeren Modell ohne Höhenverstellung gegriffen haben.
Was bleibt, ist das wohl beste 27-Zoll-Display am Markt. Es überzeugt farblich in jeder Hinsicht, erfreut mit seinem Design das Auge und die Lautsprecher machen jeden Gedanken an externe Boxen hinfällig. Und schließlich überträgt das Mikrofon die Sprache so präzise, dass in Videochats auf ein Headset verzichtet werden kann. Das Studio Display ist das, worauf viele von uns seit vielen Jahren sehnsüchtig gewartet haben.
Den Kritikpunkten zum Trotz verdient das Studio Display eine starke Kaufempfehlung, wenn auch zähneknirschend. Denn es gibt keine Alternative, solange man nicht bereit ist, die eigenen Ansprüche drastisch herunterzuschrauben.
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