Gehen Sie gerne in Restaurants, die zwar gutes Essen zu moderaten Preisen bieten, in denen Ihnen die Atmosphäre aber nicht gefällt und die Gemütlichkeit fehlt? Wohl kaum. Im Internet ist es ähnlich. Angesichts des hohen Wettbewerbsdrucks reicht es heute nicht mehr aus, einfach nur eine Website mit einem konkurrenzfähigen Inhalts- und Warenangebot bereitzustellen. Um neue Kunden zu gewinnen und bestehende zu binden, muss der Online-Auftritt darüber hinaus ein optimales Nutzererlebnis bieten. Nur wenn sich die Nutzer auf einer Website wohlfühlen, sind sie auch bereit, sich lange dort aufzuhalten, ihre Warenkörbe reichlich zu füllen und regelmäßig wiederzukommen. Website-Betreiber müssen ihre Online-Präsenz deswegen kontinuierlich im Hinblick auf ein gutes Nutzererlebnis optimieren. Dazu bedarf es neben Zeit und Geld vor allem einer Strategie für den Einsatz geeigneter Methoden und Werkzeuge. [...]
Wenn es um die Optimierung ihrer Online-Präsenz geht, sind Website-Betreiber oft etwas ratlos, wie sie am sinnvollsten vorgehen und wo sie anfangen sollen. Das ist angesichts des riesigen Angebots an Methoden und Werkzeugen auch nicht verwunderlich. Als besonders effektiv hat sich in den letzten Jahren folgendes schrittweises Vorgehen herauskristallisiert:
Schritt 1: Schwachstellen der Website identifizieren
Um die wesentlichen Schwachstellen der Website zu identifizieren, ist es heute die Pflicht jedes Website-Betreibers, eine Web-Analyse Software einzusetzen. Mit dieser erfährt er beispielsweise, welche Seiten typische Ausstiegsseiten sind oder sehr kurze Verweildauern aufweisen, welche Landing Pages hohe Bounce Rates verzeichnen oder in welchem Prozessschritt sich Abbrüche häufen. Kritische Bereiche einer Website werden so mit wenig Aufwand identifiziert. Gleichzeitig kann der Website-Betreiber Schwachstellen aus Nutzersicht herausfiltern, indem er beispielsweise Onsite-Zufriedenheitsbefragungen durchführt oder Feedback-Buttons auf seinen Webseiten anbietet. Statt selbst die Informationen aus der Web-Analyse und dem Nutzerfeedback zu interpretieren, kann der Website-Betreiber aber auch ein Beratungsunternehmen engagieren. In diesem Fall nehmen Experten die Website auf Basis ihrer Erfahrung unter die Lupe, stellen Vermutungen über Schwachpunkte an und fassen die Ergebnisse in einem Gutachten zusammen. Entweder gehen sie dabei rein kognitiv ohne Datenanalyse vor, oder sie greifen auf Kennzahlen von Web-Analyse Lösungen zurück. Auch mit dieser Herangehensweise werden kritische Bereiche oft zuverlässig und schnell identifiziert.
Tipp: Nutzen Sie zunächst Ihre Web-Analyse Lösung, um die gröbsten Schwachstellen zu erkennen, bevor Sie teure Dienstleister engagieren. Erst wenn Sie per Software keine Probleme mehr identifizieren können, ziehen Sie Experten zu rate.
Schritt 2: Prioritäten setzen und Hypothesen aufstellen
Hat man die kritischen Stellen der Website identifiziert, müssen Prioritäten gesetzt werden. Es macht keinen Sinn, mehrere Bereiche gleichzeitig detailliert zu analysieren und zu optimieren. Generell sollte als erstes die Schwachstelle angegangen werden, die das Businessmodell der Website am stärksten beeinträchtigt. Im Falle von Online-Shops sind dies beispielsweise die Seiten mit den höchsten Abbruchraten im Bestellprozess. Investiert ein Website-Betreiber dagegen viel Geld in Online-Kampagnen, sollte er als erstes die Kampagnen-Landingpages mit den höchsten Bounce Rates unter die Lupe nehmen. Auf Basis der ersten Schwachstellen, die aus der Web-Analyse, dem Nutzerfeedback oder dem Expertengutachten hervorgegangen sind, muss der Website-Betreiber dann Hypothesen über mögliche Ursachen aufstellen. Verliert er beispielsweise besonders viele Besucher auf einer bestimmten Seite, lautet eine mögliche Hypothese, dass die Besucher einen Interaktionsbutton häufig nicht als solchen erkennen oder gar nicht wahrnehmen.
Tipp: Stellen Sie anhand der Wertschöpfungskette priorisierte Hypothesen auf, die zum analysierten Problem führen könnten.
Schritt 3: Hypothesen überprüfen
Bei der Validierung der Hypothesen gibt es unterschiedliche Herangehensweisen. Um herauszufinden, wie die Nutzer die Website erleben und was sie tatsächlich wahrnehmen, bietet sich auf softwaretechnischer Ebene der Einsatz einer Mouse Tracking-Lösung an. Denn wissenschaftliche Studien belegen, dass Maus- und Augenbewegungen stark miteinander korrelieren. Alleine anhand der Mausbewegung lässt sich auf die Augenbewegung und die Wahrnehmung der Nutzer schließen. Mouse Tracking-Lösungen geben dabei nicht nur jede einzelne Besuchersitzung wie einen Film wieder und machen so das Nutzererlebnis transparent. Sie sind darüber hinaus in der Lage, die einzelnen Besuchersitzungen zu Overlay Maps zu verdichten und diese direkt auf der analysierten Website darzustellen. So erkennt man auf einen Blick, welche Seitenabschnitte die Besucher wahrnehmen, bis wohin sie scrollen und wie lange sie welche Elemente betrachten. Die Hypothese, dass die Nutzer einen Interaktionsbutton übersehen haben, ist durch Mouse Tracking schnell und kostengünstig überprüfbar. Identifiziert ein Website-Betreiber auf einer Formularseite eine Schwachstelle, hilft die Formularanalyse, die häufig in Mouse Tracking-Lösungen integriert ist. Diese ermöglicht eine detaillierte Analyse bis auf Formularfeld-Ebene. Website-Betreiber erfahren nicht nur, in welcher Reihenfolge welche Felder ausgefüllt werden und wie viel Zeit die Besucher jeweils dafür benötigen, sondern auch in welchem konkreten Formularfeld die Besucher mit der Eingabe zögern oder gar die Seite verlassen.
Als Alternativen zur softwarebasierten Nutzeranalyse gibt es ein breites Spektrum an Methoden, bei denen Personen physisch bei der Website-Nutzung im Labor beobachtet werden. In der Regel müssen dazu Probanden eine Aufgabe lösen, mit der die Hypothesen überprüft werden. Beim Friendly User Test zum Beispiel lädt der Website-Betreiber befreundete Personen ein, die bei der Bearbeitung der Aufgabe mittels Webcam beobachtet werden. Diese Methode ist kostengünstig, liefert aber – je nach Repräsentativität der Friendly User – nur bedingt valide Ergebnisse. Professioneller ist der Gang in ein Usability Labor. Nach der Rekrutierung der passenden Probanden – für Zielgruppen-repräsentative Ergebnisse üblicherweise um die 30 Personen der jeweiligen Zielgruppe – werden diese bei der Bearbeitung der Aufgabe gefilmt – Tonaufzeichnung inklusive. Welche weiteren Methoden eingesetzt werden – ob die Methode des Lauten Denkens oder die zusätzliche Aufzeichnung der Mimik des Probanden mittels Frontalkamera – hängt u.a. vom Geldbeutel des Auftraggebers ab. Spielen Budgets keine große Rolle, kommt als Methode auch noch Eye Tracking in Betracht. Es liefert sehr valide Ergebnisse, welche Bildschirmelemente die Aufmerksamkeit des Nutzers auf sich ziehen, die in ihrer Genauigkeit die Analysen des Mouse Trackings noch übertreffen können.
Usability Labs sind eine sehr gute Möglichkeit, um Hypothesen zuverlässig zu überprüfen. Gegenüber Mouse Tracking-Lösungen besitzen sie allerdings den Nachteil, dass es sich bei den Probanden nicht um echte Nutzer in ihrer natürlichen Umgebung handelt und dass sowohl die Anzahl der Probanden als auch die Anzahl der Aufgaben begrenzt sind. Hinzu kommen der hohe zeitliche und finanzielle Aufwand. Die Kosten für ein festgelegtes Testszenario belaufen sich auf rund 15.000 Euro für bis zu zehn Probanden und weit mehr als 30.000 Euro für größere Stichproben und umfangreiche Methoden. Das macht Labortests für viele Anwender unerschwinglich. Mouse Tracking dagegen kostet je nach Umfang der Auswertungsmöglichkeiten zwischen 50 und 200 Euro im Monat, unabhängig davon wie viele Besucher man betrachtet oder wie viele Hypothesen und Schwachstellen man überprüft.
Ein Vorteil des Usability Labors ist, dass der Testleiter die Probanden direkt zu beobachteten Reaktionen und Emotionen befragen und mit ihnen in Interaktion treten kann. Und die Gefühlswelt ist im Hinblick auf die Optimierung des Nutzererlebnisses von großer Bedeutung. Auf technischer Ebene hat der Website-Betreiber ähnliche Möglichkeiten durch Onsite-Befragungen und Feedback-Buttons, die er parallel zur Web-Analyse und zum Mouse Tracking einsetzen sollte. Mittels Onsite-Befragungen erfährt er, wie zufrieden die Besucher mit verschiedenen Aspekten des Webauftritts sind und was ihre Zufriedenheit antreibt. Dabei besteht die Möglichkeit, Nutzer abhängig von ihrem Verhalten zu der Befragung einzuladen. Über Feedback-Buttons auf allen Webseiten können Besucher direkt Emotionen, Verbesserungsvorschläge oder Kritik äußern. Das Feedback lässt sich seitenbezogen auswerten und ist oft schnell umsetzbar.
Die Ergebnisse der unterschiedlichen Herangehensweisen sind bezüglich der Genauigkeit ähnlich. Der Vorteil des Usability Labors ist die bessere Interaktionsmöglichkeit, während das Mouse Tracking mit hoher Skalierbarkeit und einem sehr günstigen Preis punktet. Generell gilt: Sollen Hypothesen bezüglich Schwachstellen bei visuellen Komponenten überprüft werden, eignen sich beide Vorgehensweisen gut. Geht es jedoch um Interaktionselemente, die vom Nutzer Eingaben erfordern, empfiehlt sich in der Detailanalyse aufgrund der größeren Stichprobe und den umfassenderen Möglichkeiten der Formularanalyse das Mouse Tracking.
Tipp: Reduzieren Sie die Anzahl der Hypothesen zur Website-Verbesserung zielgerichtet und beginnen Sie mit der Hypothese im Hinblick auf die größte Schwachstelle. Dabei können Usability Labs eine sehr wertvolle Hilfe sein. Stehen Ihnen dazu die finanziellen Mittel nicht zur Verfügung, greifen Sie auf Friendly User Tests oder preiswerte Mouse Tracking-Lösungen zurück.
Schritt 4: Verschiedene Varianten testen
Hat der Website-Betreiber nun eine Hypothese bestätigt, die zu einem Problem führt, gilt es Abhilfe zu schaffen. In einem ersten Schritt muss er Ideen für mögliche Änderungen, sogenannte Varianten, entwickeln. Hat er zum Beispiel herausgefunden, dass die Nutzer auf einer Seite tatsächlich einen Interaktionsbutton übersehen und deswegen vermehrt abbrechen, kann er den Button etwa hinsichtlich Farbe, Position, Größe, Bezeichnung oder Form verändern. Die Varianten müssen dann getestet werden, um die beste zu identifizieren – mindestens jedoch eine neue Variante gegen die bisherige Lösung. Dafür gibt es spezielle Softwarelösungen. Man unterscheidet Lösungen für A/B/N-Testing, bei denen nur ein Element einer Webseite bzw. eine ganze Seite in mehreren Varianten getestet werden, und Lösungen für Multivariates Testing, bei denen mehrere Elemente in verschiedenen Varianten gleichzeitig getestet werden. Wichtig ist, dass die Varianten stark differieren und sich an der Kernzielgruppe orientieren. Kann der Website-Betreiber aufgrund des großen Aufwands nur eine Variante entwickeln, kann er statt einer speziellen Testing-Software auch seine Web-Analyse Lösung verwenden. Will er seine Varianten dagegen auf Click-Dummies testen, also mit simulierten Funktionen ohne aufwändige Implementierung in die echte Website, sind Labortests mit Probanden sehr hilfreich. Generell liefern spezielle Testing-Lösungen und Labortests umfassendere Testmöglichkeiten als die Web-Analyse. Allerdings erfordert beides zusätzliche zeitliche und finanzielle Ressourcen. Die Kosten für professionelle multivariate Tests beispielsweise beginnen in der Regel bei 50.000 Euro pro Jahr.
Tipp: Wenn Sie – etwa aufgrund langer Deployment-Zyklen – auf Click-Dummies testen wollen, empfiehlt sich der Gang in ein Usability-Labor. Der Einsatz einer Testing-Software macht dann Sinn, wenn Sie viele Varianten gleichzeitig testen wollen und über entsprechend viel Traffic bzw. Zeit und die notwendigen finanziellen Ressourcen verfügen. Können Sie etwa aus Ressourcengründen nur eine verbesserte Variante entwickeln und sind Sie in der Lage, die Webseite inkrementell zu optimieren, dann nutzen Sie Ihre bestehende Web-Analyse Lösung. So entstehen Ihnen keine zusätzlichen Kosten.
Generell ist eine technische Herangehensweise meist zu bevorzugen, wenn schon eine Website mit Traffic existiert. Befindet sich eine Präsenz erst in der Konzeptionsphase, empfiehlt sich jedoch der Gang ins Usability Labor. Unabhängig davon, ob man sich bei der Optimierung des Nutzererlebnisses letztlich für eine technische oder eine beratende Vorgehensweise oder für eine Kombination beider Methoden entscheidet, zwei Aspekte sind ausschlaggebend: Zum einen muss strategisch vorgegangen und die Reihenfolge der Methoden und Werkzeuge eingehalten werden. Das spart Zeit, Nerven und vor allem Geld. Zum anderen ist Kontinuität unabdingbar. Denn die Nutzer und ihre Erwartungen an die Website ändern sich. Um Neukunden zu gewinnen und bestehende zu binden, müssen Website-Betreiber ihre Online-Präsenz deswegen kontinuierlich in puncto Nutzererlebnis optimieren. Fakt ist: wer stagniert, verliert – Kunden.
* Olaf Brandt ist Director Product Management bei Etracker.
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